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Almodóvars "Parallele Mütter": Der spanische Regie-Star wird politisch

Birgit Nüchterlein

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09.03.2022, 14:27 Uhr
Makellose Mütter: Milena Smit als Ana (links) und Penélope Cruz als Janis in "Parallele Mütter".

© El Deseo/Studiocanal 2021 Makellose Mütter: Milena Smit als Ana (links) und Penélope Cruz als Janis in "Parallele Mütter".

"Pedro Almodóvar, die Frauen und die Mütter" – wollte man ein Buch über Spaniens angesagtesten Filmemacher schreiben, könnte der Titel nur so und nicht anders lauten. Denn es sind zweifellos die weiblichen Figuren, die der Kino-Meister in seinen farbkräftigen Melodramen mit viel Liebe, Lust und Leidenschaft am liebsten ins Rampenlicht rückt. Und wie Woody Allen hat auch der Spanier unter den Schauspielerinnen seine Musen – die Branche nennt sie "Chicas Almodóvar".

Ana (Milena Smit, links) und Janis (Penélope Cruz) begegnen sich auf der Entbindungsstation. 

Ana (Milena Smit, links) und Janis (Penélope Cruz) begegnen sich auf der Entbindungsstation.  © El Deseo/Studiocanal 2021

Spätestens seit "Volver" inspiriert ihn vor allem Penélope Cruz. Auch in seinem neuesten Wurf "Parallele Mütter" (Madres paralelas) ist sie der strahlende Fixstern, um den sich alles dreht. Sie spielt Janis, eine erfolgreiche Fotografin um die vierzig, die ungeplant schwanger wird.

Männer am Rande

Almodóvars Muse Penélope Cruz ist der strahlende Fixstern in "Madres paralelas".

Almodóvars Muse Penélope Cruz ist der strahlende Fixstern in "Madres paralelas". © El Deseo/Studiocanal 2021

Männer sind wieder einmal Randfiguren. Beziehungsweise Mittel zum Zweck: Wie es zur Schwangerschaft kam, zeigt Almodóvar mal eben fix im witzigen Zeitraffer. Janis’ One-Night-Stand war der forensische Historiker Arturo (Israel Elejalde). Er wird später noch gebraucht – denn auch Spaniens unbewältigte franquistische Vergangenheit liegt Almodóvar diesmal am Herzen.

Doch erst einmal freut sich Janis auf ihr Kind. Sie bringt es allein zur Welt. Auf der Entbindungsstation lernt sie die 17-jährige Ana (Milena Smit) kennen, die ihre Tochter ebenfalls als Single großziehen wird. Wer der Vater ist, weiß sie nicht, mehrere junge Männer hatten sie zum Sex gezwungen. In Janis findet sie eine Freundin und Unterstützerin.

Spielarten der Mutterschaft

Almodóvar, der auch das Drehbuch schrieb, untersucht in "Parallele Mütter " die Spielarten von Mutterschaft und weiblicher Solidarität. Als Kontrapunkt zur reifen Janis und der kindlichen Ana, die beide in ihrer neuen Rolle aufgehen, ist Anas egoistische Mutter angelegt. Sie stellt die eigene Karriere als Schauspielerin über die Verantwortung für ihre Tochter. Der Film zeigt diese Facetten ohne zu werten oder zu verurteilen. Jede der Frauen wird im Verlauf der Geschichte ihre guten und weniger guten Seiten offenbaren.

Und der Spanier erweist sich einmal mehr als Meister der Inszenierung. Design und Kulissen sind so exquisit, aufgeräumt und farbintensiv wie gewohnt – egal ob die Szene in Janis’ Appartement in Madrid, im Elternhaus auf dem Land, in der kleinen Bar am Platz oder in der Klinik spielt. Baby-Kram? Fehlanzeige. Dies hier ist Almodóvar-Ästhetik.

Makellose Cruz

Natürlich ist auch die wundervolle Penélope Cruz eine rundum makellose Mutter. Für die Star-Schauspielerin ist es die kraftvollste Almodóvar-Rolle seit "Volver". Auch sonst hat der stilsichere Film alles, was es für gute Kino-Unterhaltung braucht: Zwischen Humor und reifer Ernsthaftigkeit, ein bisschen Sarkasmus und intensiven Gefühlen sind wirkungsvolle Wendungen eingebaut, die den Spannungsbogen straff halten.

Suche nach den Gräbern der Vorfahren: Rossy de Palma, Israel Elejalde, Penélope Cruz und Milena Smit (von links) in einer Szene aus "Parallele Mütter".

Suche nach den Gräbern der Vorfahren: Rossy de Palma, Israel Elejalde, Penélope Cruz und Milena Smit (von links) in einer Szene aus "Parallele Mütter". © El Deseo/Studiocanal 2021

Kleine Extras sind das Salz in der Suppe. So spielt die unverwechselbare Rossy de Palma Janis’ großherzige Freundin, und auf Janis’ T-Shirt prangt unübersehbar das Motto "We Should All Be Feminists".

Wer ist Janis Joplin?

Irgendwann ist ein Song von Janis Joplin zu hören, nach der die Hauptfigur von ihrer Hippie-Mutter benannt wurde. "Wer ist Janis Joplin?", fragt die junge Ana allen Ernstes.
Damit verweist Almodóvar auf die zweite, explizit politische Ebene seines Films: Es geht ihm diesmal auch um den Stellenwert von Vergangenheit und Wahrheit, Familie und Herkunft. Entsprechend wird viel schnellgetestet – in Vor-Pandemie-Zeiten allerdings auf der Suche nach Verwandtschafts- statt nach Virusspuren. In diesem Zusammenhang steht auch Janis’ Suche nach dem Massengrab, in dem ihr von Francos Falangisten erschossener Urgroßvater verscharrt wurde.

Hier kommt der Historiker Arturo wieder ins Spiel. Und Almodóvar legt den Finger in die Wunde – Spaniens schwerfällige Aufarbeitung von Verbrechen der Franco-Zeit. (123 Min.)

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