Das sollten Sie lesen

Was El Hotzo alles kann: Unsere Buchtipps für den Mai 2023

31.5.2023, 05:30 Uhr
Ein Buch über das Schreiben? Ja, auch. Aber mehr noch über das Leben von Judith Herrmann ("Sommerhaus, später") die hier zum ersten Mal und sehr offen Einblicke in ihrer eigene Biografie erlaubt. Der depressive Vater daheim, heulend über seiner Doktorarbeit. Die überforderte Mutter, eine Floristin, ständig abwesend, die alte abergläubische Oma... von der vollgestopften Wohnung in Neukölln ganz zu schweigen. Eigentlich als Poetikvorlesung entstanden, ist "Wir hätten uns alles gesagt" eine eigene wunderbare Erzählung, die klug zwischen Realität und Fiktion vermittelt. "Ich schreibe am Leben entlang", sagt Herrmann. Und weiß doch, wie wichtig Leerstellen, ungelöste Geheimnisse in der Kunst sind.  (S. Fischer, 23 Euro) Wolf Ebersberger
1 / 12

Ein Buch über das Schreiben? Ja, auch. Aber mehr noch über das Leben von Judith Herrmann ("Sommerhaus, später") die hier zum ersten Mal und sehr offen Einblicke in ihrer eigene Biografie erlaubt. Der depressive Vater daheim, heulend über seiner Doktorarbeit. Die überforderte Mutter, eine Floristin, ständig abwesend, die alte abergläubische Oma... von der vollgestopften Wohnung in Neukölln ganz zu schweigen. Eigentlich als Poetikvorlesung entstanden, ist "Wir hätten uns alles gesagt" eine eigene wunderbare Erzählung, die klug zwischen Realität und Fiktion vermittelt. "Ich schreibe am Leben entlang", sagt Herrmann. Und weiß doch, wie wichtig Leerstellen, ungelöste Geheimnisse in der Kunst sind.  (S. Fischer, 23 Euro) Wolf Ebersberger © S. Fischer/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

"Mindset" heißt der Debütroman von Sebastian Hotz - und es gelingt dem in der Fränkischen Schweiz aufgewachsenen Autor, der als El Hotzo zum Internet-Phänomen wurde, seinen spritzigen Twitter-Humor auch in Buchlänge zu entfalten, zumindest auf weiten Strecken. Sein Maximilian Krach ist eine Internet-Kreatur, ein großer Blender, ein nur vermeintlicher Alpha-Mann, an dem Hotz die Nöte des IT-Menschen mit Kollegen, Spammails, Dating-Apps und True-Crime-Podcasts aufzeigt. Dass es hier in Wirklichkeit um arme Würstchen geht, ist als Pointe nicht überraschend, aber befriedigend. Hotz kann auch etwas, an dem selbst die Größten seines Fachs scheitern: intelligente Satire, die nicht verletzend ist. (KiWi, 23 Euro) Thomas Correll
2 / 12

"Mindset" heißt der Debütroman von Sebastian Hotz - und es gelingt dem in der Fränkischen Schweiz aufgewachsenen Autor, der als El Hotzo zum Internet-Phänomen wurde, seinen spritzigen Twitter-Humor auch in Buchlänge zu entfalten, zumindest auf weiten Strecken. Sein Maximilian Krach ist eine Internet-Kreatur, ein großer Blender, ein nur vermeintlicher Alpha-Mann, an dem Hotz die Nöte des IT-Menschen mit Kollegen, Spammails, Dating-Apps und True-Crime-Podcasts aufzeigt. Dass es hier in Wirklichkeit um arme Würstchen geht, ist als Pointe nicht überraschend, aber befriedigend. Hotz kann auch etwas, an dem selbst die Größten seines Fachs scheitern: intelligente Satire, die nicht verletzend ist. (KiWi, 23 Euro) Thomas Correll © Kiepenheuer & Witsch/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Ein versierter Erzähler wie der Österreicher Robert Seethaler ("Der Trafikant") schafft auch dieses Kunststück: einen Roman ohne erkennbare Handlung hinzaubern, den man gerne liest, auch wenn darin so gut wie gar nichts passiert und (vielleicht sogar ganz bewusst) auf einen Plot verzichtet wird. In der Wiener Leopoldstadt befindet sich "Das Café ohne Namen" (Claassen, 24 Euro), das der Gelegenheitsarbeiter Robert in den 60er Jahren eröffnet und wo sich fortan allerlei eigenwillige und ganz normale Gestalten treffen, um zu trinken und zu ratschen. Bisschen Liebe, bisschen soziales Chaos, langes Sehnen und kurzes Glück, viel Vergangenheit und kaum Zukunft: Wie im richtigen Leben geht es zu und das reicht Seethaler, um sprachlich charmant und höchst unterhaltsam erzählerisch auf der Stelle zu treten. A leiwande G\'schicht.    Bernd Noack
3 / 12

