New Wave

Düster-Pop aus dem Osten: Die Band Nürnberg aus Minsk kommt nach ... Nürnberg!

Stefan Gnad

"Leben"

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20.9.2023, 10:59 Uhr
Dunkelbunte Typen: Das Post-Punk-Duo Nürnberg aus Minsk/Belarus.

© Hanna Surta Dunkelbunte Typen: Das Post-Punk-Duo Nürnberg aus Minsk/Belarus.

Während der Pandemie waren wir auf eine Band mit dem Namen Nürnberg gestoßen - aus dem fernen Belarus (vormals Weißrussland). Und hatten uns von den Musikern erklären lassen, warum sie ausgerechnet diesen Namen für ihre Gruppe gewählt haben. Jetzt geht die Band Nürnberg auf Tournee - und kommt nach Nürnberg. Das Thema ist Post-Punk/New Wave/DüsterPop, Termin ist Donnerstag, 21. September 2023, ab 20.30 Uhr in der Kantine neben dem Künstlerhaus. Ein freudiger Anlass, erneut bei Jury und Aleh in Minsk durchzufunken.

Jury und Aleh, die große Pandemie hat Euren Tourneeplänen vor zwei Jahren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt klappt es endlich: Nürberg live in Nürnberg am Donnerstag, 21. September 2023.
Zunächst einmal möchten wir sagen, dass wir uns sehr freuen, nach drei harten und langen Jahren wieder mit euch zu sprechen. Danke für Euer Interesse! Es ist unglaublich, dass Nürnberg endlich in Nürnberg spielen wird! Darauf haben wir schon so lange gewartet, vielleicht seit den Anfängen unserer Band im Jahr 2016.

Anfang 2020 haben wir unsere geplante erste Europatournee wegen der Pandemie abgesagt, was für uns sehr enttäuschend war. Deshalb lautet unser oberster Grundsatz im Leben nun: Man sollte nichts erwarten! Denn je mehr Erwartungen man hat, desto mehr Enttäuschungen gibt es, wenn sich diese Erwartungen nicht erfüllen. 2020 haben wir unsere Tour auf eigene Faust geplant, jetzt arbeiten wir mit der deutschen Bookingagentur "Black Web Booking" zusammen. Das Konzert in unserer "zweiten Heimatstadt" wird für uns sehr aufregend und gleichzeitig sehr wichtig sein. Es ist wie eine Show in Minsk - nur mit warmen Gefühlen.

Ihr seid recht fleißig gewesen seit unserem letzten Gespräch. Es gibt jede Menge neue Musik von Euch …
Ja! Wir haben einen ganzen Schwung Demos, Akustikversionen, Remixe und so weiter veröffentlicht. Auf der anstehenden Europatour werdet ihr neue Songs unter anderem von unserer neuen EP „Ahida“ („Aversion“) hören. Außerdem haben wir Lieder von uns in speziellen Akustikversionen aufgenommen, die dann plötzlich ganz anders klingen - zarter und intimer, wenn wir das so sagen dürfen ...

Freuen sich auf ihr Gastspiel in ihrer "zweiten Heimatstadt": Jury und Aleh von der belarussischen Band Nürnberg.

Freuen sich auf ihr Gastspiel in ihrer "zweiten Heimatstadt": Jury und Aleh von der belarussischen Band Nürnberg. © Hanna Surta

Euer Sound ist (noch) tanzbarer geworden - kann das sein?
Wir machen, was uns gefällt - das ist die Grundlage unserer Kreativität. In erster Linie müssen wir ehrlich zu uns selbst sein. Die EP „Ahida“ ist ein großes Experiment für uns. Davor haben wir unsere Songs mit Synthesizern verziert, hier aber haben wir zum ersten Mal versucht, Lieder zu machen, die komplett auf Synthesizern basieren. Das wollten wir schon immer mal machen.

