Tipps vom Gartenfachmann

Nicht heimisch? Darum haben Thuja, Kirschlorbeer und Co. trotzdem ihren Wert

6.10.2021, 15:42 Uhr
Mit etwas künstlerischem Eifer und einer Heckenschere wird die Thuja zum Stier. Viele Menschen können ihre monotone Art kaum mehr ertragen. Muss sie deshalb weg?

© Rolf Haid/dpa, NNZ Mit etwas künstlerischem Eifer und einer Heckenschere wird die Thuja zum Stier. Viele Menschen können ihre monotone Art kaum mehr ertragen. Muss sie deshalb weg?

Herr Schneller, Sie können anders als mancher Umweltschützer gut mit Thuja, Kirschlorbeer und Co. leben. Gleichzeitig ist Ihre Baumschule eine Art Biotop. Wie passt das zusammen?

Frank Schneller: Ich war schon immer einer, der gerne Neues ausprobiert hat. Deswegen gibt es bei mir viele neue Sorten, von der Linde mit gezackten Blättern über die Tränenkiefer bis hin zur Trauerkirsche oder Arizona-Zypresse. Das heißt aber nicht, dass diese alle überzüchtet sind. Manche sind wie die Korkenzieherhasel einfach aus einer Laune der Natur entstanden.

Naturschützern gefallen diese Gehölze eher nicht. Gibt es irgendwelche Pflanzen, die Sie weniger mögen?

Schneller: Ja, die Forsythie zum Beispiel. Die blüht im Frühjahr als erste, aber nutzt der Biene nichts, weil sie eine selbststerile Blüte hat. Oder die Dahlie, wunderschön, aber die hat oft gefüllte Blüten. Genauso die Zierkirsche, die ist extra so gezüchtet worden und damit nichts mehr wert. Ein typisches Beispiel ist auch der Rotdorn. Durch seine gefüllte Blüte hat die Biene keine Chance, Nahrung zu finden. Aber lässt man mal die Biene außen vor, gibt es viele Tiere, vom Schädling bis zur Schnecke, die diesen Baum brauchen.

Also gibt es für Sie keine verpönten Pflanzen?

Schneller: Man sollte nie sagen, dieser oder jener Busch taugt nichts. Der Kirschlorbeer zum Beispiel, der unter Umweltschützern verpönt ist, hat einen Schädling, den Dickmaulrüssler, den man fast nicht bekämpfen kann, weil er nachtaktiv ist. Ich sage, der Dickmaulrüssler ist ein Tier und der hat auch seinen Nutzen. Es gibt also keine guten oder schlechten Pflanzen.

Sie sind auch nicht generell gegen die Thuja?

Schneller: Eine Thuja ist nicht per se schlecht. Jede Pflanze hat einen Sinn. Ich bin vielleicht gegen Thujahecken auf dem Land, aber nicht in der Stadt. Da fehlt den Leuten oft der Platz für etwas anderes. Mit einer heimischen Schlehe haben sie da zumindest auf Dauer keinen Spaß (lacht).

Aber welchen Nutzen hat eine Thuja für Tiere?

Schneller: Lieber pflanze ich als Sichtschutz eine Thujahecke, als einen Gabionenzaun zu bauen. Eine Thuja bietet immerhin Platz für Vögel zum Brüten.

Warum glauben Sie, ist dann der Kirschlorbeer oder die Thuja derzeit bei vielen Menschen so unbeliebt?

Schneller: Ich vermute, dass die Menschen sich einfach an den Nadelbäumen aus ihrer Kindheit satt gesehen haben, als jeder Depp, salopp gesagt, eine Thuja hatte. Und nun ist der Kirschlorbeer an der Reihe. Diese Eintönigkeit geht einem natürlich irgendwann auf den Keks. Ich plädiere allerdings dafür, nicht gleich alles zu entfernen.

Viele Hausbesitzer meinen dennoch, die Jahrzehnte alte Hecke müsse jetzt raus.

Schneller: Ich habe immer wieder Kunden, die wollen plötzlich ihren Bambus rausreißen oder den Rhododendron, weil sie nicht heimisch sind oder ihre Eibe, weil sie giftig ist. Aber ich kann das nicht, solang sie super wachsen. Im Bambus suchen Kaninchen Schutz. Die Beeren der Eibe essen Amseln. In meiner Baumschule wächst auch vieles, was vielleicht nicht unter die reine Naturschutz-Lehre fällt, aber das nehme ich nicht so tragisch. Ich schnippele deshalb nicht ständig an allem herum, sondern lasse die Natur machen. Ich hänge auch bewusst keine Nistkästen auf oder füttere Vögel. Was kommt, das kommt – das ist für mich Naturschutz.

