Tödlicher Parasit breitet sich im Veldensteiner Forst aus

Kilian Trabert

Online-Redakteur

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23.10.2019, 18:12 Uhr
Tödlicher Parasit breitet sich im Veldensteiner Forst aus

© Foto: Patrick Pleul/dpa

Im besten Fall ist das Tier nur geschwächt, im schlimmsten Fall wird es von den Parasiten getötet: Der Amerikanische Leberegel macht sich in Franken und der Oberpfalz breit – auch der Veldensteiner Forst ist massiv betroffen.

Veldensteiner Forst/Bayern: Tödlicher Parasit breitet sich aus

Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Art aus Amerika eingeschleppt und breitete sich in mehreren Ländern Europas, unter anderem in Regionen Italiens, Österreichs und Kroatiens sowie mehreren osteuropäischen Ländern, aus.


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Nun ist er auch in Bayern angekommen: Vor drei Jahren wurden erste Fälle im Veldensteiner Forst entdeckt. Seitdem bereitet der Amerikanische Leberegel den Experten Kopfzerbrechen. "Keiner weiß genau, wie der Parasit auch bei uns eingeschleppt wurde", erklärt Frank Pirner. Er ist Forstbetriebsleiter bei den Bayerischen Staatsforsten in Pegnitz – und damit auch für den Veldensteiner Forst zuständig. Möglich sei, dass der Amerikanische Leberegel von Tieren aus Tschechien mitgebracht wurde.

Parasit im Veldensteiner Forst: "Dramatischer Kreislauf"

Deshalb riefen die Staatsforsten vor einem Jahr eine Kooperation mit der Technischen Universität München (TUM) ins Leben. Jäger und Förster sichern die Lebern befallener Tiere im Wald. Sie werden dann von den Wissenschaftlern in München untersucht.

Ihr Ziel: Mehr über den Parasiten in Erfahrung bringen und Möglichkeiten finden, ihn zu bekämpfen.

Doch das ist alles andere als einfach, denn der Weg, den der Parasit nimmt, ist ein "dramatischer Kreislauf", wie es Heinrich Krodel, zweiter Vorsitzender der Jägerkameradschaft Auerbach, nennt.

Veldensteiner Forst/Bayern: Amerikanischer Leberegel legt Eier ab

In der Leber ihrer Wirte legen die bis zu zehn Zentimeter langen Plattwürmer ihre Eier ab. Diese werden ausgeschieden und von speziellen Schneckenarten, wie etwa der Zwergschlammschnecke, wieder aufgenommen, informiert das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

In ihrem neuen Wirt schlüpfen die Larven und gelangen – meist indem sie die Haut der Schnecke durchbohren – ins Freie und setzen sich auf Grashalmen ab. Das Gras wiederum wird vom Rotwild gefressen. Die sogenannten Metazerkarien landen somit im Darm ihres Wirtstiers. Von dort bahnen sie sich ihren Weg zur Leber, entwickeln sich dort weiter – und sind nun selbst in der Lage, Eier abzulegen.

Parasit im Veldensteiner Forst: Teile des Rotwilds verenden

Ein Teufelskreis, der für die Experten bislang kaum zu durchbrechen ist. Die Leber der Wirte wird dadurch so stark beschädigt, dass die Tiere oft völlig geschwächt sind – und damit leichte Beute für Fressfeinde, wie etwa Wölfe, werden, so Frank Pirner. Ein Teil des Rotwilds stirbt sogar, wenn sich zu viele Parasiten in den Organen einnisten. "Die Tiere ziehen sich zurück und gehen dann einfach ein", so Pirner.

"Wir wussten am Anfang nicht, womit wir es genau zu tun haben", erinnert er sich. Doch der Wurm verbreitete sich rasend schnell. Schon im ersten Jahr war jedes fünfte Stück Rotwild im Veldensteiner Forst betroffen. Wie viele es nun sind, soll unter anderem durch die Studie der TUM ermittelt werden.

Parasit in Bayerns Wäldern: Bis zu 80 Prozent infiziert

Schon jetzt deuten Forschungsergebnisse der Wissenschaftler darauf hin, dass in einigen Regionen Nordbayerns über 80 Prozent des Rotwilds infiziert sind. "Jetzt müssen wir uns damit beschäftigen, wie wir damit umgehen", erklärt der Forstbetriebsleiter. Das endgültige Ergebnis der Studie wird erst mit dem Ende des Jagdjahres, Ende März des kommenden Jahres, erwartet.

Doch schon jetzt laufen erste Maßnahmen: Ziel sei es, den gesamten Bestand zu senken, um die Gefahr von Ansteckungen zu reduzieren. Deshalb werden die Jäger nun mehr Tiere schießen, so Pirner. Und auch der zurückgekehrte Wolf, der sich bekanntlich im Veldensteiner Forst niedergelassen hat, helfe dabei, schwache Tiere zu erlegen.

Parasit im Veldensteiner Forst: Gefahr auch für Verbraucher?

Eine Gefahr für Verbraucher bestehe nicht, versichert der Experte. Der Amerikanische Leberegel infiziere nur die Leber, das Wildbret sei nicht betroffen und könne ganz normal verzehrt werden. "Wir schauen jedes erlegte Tier ganz genau an. Bei großen Jagden sind außerdem immer Tierärzte mit dabei", erklärt Pirner. "Wir haben einen ganz klaren Grundsatz: Wir geben nichts raus, was wir nicht selber essen würden."

Immerhin, wenigstens eine gute Nachricht, findet Jäger Heinrich Krodel. "Wir unterstützen natürlich das Vorgehen der Staatsforsten, mehr Tiere zu erlegen", sagt er. "Viel mehr bleibt aber leider auch nicht übrig." Das eigentliche Problem ist in seinen Augen nicht das Rotwild, sondern die weitertragenden Schnecken, gegen die könne man kaum vorgehen.

Veldensteiner Forst/Bayern: "Wird eine Never Ending Story"

Zumindest eine weitere Erkenntnis haben die Experten bereits gewonnen: Da sich Schnecken in Feuchtgebieten, etwa an den Ufern der Pegnitz, am wohlsten fühlen, gebe es dort auch mehr Tiere mir Parasitenbefall, erklärt Pirner.

Jetzt ruhen die Hoffnungen auf den Ergebnissen der Münchner Wissenschaftler. Sie versuchen unter anderem herauszufinden, in welcher Jahreszeit der Parasitenbefall besonders häufig auftritt, wo genau sich die betroffenen Tiere aufgehalten haben und wie vital sie noch waren. Krodel fürchtet trotzdem, dass sich das Problem kaum lösen lässt. "Das wird eine Never Ending Story werden."

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