Bruni zu neuem Album: "Nicolas und ich, wir sind wie Mond und Sonne"

5.10.2020, 13:14 Uhr

Komponiert am liebsten nachts an ihrer Musik - während ihr Mann, der französische Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, Filme über Geparden schaut: Carla Bruni. © ANNE-CHRISTINE POUJOULAT, NNZ

Carla, Sie haben die Corona-Quarantäne in Ihrem Haus in Südfrankreich verbracht. Sind Sie froh, wieder in Paris zu sein?

Carla Bruni: Ja. Es ist schön, wieder bei der Arbeit zu sein, und es ist sehr schön, dass die Schule wieder geöffnet hat. Ich bin ja durchaus gerne im Urlaub, aber die Auszeit im Sommer war wirklich sehr ausgedehnt. Wir waren fast drei Monate raus aus Paris. Aber das Gute ist: In der Zeit, in der wir praktisch weggesperrt waren, konnte ich sehr intensiv an meinem Album arbeiten. Ansonsten hatte ich ja nichts zu tun. Ich habe jeden Tag ein, zwei Stunden Sport gemacht, Gymnastik, Laufen und solche Sachen, aber die Tage wurden schon sehr lang.

Ist „Carla BrunI“ komplett während Ihres Lockdowns entstanden?

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Bruni: Teils, teils. Fünf Songs waren schon vorher fertig, neun weitere habe ich dann in der Abgeschiedenheit geschrieben. Wenn ich so zurückblicke, ist das Album wirklich in einer wundervollen Stimmung entstanden. Der Umstand des erzwungenen Festsitzens war ideal für meinen Job. Wenn ich mich aufs Schreiben konzentrieren will, dann muss ich ohnehin dabei alleine sein. Auch fiel ja so gut wie das komplette praktische Leben weg – keine Termine, keine Schule, kein gar nichts. Aber zugleich sorgt man sich natürlich angesichts der Pandemie. Und ich weiß auch, wie privilegiert unsere Situation ist.

„Carla Bruni“ ist Ihr erstes Album mit selbstgeschriebenen Songs seit sieben Jahren.

Bruni: Das ist wahr, und ich habe das Schreiben wirklich vermisst. Es ist mein Lieblingsteil der Arbeit an einem Album. Die Coverplatte „French Touch“ 2017 zu machen, war zwar toll, aber das soll eine einmalige Erfahrung bleiben.



Haben Sie Ihre Familie in diesen Monaten der kreativen Isolation noch einmal intensiver kennengelernt?

Bruni: Mein Mann und ich, wir sind sowieso die ganze Zeit sehr eng und sehr intim miteinander verbunden. Da war kein Unterschied zu sonst. Und um meine Kinder kümmere ich mich immer viel und so gut ich kann. Also ich brauchte jetzt nicht diesen Corona-Lockdown, um Aurélien und Giulia für mich zu entdecken. Aber mit wem ich echt sehr, sehr viel enger war als normalerweise, das waren meine Mutter und meine Schwester. Meine Mutter ist 90 und hey, ich dachte ständig, ich werde sie umbringen (lacht). Habe ich dann aber doch nicht gemacht, denn ich liebe sie.

Warum wollten Sie Ihre Mutter töten?

Bruni: Weil sie mich in den drei Monaten, in denen wir aufeinander hockten, behandelt hat als wäre ich vier. Und meine Schwester als wäre sie sieben. Mit der eigenen Familie war es wirklich die reine Freude, aber mit der Geburtsfamilie, also, wie soll ich sagen, wir mussten uns alle ein bisschen entspannen, zurücknehmen und geduldig sein.

So sind Mütter nun mal.

Carla Bruni trägt auch die Maske sehr elegant. © Jonathan Rebboah via www.imago-images.de, NNZ

Bruni: Ja, aber mit 50 lebst du normalerweise nicht mit denen zusammen (lacht).

Anstatt Ihre Schwester Valeria Bruni-Tedeschi zu killen, haben Sie zusammen das Lied „Voglio l’Amore“ eingesungen.

Bruni: Meine Schwester hat mich immer zur Musik ermutigt. Als ich noch jung war, sagte sie schon immer „Die Leute sollen deine Songs hören, sie sind toll“. Und bis heute zwinge ich sie, sich jeden neuen Song anzuhören, den ich geschrieben habe. Ihr Urteil ist mir wirklich wichtig.

Mussten Sie Ihre Schwester, eine Schauspielerin, überreden?