Was unterscheidet Sie als Gärtner von einem Umweltschützer? Wollen Sie nicht beide dasselbe?
Schneller: Ich bin im Grunde ein Umweltschützer. Ich finde das Sterile langweilig und monoton. Perfektionismus macht mir keinen Spaß. Viele Menschen jammern ja bereits, wenn vom Lorbeer die Beeren herunterfallen und das Pflaster dreckig wird. Sprich: Die wollen einen nicht-blühenden Busch. So bin ich nicht. Ich bin nur gegen diese Polarisierung, gegen radikale Aussagen wie „Die Thuja ist eine Sünde“. Und ich bin dafür, dass Gärtner und Umweltschützer mehr miteinander reden.

Was verstehen Sie unter übertriebenem Umweltschutz?

Schneller: Ich nenne mal ein praktisches Beispiel: Manche Bürger wünschen sich eine Wildwiese und eine naturnahe Hecke, weil das gerade angesagt ist. Bei der naturnahen Hecke gibt es aber ein Problem: Sie braucht sehr viel Platz. Und in einem kleinen Garten stößt da der Hausbesitzer sprichwörtlich schnell an Grenzen. Eine solche Hecke ist dagegen ideal in der Flur draußen.

Was spricht gegen eine Wildwiese? So viele Hobbygärtner versuchen sich daran.

Schneller: Nur leider meist erfolglos. Wenn jemand eine Wildwiese anlegen will, dann muss er von seinem Grundstück zunächst mindestens 20 Zentimeter Erde abtragen. Eine Wildwiese braucht einen nährstoffarmen, sprich: sauschlechten, Boden, keine reichhaltige Gartenerde. Im Normalfall aber säen Hobbygärtner eine Wiese an und sind stolz, dass im ersten Jahr Blumen darauf blühen. Im zweiten Jahr ist jedoch mindestens Zweidrittel von der Pracht weg. Weil Gras die Wildblumen verdrängt.

Frank Schneller steht inmitten seiner Baumschule in Birkenhof. Das riesige, Schatten spendende Dach über seiner Gärtnerei ermöglicht es ihm, dass er seine Pflanzen nur ab und zu mit Regenwasser gießen muss. 

Frank Schneller steht inmitten seiner Baumschule in Birkenhof. Das riesige, Schatten spendende Dach über seiner Gärtnerei ermöglicht es ihm, dass er seine Pflanzen nur ab und zu mit Regenwasser gießen muss.  © Johanna Husarek, NNZ

Wenn nun Kunden zu Ihnen kommen und Sie um einen naturnahen Garten bitten, was antworten Sie?

Schneller: Die Leute meinen immer, ein naturnaher Garten bedeutet: Ich säe was oder pflanze alles durcheinander und mach dann nichts mehr. Das geht aber nicht. In einem Neubaugebiet etwa ist oft so ein nährstoffreicher Boden, weil es zuvor meist eine Ackerfläche war, da wächst alles viel zu schnell. Ein echter naturnaher Garten dauert hingegen Jahre, der entsteht nur mit langem Atem. Man muss die Natur gewähren lassen, nicht verwildern.

Aber wenn ich mich bei Ihnen umschaue, dann sind Sie doch ein geborener Umweltschützer . . .

Schneller: Einen Preis habe ich mit meiner Arbeit noch nie gewonnen (lacht). Für mich ist das hier normal nachhaltig. Ich habe zum Beispiel keinen gepflasterten Boden, sondern feste Erde als Untergrund. Im Herbst bekomme ich von allen Nachbargemeinden das Laub geliefert, um meine Gehölze damit abzudecken und zu düngen. Ich gieße nur mit Regenwasser. Meine Werkshalle ist eine alte Zimmerei aus Neuendettelsau, die ich hier wieder aufgebaut habe. Ich hänge das alles bloß nicht an die große Glocke, weil es für mich selbstverständlich ist.

Frank Schneller ist Zierpflanzengärtner und Besitzer einer Baumschule in Birkenhof bei Neuendettelsau. Der 51-Jährige verbindet Naturschutz und sein Faible für exotische Pflanzen auf ganz eigene Art.