Geschichte trifft auf Gegenwart: Kanalbau an sensibler Stelle

Patrick Shaw

Redaktionsleiter Schwabacher Tagblatt / Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung / Hilpoltsteiner Zeitung

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06.11.2020, 06:04 Uhr
Geschichte trifft auf Gegenwart: Kanalbau an sensibler Stelle

© Lidia Piechulek

In der Uhlengasse soll demnächst die seit zehn Jahren geplante und vor acht Jahren in der Kirchenstraße begonnene Umstellung des Kanalnetzes in der Treuchtlinger Stadtmitte auf ein Trennsystem weitergehen. Ein Wasserrechtsbescheid von 2009 fordert die Trennung von Schmutz- und Regenwasser wegen der Lage im Überschwemmungsgebiet der Altmühl.

Für die Stadt ist das einerseits teuer, andererseits aber eine Gelegenheit, das Ortsbild "aufzuhübschen". In der Uhlengasse kommt noch ein sensibles Thema hinzu: Hier stand bis zum Pogrom vom 9. November 1938 die Treuchtlinger Synagoge, deren Andenken weiter bewahrt werden soll.

Dass das Projekt nicht nur Optik, Umwelt und der Entlastung der Kläranlage dient, verdeutlichte Planer Karl-Heinz Hasselmeier in der jüngsten Stadtratssitzung: Die Kanalisation in der Uhlengasse sei "nicht nur marode, sondern total kaputt". Ihre Erneuerung werde nicht ganz einfach, denn der Untergrund im alten Stadtkern liegt voll von alten, kreuz und quer verlaufenden Leitungen.

Drei Ausbau-Varianten möglich

Für den oberflächlich sichtbaren Straßenraum stellte Hasselmeier drei Varianten vor, die wahlweise rund 675.000, 688.000 oder 741.000 Euro kosten. Bei allen dreien soll die Uhlengasse "nicht Straße sein, sondern eine plane Fläche". Der verkehrsberuhigte Bereich in der Kirchenstraße, der bisher an der Einmündung der Uhlengasse endet, soll dafür erweitert werden. Am Ort der ehemaligen Synagoge könnte ein Aufenthaltsbereich mit Gedenktafel und Bank entstehen. Auch nur dort wäre wegen der beengten Verhältnisse Platz für zwei oder drei größere Bäume. Das neue Betonsteinpflaster soll in etwa dieselbe Farbe erhalten wie die "Gehstreifen" in der Kirchenstraße.

Für die Entwässerung wäre die eleganteste, aber auch teuerste Variante eine "Metallschlitzrinne" in der Straßenmitte. Der schmale Metallstreifen würde den Regen ableiten und sich anders als ein herkömmlicher Rinnstein kaum mitteilen. Mehr als 50.000 Euro günstiger wäre ein mittiger Rinnstein in herkömmlicher Bauweise mit unregelmäßigem Pflaster.

Die günstigste und vom Bauamt bevorzugte Version wäre schließlich eine sogenannte Betonschlitzrinne. Dabei wird ein etwa 60 mal 60 Zentimeter großes Kastenrohr bündig in die Straßenmitte eingebaut, das über eine lange Öffnung das Wasser auffängt und – der Clou an der Sache – zugleich als Regenwasserkanal dient. Ein solches Betonrohr ist zwar teuer, es spart aber Platz und ersetzt komplett das für ein Trennsystem nötige zweite Kanalrohr im Untergrund.

Zu wenig Gefälle, zu viele Parkplätze?

Das Wasser im Rohr würde dann gen Osten in die Altmühl abfließen – was Uwe Linss (CSU) und Hans König (TBL) angesichts des nötigen Gefälles für die Dachrinnenanschlüsse nicht recht glauben mochten. Laut Bauamtsmitarbeiter Charly Bösel soll dies allerdings demnächst mit den Anwohnern besprochen werden.

Eine kleine Diskussion gab es außerdem über die Zahl der Parkplätze. Maximal zwölf sollen es künftig sein, etwas mehr als bisher. Klaus Fackler (UFW) plädierte indes dafür, gar keine Stellplätze auszuweisen. "Die Uhlengasse ist schon jetzt die einzige verkehrsberuhigte Straße der Stadt, die es ohne Ausweisung tatsächlich ist", so Fackler. Es gelte, "dem Auto nicht immer den Vorrang einzuräumen" – und das insbesondere nicht vor der Gedenkstelle an die einstige Synagoge.

Einen Beschluss fällte der Stadtrat am Ende nicht – alle Varianten sollen demnächst noch einmal auf den Tisch kommen.

Die einstige Treuchtlinger Synagoge samt jüdischer Schule in der Uhlengasse vor ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten in der Pogromnacht vom 9. November 1938.

Die einstige Treuchtlinger Synagoge samt jüdischer Schule in der Uhlengasse vor ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten in der Pogromnacht vom 9. November 1938. © TK-Archiv

Zum Thema: Treuchtlingens Juden

Ein halbes Jahrtausend hier zu Hause

Die Geschichte der Treuchtlinger Juden geht bis ins Mittelalter zurück. Die Grafen und Marschälle von Pappenheim waren ab 1477 ihre Schutzherren. Zunächst hatten sie keine Synagoge, sie gehörten zur Kultusgemeinde in Pappenheim, wo Juden schon seit dem elften Jahrhundert nachgewiesen sind.

Anfang des 18. Jahrhunderts entstand in Treuchtlingen in der jetzigen Uhlengasse eine jüdische Schule, die später zur Synagoge erweitert wurde. Ihre Kultgegenstände stammten aus den Jahren 1722 bis 1808, ein rituelles Bad erhielt sie um 1780. Am Fuß des Schlossbergs in der heutigen Uhlbergstraße lag damals der jüdische Friedhof, den auch die Gemeinden Ellingen und Markt Berolzheim nutzten.


Pogromnacht: Als die SA die Treuchtlinger Juden vertrieb


Die Ära der jüdischen Gemeinde endet mit der Zerstörung der Synagoge in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938. Seit 1939 gibt es in Treuchtlingen keine Einwohner jüdischen Glaubens mehr.

(Auszug aus der Inschrift am ehemaligen Standort der Synagoge in der Uhlengasse)

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