Allersberg 1945

75 Jahre Kriegsende: Als das Grauen nach Allersberg kam

10.4.2020, 19:45 Uhr
Das durch amerikanischen Artilleriebeschuss stark zerstörte Allersberg, wie der Maler Wilhelm Schmidt-Croté es sah. In Auftrag gegeben wurden seine Bilder von der US-Armee.

© Repro: Robert Unterburger Das durch amerikanischen Artilleriebeschuss stark zerstörte Allersberg, wie der Maler Wilhelm Schmidt-Croté es sah. In Auftrag gegeben wurden seine Bilder von der US-Armee.

Bei den dreitägigen Kämpfen zwischen den Resten der deutschen Wehrmacht und US-Truppen machen schwere Artillerietreffer nicht nur die Allersberger Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, sondern auch zahlreiche Wohnhäuser zu Ruinen. Einer der ersten Schüsse reißt die Turmspitze der Kirche herunter. Die Amerikaner schießen bevorzugt auf Kirchtürme, weil sie hier feindliche Beobachtungsposten der SS vermuten. So werden Turm und Dach der Sankt-Georgs-Kirche in Göggelsbuch schwer beschädigt.

Nur noch ein Trümmerhaufen

Weitere Treffer führen zu schweren Schäden an der Allersberger Pfarrkirche. Auch das Steinrelief "Jesus am Ölberg mit den schlafenden Jüngern" wird beschädigt. Das Türmchen der Sebastianskirche wird ebenfalls herabgeschossen.

Allersberg erlebt die schwärzesten Tage seiner langen Geschichte. Schwere Kämpfe finden hier vom 20. bis 23. April 1945 zwischen den nach Süden zurückweichenden deutschen Truppen und der nachstoßenden US-Army statt. Es gibt zahlreiche Verluste. Allersberg ist nach den Kämpfen nur noch ein Trümmerhaufen. Als die Amerikaner nach Altenfelden vorrücken, wird die 23-jährige Anna Fiegl von einer Granate tödlich getroffen. Ihr Sohn Bernhard wird im Gesicht schwer verletzt; er überlebt aber. Die SS hat sich im Café Schönfuß verbarrikadiert.

Bei der Beschießung Allersbergs flüchten sehr viele Leute in den Scharlskeller. Es gibt Streitigkeiten, weil der Keller schon überfüllt ist. Die Leute drinnen wollen die Nachkommenden nicht hereinlassen, aber dann müssen sie doch zusammenrücken – 60 bis 70 Menschen.

Beim zweiten Beschuss der Weihergasse kommt es zu Plünderungen. Während die Amerikaner nichts entwenden, lassen Einheimische sehr viel mitgehen. Am Tag vor der Beschießung Allersbergs backen die Leute im Backofen der Familie Rückert noch Brot, das sie in den Scharlskeller mitnehmen.


Roth vor 75 Jahren: US-Bomber drehten im letzten Moment ab.


Während das Haus der Familie Wägler in der Weihergasse durch einen Volltreffer dem Erdboden gleichgemacht ist, kommt das Haus der Familie Meyer glimpflich davon. Das Haus vom "Droutmeyer" (Familie Gilch, Freystädter Straße) weist durch einen Granatenbeschuss ein kreisrundes Loch auf. Die Granate richtet keine größeren Schäden an. Nur alle Fenster gehen zu Bruch. Das Rathaus am Zwischenmarkt brennt vollständig aus.

20 zivile Tote, die in den Kämpfen vom 21. bis 23. April 1945 ums Leben kamen, ruhen in einem Sammelgrab im Friedhof. Im Gemeinschaftsgrab der zivilen Toten ruhen neun Männer, acht Frauen und drei Kinder. Sie starben im Hagel der amerikanischen Artillerie.

Enge in Bierkellern

Am 20. April 1945 kreisen Flugzeuge über Allersberg. Die Zivilbevölkerung wird aufgefordert, die Luftschutzräume aufzusuchen. In den alten Bierkellern, in denen man sich versteckt, herrscht Enge und es ist kaum Platz zum Bewegen. Am 23. April 1945 gehen Bomben über Allersberg nieder und setzen den Ort in Brand. Ein Wolkenbruch hilft mit, alle Brände zu löschen.

Helden sind jene, die sich bei der Rettung der Verletzten und Bergung der Toten in den Ruinen nicht schonen. Etwa der junge Kaplan Peter Köferler, der den Amerikanern mit einer weißen Fahne entgegen eilt, um sie zu bitten, den Beschuss einzustellen. Oder der Vater von Hartmut Täufer, der seine kranke, bettlägerige Schwiegermutter in letzter Sekunde aus dem Bett und dem Zimmer zerrt, bevor hineingeschossen wird.

Das Rathaus zog um

Gefallene Soldaten werden vor dem Friedhof bestattet: acht deutsche und ein holländischer SS-Mann, sechs Soldaten aus verschiedenen Wehrmachtsteilen, ein italienischer Hilfswilliger und ein Pole. Überführt in dieses Sammelgrab werden sechs Soldaten, die in den Ortsteilen gefallen sind. Die 24 Toten werden später in den Friedhof umgebettet.


In den letzten Kriegstagen: Schrank wurde zur tödlichen Falle.


Bei den Kämpfen sterben 24 SS-Soldaten und 20 Zivilisten. Ab 23. April 1945 haben in Allersberg die Amerikaner das Sagen. Sie setzen den Kaufmann Wilhelm Burghardt als Bürgermeister ein, er bleibt es bis Oktober 1945 und berichtet in einem Schreiben an den Prokuristen der Fella-Werke in Feucht, in Allersberg seien 100 Häuser und 108 Nebengebäude zerstört. Burghardt bittet, Landwirtschaftsgeräte zu liefern.

Nach den schweren Kämpfen in und um Allersberg wird ein provisorisches Rathaus im Geiershoefer-Haus eingerichtet. 1946 werden zwei Räume im ehemaligen Pfleghaus am Marktplatz frei. Daher erfolgt der Umzug des Rathauses dorthin. Zugunsten eines Schulhauses wird das alte Rathaus nicht mehr aufgebaut. Am 23. April 1945 wird die bestehende Verwaltung aufgelöst. Ein Gemeinderat, der sich "Ältestenrat" nennt, wird bestimmt. Politische Parteien gibt es noch nicht.


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Die erste Bekanntmachung des Bürgermeisters Wilhelm Burghardt vom 2. Mai 1945 kennzeichnet die Notsituation, in der sich Allersberg bei Kriegsende befand. Vom Kriegsende am 8. Mai 1945 erfahren die meisten Menschen auf dem Land erst im Nachhinein, denn es gibt keine Zeitung, keine Schule, keinen Strom und somit auch keine Radiomeldungen.

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