Letzten Sommer bekamen wir zufällig die Gelegenheit, mit Synthesizern aus den 80er Jahren wie Roland JU-06, Roland D-50, Sequential Prophet-5 und den Yamaha DX-21 zu arbeiten. Das hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir beschlossen, eine ganze EP komplett elektronisch aufzunehmen. Die Aufnahmen dauerten einen ganzen Sommer. So entfernten wir uns vom klassischen Post-Punk-Sound, entdeckten eine völlig neue Seite an uns und präsentieren nun einen völlig neuen Sound, den es vorher nicht gab. Fälschlicherweise kündigen uns jetzt manche Konzertveranstalter als SynthPop-Gruppe an. Aber nein, wir haben uns nicht in eine Boyband-Gruppe verwandelt! Grundlage für unsere Songs und Konzerte ist immer noch die Gitarre.

"Das einzige Ideal, das wir kennen,
ist die gleichnamige Band aus Berlin!"

Verwaschene Fotos in Schwarz Weiß, verwehte Ästhetik: Die Band Nürnberg inszeniert sich wie aus einem anderen Jahrzehnt. Fühlt Ihr Euch wie uralte Seelen, die in jungen Körpern gefangen sind?
Haha, nein. Wir fühlen unser Alter und sind froh, dass wir noch jung sind und unser bestes Leben leben können.

"Die digitale Gesellschaft korrumpiert uns": Das Post-Punk-Duo Nürnberg aus Minsk/Belarus.

"Die digitale Gesellschaft korrumpiert uns": Das Post-Punk-Duo Nürnberg aus Minsk/Belarus. © Hanna Surta

Die Antwort ist: Wir lieben einfach Filmfotografie, VHS-Kameras und analoge Aufnahmen - weil es die ehrlichste Art ist, unsere Gefühle künstlerisch zu vermitteln. Analoge Dinge helfen, den gegenwärtigen Moment zu betrachten und ihn so zu vermitteln, wie er ist. Daran halten wir uns auch, wenn wir Musik machen: Wenn etwas nicht perfekt gespielt wurde, dann lassen wir es trotzdem auf der Platte, denn wir sind weder Roboter noch Computer und können nicht 100 Prozent korrekt spielen. Wir haben nicht einmal eine musikalische Ausbildung - wir haben uns das Spielen von Gitarren und Synthesizern selbst beigebracht. Die digitale Gesellschaft hingegen korrumpiert und zwingt uns zum Ideal, aber dieses Ideal existiert gar nicht. Das einzige Ideal, das wir kennen, ist die gleichnamige Berliner Band aus der Neuen Deutschen Welle Anfang der 80er Jahren.

Habt Ihr Euch irgendetwas für Eueren Nürnberg-Besuch vorgenommen?
Leider kommen wir erst am Tag des Konzerts in Nürnberg an und müssen gleich am nächsten Morgen weiter, weil die nächste Show 500 Kilometer weiter im Westen stattfindet. Und von dort aus geht es direkt weiter nach Portugal. Wir würden die Stadt wirklich gerne in Gänze sehen, die alte Architektur, die Kirchen und die Burg. Höchstwahrscheinlich wird es diesmal aber nur zu einem kleinen Spaziergang durch die Innenstadt reichen. Wir hoffen, dass wir zumindest kurz Zeit dafür finden und uns außerdem irgendwo noch einen leckeren Happen traditionelles fränkisches Essen einwerfen können. Auf unserer nächsten Europatour im Frühjahr 2024, wo wir auch auf dem Wave Gotik Treffen in Leipzig auftreten werden, werden wir dann hoffentlich mehr Zeit haben, um unser geplantes Kulturprogramm in Nürnberg vollständig umzusetzen und diese schöne Stadt so richtig zu erkunden.


Jury (Gesang, Bass) und Aleh (Gitarre) leben und arbeiten in Minsk, der Hauptstadt von Belarus, dem größten Binnenstaat Europas, auch bekannt als Weißrussland. Die jungen Männer frönen dem düsterromantischen Pop-Entwurf: Wave und Post-Punk im Stil von Bands wie The Cure oder Indochine.

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