Bruni: Nö, gar nicht. Sie hatte Bock und hat dem Lied so eine kleine Extra-Verrücktheit gegeben. Außerdem ist dieser Song sehr besonders, weil ich zum ersten Mal auf Italienisch geschrieben habe und singe. Ich bin ja in Italien geboren und aufgewachsen, aber meine Großmutter war Französin, und ich hatte von Anfang an immer sehr die französische Sprache im Ohr.



Wie haben Mutter und Großmutter Sie geprägt?

Bruni: Ich war immer eine Träumerin, und sie haben mich träumen lassen. Meine Träume waren nicht konkret so im Sinne von „Ich werde Model“ oder „Ich werde Sängerin“. Sondern es sind eher so Tagträume gewesen. Ich war verspielt, neugierig und abenteuerlustig – und hing sehr, sehr gern mit dem Kopf in den Wolken.

Was für eine Geschichte erzählen Sie in „Le Petit Guepard“, also „Der kleine Gepard“?

Bruni: Oh, das ist ein lustiges Lied. Während der Corona-Zeit habe ich mit meinem Mann gerne auf dem Sofa gesessen und alte Filme angeschaut. Eines Abends guckten wir „Leoparden küsst man nicht“ mit Katharine Hepburn und Cary Grant. Sie liebt in dem Film einen Leoparden, der Baby heißt. Später ging ich dann hoch, um an meinen Songs zu schreiben, was ich am liebsten in der Nacht mache, kam aber später noch mal runter zu meinem Mann, der im Gegensatz zu mir tagsüber arbeitet. Ich wollte ihm ein Küsschen geben und sehe, wie er sich diese Tierfilmdokumentation anschaut über zwei Geparden-Geschwister, Männchen und Weibchen, die ein Paar sind, weil das bei Geparden eben so üblich ist.

Und dann schrieben Sie dieses Lied über Ihren Raubkatzenabend?

Bruni: Genau. In dem Song stelle ich mir vor, wie ein kleines Mädchen sich in diesen Geparden verliebt und ihn aus dem Zoo befreit und mit nach Hause bringt. Alle so „Das kannst du doch nicht machen, das ist ein Raubtier“, und sie verspricht, dass sie ihn zähmt, was natürlich nicht klappt, denn eine Wildkatze ist eine Wildkatze. Ich mag diese Geschichte so gern. Sie ist ein bisschen kokett, ein bisschen frech.

Welches Tier steckt in Ihnen?

Bruni: Entweder eine Katze. Oder so jemand wie Bambi. Ein Reh.



Handelt „Un Grand Amour“ von Ihrem Mann und Ihnen?

Bruni: Ja, voll. Und noch weitergefasst spricht der Song über Menschen, die sich treffen, und verlieben. Am Anfang weiß niemand, ob es eine Liebe wird, die aus heißem Verlangen besteht, oder ob sie nur zwei Tage hält, obwohl du glaubtest, sie hält ein Leben lang. Oder ob die eine, die Riesenliebe wird. Ich persönlich würde mich für jede Liebe entscheiden, selbst für eine klitzekleine Liebe.

Als Nicolas und Sie sich verliebten, wusste wohl auch niemand, wie es laufen wird, oder?

Bruni: Doch! Ich wusste es! Wir erlebten diese süße Erfahrung der Liebe auf den ersten Blick. Womit ich nicht gerechnet hätte, das ist der dauerhafte, beständige Teil unserer Liebe. Ich hätte es mir anfangs selbst nicht zugetraut, so eine wunderschöne Liebe leben zu können.

Jetzt sind Sie beiden seit zwölf Jahren verheiratet.

Bruni: Fast schon seit dreizehn. Ich bin so unglaublich überrascht darüber. Es ist ein großes Glück, ein Segen.

Was macht Ihre Liebe aus?

Carla Bruni nutzte den Lockdown, um neue Songs zu schreiben. © Serge Arnal / Starface via www.imago-images.de, NNZ

Bruni: Eine gute Beziehung lebt auch von Gegensätzen. Ich bin ganz schön melancholisch. Zwar auf lebenslustige Art, aber trotzdem. Mein Mann dagegen ist komplett unmelancholisch. Außerdem ist er ein Tagmensch, und ich bin ein Nachtmensch. Nicolas und ich, wir sind wie Mond und Sonne.

Wer ist dann jener „Le Garҁon Triste“, der traurige Mann, aus besagtem Lied?

Bruni: Oh, das ist Nicolas, absolut. Ich schrieb den Song schon vor drei Jahren und gab ihn einer Freundin von mir, der Sängerin Isabelle Boulay aus Quebec. Später merkte ich, dass er ja doch ziemlich privat ist und ich ihn gern selbst singen würde. Jetzt singt sie ihn auf ihrem, und ich singe ihn auf meinem Album, ist ja egal. Auf meiner letzten Tournee habe ich den Song immer am Ende des Konzerts gespielt.



