Mit Witz und böser Zunge: Kabarettistinnen erkämpfen sich ihre Plätze

8.3.2020, 20:22 Uhr
Mit Witz und böser Zunge: Kabarettistinnen erkämpfen sich ihre Plätze

© Foto: Michael Matejka

Im Nürnberger Loni-Übler-Haus steht heute Kabarett auf dem Programm. Angekündigt ist "ein melancholisch-komödiantischer Abend zwischen Herzschmerz und Veggie-Day" – und der Einsicht, "dass der Apfel vom Baum der Erkenntnis vielleicht auch nur ein faules Ei war. Tritt da jetzt ein Kabarettist auf oder eine Kabarettistin? Aus dem Werbetext erschließt sich das nicht. Herzschmerz, Veggie-Day und Erkenntnisse können Männer schließlich genauso haben wie Frauen. Schwer zu sagen also – es sei denn, man weiß, dass in dem Kulturladen am Wöhrder See zurzeit die alljährliche Frauenkabarett-Reihe läuft. Es kann sich also nur um eine Künstlerin handeln – genau gesagt um Birgit Süß.

Mann oder Frau – spielt das überhaupt noch eine Rolle? Sind "Frauen im Kabarett" angesichts von Profi-Spaßmacherinnen wie Luise Kinseher, Simone Solga, Lisa Catena und Hazel Brugger, Christine Prayon, Monika Gruber und Martina Schwarzmann noch ein Thema, über das man sprechen muss? Ist die Welt im deutschsprachigen Kabarett nicht längst in Ordnung und alles auf Augenhöhe?

Ulrike Mendlik vom renommierten Nürnberger Burgtheater, das auch den Deutschen Kabarettpreis verleiht, sieht das differenziert: "Mittlerweile ist es ein normaler Prozess, dass sich Frauen ihre Plätze erkämpfen. Dabei ist es ziemlich egal, ob es sich um Spitzenjobs oder eben Kabarett handelt. Das Genre ist ja ein Spiegel der Gesellschaft: Allmählich wird die Vorherrschaft der alten weißen Männer gebrochen, das mögen die nicht, aber es geschieht beharrlich", sagt sie und betont: "Ich sehe jedenfalls nicht, dass sich irgendwo im Kabarett noch eine Frau die Butter vom Brot nehmen lässt."

Selbstbewusstsein ist eine Grundvoraussetzung für den Auftritt, da sind die Bedingungen für alle gleich. "Egal ob Mann oder Frau – man muss bereit sein, aus der Komfortzone rauszugehen und oft Kritik einstecken. Mag sein, dass Männer das leichter an sich abtropfen lassen. Aber Kabarettistinnen können das inzwischen auch ganz gut", sagt die Fachfrau.

Trotzdem scheinen sie weniger auf. Auf der Burgtheater-Bühne etwa stehen bis Ende Mai gerade mal vier Frauen – und 22 Männer. Die bundesweiten Verhältnisse werden damit bei weitem nicht gespiegelt. Von hundert Kabarettisten seien etwa vierzig weiblich, schätzt Matthias Thiel vom Deutschen Kabarettarchiv in Mainz. Immerhin, denn in den 1990er Jahren habe das Verhältnis noch bei rund 30 zu 70 gelegen.

Dessen ungeachtet engagieren Veranstalter abseits der Genre-Bühnen nach Thiels Erfahrung heute immer noch eher Männer als Frauen. "In der ersten Liga mit Solga oder Fitz ist das noch ziemlich ausgewogen, aber in der zweiten fällt es Männern leichter, Jobs zu bekommen", sagt er. Ausnahme: "Am 8. März könnten Kabarettistinnen natürlich überall auftreten."

Bei privaten Veranstaltungen spüre man sogar einen Unterschied bei der Gage. Warum haben es Frauen schwerer? "Sie sind weniger kompromissbereit, machen ihr Ding; Männer sind in Sachen Programm anpassungsfähiger, an das, was gewünscht wird", vermutet Matthias Thiel.

Nicht nur auf Live-Bühnen, sondern auch im ohnehin männerdominierten TV kann man einschlägige Verhältnismäßigkeiten beobachten. Kabarett-Sendungen werden in der Regel von Männern moderiert. Ausnahmen sind Comedy-Künstlerinnen wie Carolin Kebekus, Anke Engelke oder Ilka Bessin alias "Cindy aus Marzahn", die eigene Shows haben oder hatten. Und natürlich "Ladies Night" im Ersten, die einzige deutschsprachige Kabarett-Fernsehsendung mit rein weiblicher Besetzung. Dennoch: Bei Recherchen für ihren Blog thea zählte die Journalistin Birte Vogel 2018 gerade mal durchschnittlich 16 Prozent Frauenanteil in einschlägigen Fernseh-Formaten.

