Kriminelle Kleingruppen aus Holland

Über eine Million Euro Beute aus gesprengten Geldautomaten: Franken ist Hotspot

Arno Stoffels

Region und Bayern

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6.2.2022, 05:57 Uhr
In den frühen Morgenstunden des 26. Januar 2022 sprengten Täter einen Geldautomaten in Lichtenau, es entstand erheblicher Schaden.

© Bauernfeind/News5 In den frühen Morgenstunden des 26. Januar 2022 sprengten Täter einen Geldautomaten in Lichtenau, es entstand erheblicher Schaden.

Ein lauter Knall riss die Anwohner in Lichtenau im Landkreis Ansbach am 26. Januar mitten in der Nacht aus dem Schlaf. Unbekannte hatten einen Geldautomaten gesprengt, das betroffene Gebäude der VR-Bank wurde durch die Detonation stark beschädigt. Anschließend flüchteten die Täter Richtung Autobahn 6, die Ermittlungen laufen seither.

Regelmäßig kommt es auch im Freistaat und vor allem in Nordbayern und auch in der Region zu Geldautomaten-Sprengungen, wie das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) mitteilt.

Flucht in schnellen Autos

Nach der Tat fliehen die Geldautomatensprenger, die in Kleingruppen agieren, in der Regel in hochmotorisierten Fahrzeugen. Viele von ihnen stammen nach Erkenntnissen der Ermittler aus dem Maghreb, leben in den Niederlanden und reisen für die Taten nach Deutschland.

Ein Grund dafür ist nach Angaben der Polizei, dass viele Banken in den Niederladen ihre Automaten mittlerweile besser schützen als noch vor einigen Jahren, sowohl technisch als auch etwa durch begrenzte Öffnungszeiten beziehungsweise Betriebszeiten der Automaten.

Franken ist Hotspot

Die Region Franken ist dabei laut BLKA ein Hotspot in Bayern, weil der Anreiseweg der niederländischen Täter kürzer ist als in andere bayerische Regionen.

Zwar ist die Gesamtzahl der Fälle im Freistaat in den vergangenen drei Jahren gesunken, wie das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) mitteilt. Jedoch nutzen die Täter im Gegensatz zu früher inzwischen vermehrt sogenannten Festsprengstoff und werden damit von Jahr zu Jahr erfolgreicher.

In diesem Zusammenhang steigt auch die Beutesumme, so das BLKA. Im Jahr 2019 wurden 27 Fälle von gesprengten Geldautomaten registriert. In elf Fällen flohen die Täter mit Beute, in 16 Fällen gingen sie leer aus. Die Summe der Beute lag bei rund 900.000 Euro.

Für das Jahr 2020 zählt das BLKA 24 Taten. In 15 Fällen gelang es den Tätern, Beute zu machen, in neun Fällen nicht. Die Beute betrug rund 1,8 Millionen Euro.

17 Fälle im vergangenen Jahr

Im Jahr 2021 gab es 17 Fälle von gesprengten Geldautomaten. In zehn Fällen erbeuteten die Täter Bargeld, in sieben flohen sie mit leeren Händen. Die Summe der Beute lag 2021 bei etwas mehr als einer Million Euro.

Während 2019 noch 24 von 27 Fällen mit in die Automaten eingeleitetem Gas begangen wurden, waren es 2021 nur sieben von 17 Fällen. In sechs Fällen kam 2021 Festsprengstoff zum Einsatz. 2020 wurde in 20 Fällen Gas verwendet, in zwei Fällen Festsprengstoff, in zwei Fällen blieb das Sprengmittel nach Angaben der Ermittler unbekannt.

In diesem Jahr wurden bis zum Stichtag 4. Februar 2022 fünf Geldautomaten gesprengt, davon drei mit Festsprengstoff und einer mit Gas. In vier Fällen gelang es den Tätern, Beute zu machen.

Sprengstoff oft selber hergestellt

Hinter dem Begriff Festsprengstoff verbergen sich dabei unterschiedliche Explosivstoffe. In den meisten Fällen kommt selbst hergestellter Sprengstoff zum Einsatz, sogenannte Selbstlaborate. Selten nutzen die Täter auch militärischen Sprengstoff, den sie sich im Ausland besorgen.

Beiden Sprengmitteln gemein ist die gewaltige Sprengkraft. Oft werden die Geldautomaten bei den Attacken vollkommen zerstört, der Materialschaden liegt schnell im fünfstelligen Bereich. Doch auch Menschen können bei der Sprengung von Geldautomaten sowohl mit Gas als auch mit Festsprengstoff Schaden nehmen.

Lebensgefahr für Passanten

Auch wenn die Täter oft zu einem Zeitpunkt zuschlagen, zu dem keine Kunden Geld abheben wollen, bleibt ein Risiko für Leib und Leben von Passanten und Bewohnern etwa von Wohnungen oberhalb von Bankfilialen. Unabhängig davon, wo ein Geldautomat aufgestellt ist, können Trümmer und Splitter umherfliegen. Zudem entstehen bei jeder Sprengung erhebliche Gebäudeschäden.

Dass die Täter keinerlei persönliche Bezüge zu dem Ort haben, an dem sie zuschlagen, erschwert die Ermittlungen, so das BLKA. So schnell die Täter am Tatort sind, so schnell sind sie wieder weg.

Umfangreiche Ermittlungen

Nach jeder Tat starten die Polizeipräsidien umfangreiche Fahndungsmaßnahmen, jagen die Täter mit vielen Einsatzkräften und Hubschraubern. Je nach Einsatzlage unterstützen Entschärfer und Sprengstoffermittler des BLKA bei der Tatortarbeit.

Sowohl die örtlichen Polizeipräsidien als auch das BLKA ermitteln dann unter der Sachleitung der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft. Anfang 2019 wurde beim BLKA zudem eine zentrale Ermittlungsstelle eingerichtet, die die Arbeit der örtlichen Polizeipräsidien unterstützt und auch eigene Ermittlungen durchführt.

Zentraler Ansprechpartner

Sie ist zentraler Ansprechpartner für die sachbearbeitenden Dienststellen der Bayerischen Polizei, anderer betroffener Bundesländer, für das Bundeskriminalamt und Europol sowie für Sicherheitsbehörden im benachbarten Ausland, insbesondere mit den niederländischen Ermittlungsdienststellen.

„Wir lassen im Kampf gegen Geldautomatensprenger nicht locker“, betont BLKA-Präsident Harald Pickert. „Unsere Ermittlerinnen und Ermittler heften sich an die Fersen der Täter, um diesen zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Europa das Handwerk zu legen“, so Pickert.

Trotz alledem wird die Polizei weiter mit dem Phänomen zu kämpfen haben, bis wirksame Präventionsmaßnahmen die Täter von weiteren Taten abhalten werden. Hier seien in erster Linie die Banken in der Pflicht, so das BLKA.

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