"Elias"-Interpretation

Philharmonischer Chor Nürnberg: Wieder in bester Form

17.10.2022, 18:55 Uhr
Der philharmonische Chor Nürnberg bei einer Aufführung in der Meistersingerhalle.

© Rainer Ostermeyer Der philharmonische Chor Nürnberg bei einer Aufführung in der Meistersingerhalle.

Auch der Philharmonische Chor Nürnberg lässt das in seiner "Elias"-Interpretation spüren. Es ist gerade dieses Stück, diese alttestamentarische Prophetengeschiche von der Auseinandersetzung zwischen dem Gott Israels und dem heidnischen Baalskult, die seit der Uraufführung 1846 in Birmingham Sänger und Publikum gleichermaßen packt: die Meistersingerhalle war am Rande des "Ausverkauft", vor dem mit Aushilfen vom Lehrergesangverein aufgefüllten Philharmonischen Chor standen gewaltige gestalterische Aufgaben zwischen lyrischer Innigkeit und dramatischer Auseinandersetzung, zwischen Gottes- und Götzendienst. Der Chor hatte in seinem Programmheft noch einmal sein breit gestreutes Vor-Corona-Repertoire aufgefächert, jetzt war die Frage, auf welchem Niveau singt er nach der Zwangspause, unterstützt durch die Nürnberger Symphoniker, alle unter der Leitung von Gordian Teupke.

Es war es allein schon das "Hilf Herr" des Beginns, dessen gewaltige Wirkung dramatisch dicht zum intensiven Ruf in einer Situation existenzieller Not wurde. Dem Chor fällt die Aufgabe des Erzähler-Parts (ohne einen Evangelisten wie bei Bach) zu, er ist zugleich Akteur in den Situationen von sich steigernder Dramatik und Drastik – auch durch die aus dem Chor heraus besetzten Gruppierungen.

Alttestamentarischer Kulturkampf

In dem Rollenwechsel zwischen Elias-Anhängern und ihren Baals-Gegnern gelingt den etwa neunzig Sänger und Sängerinnen eine Art alttestamentarischer Kulturkampf, und das in schönstem Belcanto: standfest und mit erheblichem Steigerungspotential, animiert durch den heftigen Körpereinsatz des Dirigenten. Man spürt und hört, dass der Chor nach schwieriger Zeit sein Herzblut in diese Aufführung investiert hat. Perfektion auch bei den Symphonikern, aus deren Reihen etwa das wunderbare Oboensolo ("Ja, es sollen wohl Berge") nachdrücklich in Erinnerung bleibt.

Dem Solistenquartett ist es in dieser Mischung aus Fanatik und Frömmigkeit gelungen, die liebliche Melodik des jungen Mendelssohn bei allem Wohlklang Jahre später in visionär Weihevolles zu kleiden: mit Betsy Horne (Sopran) und der sich kraftvoll steigernden, kurzfristig eingesprungenen Kerstin Rosenfeldt vom Rundfunkchor. Auch mit Martin Platz und seinen scharfkantig zugeschnittenen, fulminanten und in der Rolle des Königs gleißenden Tenorhöhen.

Den Elias kann man derzeit weltweit wohl kaum besser als von Jochen Kupfer hören: mit starkem Prophetengestus, zornig und finster, besonders aber in der ergreifenden Resignation des "Es ist genug" – dieser Elias ist wie ein persönliches (auch politisches) Bekenntnis, schließlich Ausdruck von Müdigkeit und Abschied. Demgegenüber dann der Begeisterungssturm des Publikums, das sich an Mendelssohn ein Beispiel nahm: "Windsbraut, Sturmflut und Feuer".


Info: Mendelssohns "Paulus" mit dem Hans-Sachs-Chor, 27. November 2022, Meistersingerhalle, Nürnberg, Großer Saal. Tickets gibt es hier.

Verwandte Themen


Keine Kommentare