Als Gäste sind Kabarettistinnen freilich willkommen, oft wirkt das aber wie ein Schielen nach der Quote. Davon hält Lizzy Aumeier nicht viel. "Ich empfinde die Situation im Kabarett genauso wie sie in ganz Deutschland ist", sagt die Kabarettistin. "Die Idee von einer Frauenquote hielt ich immer für total daneben. Wie fühlt man sich denn, wenn man als Quote daherkommt?", fragt sie. Die Oberpfälzerin vermutet zudem, dass politische Aussagen, die eine Kabarettistin macht, eine stärkere Wirkung hätten, wenn sie von einem gutaussehenden Mann im Anzug ausgesprochen würden. Ein Schelm, wer jetzt an Max Uthoff denkt. . .

"Ich warte auf den Wendepunkt, an dem Frauen mit Ecken und Kanten und Übergewicht grundsätzlich genauso ernst genommen werden wie schlanke Männer in schicken Anzügen. Eine wie Barbara Schöneberger habe das schon geschafft. "Die scheißt sich um nichts", sagt die 56-jährige Kabarett-Königin der Region deutlich, "und das ist es glaub ich, was wir Frauen lernen müssen – dass wir uns um nichts scheißen!"

Auch wenn Aumeier kürzlich ein geglücktes Gastspiel in der 31. Frauenkabarett-Reihe des Loni-Übler-Hauses hatte, sieht sie das Format eher skeptisch. "Das klingt so nach Exoten-Treffen, find’ ich schade", sagt sie. Stimmt – eine Männerkabarett-Reihe findet man wohl nicht in der Republik.

"Auch viele andere Kabarettistinnen sind nicht ganz glücklich mit diesem Anachronismus", weiß Loni-Chefin Monika Abel. Aber es sei eben eine – übrigens auch von Männern gern besuchte – eingeführte Marke. Man müsse das von den Anfängen her sehen: Im Kielwasser der Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre hatten Pionierinnen wie Lisa Fitz oder das Duo Missfits (alias Stephanie Überall und Gerburg Jahnke) die Bühnen erobert. Und 1989 entstand im Loni-Übler-Haus aus der Frauenkulturarbeit heraus die Frauenkabarett-Reihe.

"Damals hieß es noch, ,Frauen sind nicht lustig’", erzählt Monika Abel. In ihren Programmen ging es oft um Kinder, Männer und Beziehung, gerne auch offen um Orangenhaut, Menstruationsbeschwerden und andere Befindlichkeiten. Manche Zuschauer wollten das so genau nicht wissen. "Aber auch das war – und ist – nur ein Spiegel der Alltags-Realität, warum also nicht?", fragt Abel. Männer würden ja auch mit Klischees spielen.

"Es kommt immer darauf an, wie es erzählt wird, eben auf die Qualität des Auftritts", findet sie. Und überhaupt: Inzwischen machen die Spaß-und-Satire-Spezialistinnen längst auch die Politik zu ihrem Thema. Und das Kabarettistinnen-Projekt "Sisters of Comedy", das im November in dem Kulturladen Station macht, will endgültig mit dem Vorurteil aufräumen, dass Weibsbilder nicht lustig sein können.

Lustig sein ist das eine, Zeit dafür haben, das andere. "Eine Schwierigkeit, auf die Frauen in Spitzenjobs wie auch im Kabarett stoßen: Dieser Beruf ist nicht familienfreundlich", gibt Ulrike Mendlik zu bedenken. Wenn man ihn als Frau ergreife, werde man irgendwo Abstriche machen müssen, entweder in der Familie oder beim Job.

"Solange wir eine Gesellschaft haben, die davon ausgeht, dass im Zweifelsfall die Frau zurücksteckt, solange werden wir das Problem der Minderzahl in allen Berufen haben", meint Mendlik. So allumfassend sieht auch Lizzy Aumeier die Sache: Frauen gäben oft ihren Beruf auf, um Kinder zu erziehen. Das sei harte Arbeit und der Wiedereinstieg schwer. "Insgesamt fehlt es einfach an Applaus für Frauen!", betont die Kabarettistin.

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