Aber sagen Sie nicht, dass Ihr Mann gar nicht traurig sei?

Bruni: Er behauptet das. Er hat so viel Energie und Stärke. Man kann sich nicht vorstellen, dass er auch mal niedergeschlagen und traurig ist. Ist er aber. Wir Menschen sind widersprüchliche Wesen.

Steht er denn inzwischen zu seiner Melancholie?

Bruni: Nein, ich fürchte nicht. Aber er liebt den Song. Wenn er zum Konzert kommt, bringt er oft ein paar Freunde mit. Denen sagt er dann ganz stolz „Dieser Song ist für mich“.

Um welche Trennungen geht es in „Les Séparés“?

Bruni: Um die Verabschiedung von immer weiteren Teilen unseres Lebens. Vielleicht hat es was mit dem Alter zu tun, dass ich immer feinfühliger und sensibler werde und immer öfter über das nachdenken, was schon hinter mir liegt, die Kindheit, die Jugend oder all die Menschen, von denen ich mich für immer verabschieden musste.

Den Eindruck, dass Sie sich innerlich von Ihrer Jugend verabschiedet hätten, machen Sie nun gerade nicht.

Bruni: Oh, danke, das habe ich auch nicht. Die Leute denken, ich sei eine erwachsene Frau. In echt bin ich erst vierzehn Jahre alt, wenn überhaupt (lacht).

„La Chambre Vide“ (Das leere Zimmer) ist von einem Kind inspiriert, das sein Elternhaus verlässt. Was hat ihr 19-jähriger Sohn Aurélien über das Stück gesagt?

Carla Bruni letztes Jahr auf dem Roten Teppich von Cannes. © ALBERTO PIZZOLI, NNZ

Bruni: Ich habe den Jungen genötigt, sich das Lied mit mir anzuhören. Und er meinte „Hey, pass mal auf, du singst über mich, als wäre ich tot“. (kichert) Ich bin nicht traurig, dass er ausgezogen ist. Das gehört dazu. Die Zeit ist vergangen, und er ist kein Baby mehr, sondern ein junger Mann, der jetzt seine eigenen Wege geht. Der Song ist vielmehr eine Betrachtung darüber, wie schnell das Leben vorbeizieht. Durch deine Kinder merkst du das besonders deutlich.

Wie weit ist er weg?

Bruni: Nicht so weit. Er lebt in der Nähe von Reims, wo er studiert. Das ist ungefähr eine Stunde entfernt von Paris. Er lebt jetzt zum ersten Mal alleine, und das ist schon etwas gewöhnungsbedürftig.

Vor drei Jahren wollte er Paläontologe, also Fossilienforscher, werden. Ist der Berufswunsch noch aktuell?

Bruni: Ehrlich, keine Ahnung. Ich glaube, der Junge hat noch keine klare Vorstellung davon, was er tun will. Paläontologie mag er noch immer, aber er interessiert sich auch für Wirtschaft und neuerdings ganz besonders für Politik.

Auf Instagram macht er keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Boris Johnson. Er befürwortet den Brexit.

Habt ihr viele Diskussionen zuhause?

Bruni: Gott ja, ständig, vor allem auch mit meinem Mann zusammen. Keine Ahnung, was ihn da gerade reitet, neulich war er noch Kommunist (lacht).



Sie und Ihr Mann haben das Politische und das Private immer gut trennen können, oder?

Bruni: Ja. Liebe und Politik standen sich bei uns nie im Weg, wirklich gar nicht. Als mein Mann noch Präsident war, kamen öfters Leute auf mich zu, die so taten, als wollten sie mich trösten. So übertrieben fürsorglich, so „Oh, geht es Ihnen wirklich gut?“ Sehr merkwürdig war das. Die Menschen waren immer so gestresst in Bezug und Politik und auf Macht und all das. Mir selbst war das irgendwie ganz schön egal. Ich habe mich nie mit reinziehen lassen in diese politische Blase. Mir fiel es nie schwer, Abstand zu diesem Geschäft zu halten.

Soll ihre Tochter Giulia lieber Politikern oder lieber Künstlerin werden?

Bruni: Künstlerin! Da bin ich mir ganz sicher. Sie singt und tanzt den ganzen Tag, Für Politik brauchst du ein Händchen, ein echtes Talent. Ich habe meinen Mann immer dafür bewundert, mit wie viel Begeisterung er Politiker war. Das hat den wirklich interessiert.