Sein Leben ist Weltgeschichte: Benjamin Ferenc prägte die Nürnberger Prozesse

9.11.2020, 14:09 Uhr
Ben Ferencz, der letzte noch lebende Chefankläger, 2010 bei der Eröffnung des Memorium Nürnberger Prozesse. Zu seinem 100. Geburtstag erscheint ein Buch über sein bewegtes Leben und seinen unermüdlichen Kampf für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt.

© Armin Weigel, NN Ben Ferencz, der letzte noch lebende Chefankläger, 2010 bei der Eröffnung des Memorium Nürnberger Prozesse. Zu seinem 100. Geburtstag erscheint ein Buch über sein bewegtes Leben und seinen unermüdlichen Kampf für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt.

Benjamin Ferencz hat drei wichtige Ratschläge, die er jungen Leuten gerne mit auf den Weg gebe: "Nummer eins: Niemals aufgeben! Nummer zwei: Niemals aufgeben! Und Nummer drei: Niemals aufgeben!" An diesem Montag erscheint nun seine Autobiografie auf Deutsch. "Sag immer Deine Wahrheit" heißt das Buch.

Sein Leben ist ein leuchtendes Beispiel dafür, was ein Einzelner durch Zähigkeit und Mut zur Weltgeschichte beitragen kann. Und zwar gegen alles Widerstände. Ferencz war noch nicht einmal 30 Jahre alt, als er Nazi-Kriegsverbrechern in Nürnberg den Prozess machte.

Er war Chefankläger in einem der zwölf sogenannten Nachfolgeprozesse, die von 1946 bis 1949 auf das Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher wie Hermann Göring und Rudolf Heß folgten. 24 führende SS-Leute klagte er unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an.

Horrorgeschichten, aber wahr

Mit 100 Jahren ist er heute der letzte noch lebende Zeitzeuge der Prozesse.Vor den Prozessen war der nur 1,50 Meter große, entschlossene Mann als US-Soldat bei der Befreiung mehrerer Konzentrationslager dabei, deckte grauenhafte Nazi-Verbrechen auf."Es gab bei den Nazis Anweisungen, bei einer Mutter, die ein Baby hält, durch das Baby zu schießen, weil man so beide auf einmal umbringen kann.

Das sind Horrorgeschichten, aber sie sind wahr und wir müssen uns mit ihnen beschäftigen, damit sie nicht noch mal passieren", erklärte Ferencz im Interview. Er habe das Gefühl, für die Opfer zu sprechen.
Vor allem für ein deutsches Publikum sei wichtig, was er zu sagen habe, betont Ferencz: "Ich habe erlebt, dass aus eigentlich anständigen Menschen Massenmörder werden können. Krieg kann das machen. Krieg zerstört jede Form von Moral und wurde trotzdem jahrhundertelang glorifiziert.

Er habe sein Leben damit verbracht, diese Ansicht umzudrehen und dafür zu sorgen, dass das, was immer glorifiziert wurde, als das schreckliche Verbrechen gesehen wird, das es sei. Den Internationalen Strafgerichtshof von Den Haag, für dessen Errichtung Ferencz jahrelang gekämpft hat und den er sein "Baby" nennt, sieht er in der direkten Nachfolge der Kriegsverbrecherprozesse.

Dass der bisherige US-Präsident Donald Trump in diesem Jahr Sanktionen gegen das Gericht ankündigte, entsetzt Ferencz: "Der amerikanische Präsident sagt, er wolle den Gerichtshof zerstören. Das hat er zwar nicht wörtlich gesagt, aber er hat Sanktionen angekündigt gegen den Gerichtshof, seine Mitglieder, den Vorsitzende, den Chefankläger und die Mitarbeiter."
Dabei sei ein Gericht die einzige Möglichkeit, Krieg dauerhaft zu verhindern: "Wenn es kein Gericht gibt, um einen Disput beizulegen, dann bleibt nichts als Gewalt."

Nürnbergs heutiger Weg? "Erfüllt mich"

Nürnberg sei für ihn ein Symbol, sagte er einmal. Hier sei den schlimmsten Massenmördern der Geschichte der Menschheit der Prozess gemacht worden, nun engagiere sich die Stadt für Menschenrechte. "Das erfüllt mich mit großer Befriedigung." Zur Eröffnung des Memoriums Nürnberger Prozesse hielt der Sohn eines jüdischen Schuhmachers, der in Somcuta (damals Königreich Ungarn) geboren wurde, 2010 denn auch eine viel beachtete Rede.

Nur zwei Jahre später setzte die 2017 verstorbene Nürnberger Filmemacherin Ullabrit Horn dem rührigen Amerikaner mit ihrem Doku-Film "A Man Can Make A Difference" (Ein Einzelner kann den Unterschied ausmachen) ein Denkmal.

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