Ein versierter Erzähler wie der Österreicher Robert Seethaler ("Der Trafikant") schafft auch dieses Kunststück: einen Roman ohne erkennbare Handlung hinzaubern, den man gerne liest, auch wenn darin so gut wie gar nichts passiert und (vielleicht sogar ganz bewusst) auf einen Plot verzichtet wird. In der Wiener Leopoldstadt befindet sich "Das Café ohne Namen" (Claassen, 24 Euro), das der Gelegenheitsarbeiter Robert in den 60er Jahren eröffnet und wo sich fortan allerlei eigenwillige und ganz normale Gestalten treffen, um zu trinken und zu ratschen. Bisschen Liebe, bisschen soziales Chaos, langes Sehnen und kurzes Glück, viel Vergangenheit und kaum Zukunft: Wie im richtigen Leben geht es zu und das reicht Seethaler, um sprachlich charmant und höchst unterhaltsam erzählerisch auf der Stelle zu treten. A leiwande G'schicht.   Bernd Noack © Claassen/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Schon Schicksal: Den Nobelpreis für Literatur hat der große US-Autor Philip Roth (1933-2018) leider nie bekommen. Und nun nicht mal einen noblen Biografen. Weil gegen Blake Bailey Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe laut wurden, hatte sein amerikanischer Verlag die Auslieferung seines gewichtigen Buchs "Philip Roth" sogar schon gestoppt. Das hat das Werk nicht verdient. Bailey schildert minutiös, stilvoll und für jeden Roth-Fan unentbehrlich den Werdegang des manischen Schreibers aus Newark und seiner wüsten Männerfiguren mit all ihren Obsessionen. (Hanser, 58 Euro) Wolf Ebersberger
4 / 12

Schon Schicksal: Den Nobelpreis für Literatur hat der große US-Autor Philip Roth (1933-2018) leider nie bekommen. Und nun nicht mal einen noblen Biografen. Weil gegen Blake Bailey Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe laut wurden, hatte sein amerikanischer Verlag die Auslieferung seines gewichtigen Buchs "Philip Roth" sogar schon gestoppt. Das hat das Werk nicht verdient. Bailey schildert minutiös, stilvoll und für jeden Roth-Fan unentbehrlich den Werdegang des manischen Schreibers aus Newark und seiner wüsten Männerfiguren mit all ihren Obsessionen. (Hanser, 58 Euro) Wolf Ebersberger © Hanser/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Buchstäblich zwischen allen Fronten hat Andrzej Stasiuk seinen neuen Roman "Grenzfahrt" angesiedelt. Im Mai 1940/41 liegt die polnische Flusslandschaft zwischen Nazi-Deutschland und Roter Armee. Ein jüdisches Pärchen sucht Erbarmen, ein Fährmann riskiert sein Leben im nächtlichen Wasser, das Leichen wie letzte Hoffnung beschert. In klarer Sprache erzählt der ganz Osteuropa warmherzig verbundene Autor (Jahrgang 1960) vom Schwinden der Menschlichkeit im trüben Idyll. (Suhrkamp, 25 Euro)  Christian Mückl 
5 / 12

Buchstäblich zwischen allen Fronten hat Andrzej Stasiuk seinen neuen Roman "Grenzfahrt" angesiedelt. Im Mai 1940/41 liegt die polnische Flusslandschaft zwischen Nazi-Deutschland und Roter Armee. Ein jüdisches Pärchen sucht Erbarmen, ein Fährmann riskiert sein Leben im nächtlichen Wasser, das Leichen wie letzte Hoffnung beschert. In klarer Sprache erzählt der ganz Osteuropa warmherzig verbundene Autor (Jahrgang 1960) vom Schwinden der Menschlichkeit im trüben Idyll. (Suhrkamp, 25 Euro) Christian Mückl  © Suhrkamp/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Ob der überdurchschnittliche Verkäufer in einem Landgasthof, der pensionierte Forscher aus dem Labor an der kalifornischen Meeresküste oder der Gemälderestaurator samt Mitarbeiterin in der Werkstatt: Zunächst scheinen die Personen, Ausgangssituationen, ja Tatorte  von  "Im Bienenlicht" fast normal. Doch dann entwickeln sich die Erzählungen des auch schon mit dem Ingeborg Bachmann-Preis ausgezeichneten Georg Klein ins Schräge, Groteske, Absurde. Und fast immer sind auch tiefere Erkenntnisse über die Welt, in der wir leben, in diesen ver-rückten Geschichten verborgen. So bleibt einem beim Lesen des Öfteren das Lachen im Halse stecken...  wie es sich gehört! (Rowohlt, 24 Euro) Anja Weigmann
6 / 12

Ob der überdurchschnittliche Verkäufer in einem Landgasthof, der pensionierte Forscher aus dem Labor an der kalifornischen Meeresküste oder der Gemälderestaurator samt Mitarbeiterin in der Werkstatt: Zunächst scheinen die Personen, Ausgangssituationen, ja Tatorte  von "Im Bienenlicht" fast normal. Doch dann entwickeln sich die Erzählungen des auch schon mit dem Ingeborg Bachmann-Preis ausgezeichneten Georg Klein ins Schräge, Groteske, Absurde. Und fast immer sind auch tiefere Erkenntnisse über die Welt, in der wir leben, in diesen ver-rückten Geschichten verborgen. So bleibt einem beim Lesen des Öfteren das Lachen im Halse stecken...  wie es sich gehört! (Rowohlt, 24 Euro) Anja Weigmann © Rowohlt/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Die Corbeaux kreisen unheilvoll über Port Angeles, Trinidad: Die Aaskrähen gelten als Vorboten des Todes. Der junge Rastafari Darwin hat ein Gelübde gebrochen und arbeitet als Totengräber auf dem Friedhof. Dort geschehen nachts gruselige Dinge, und der Junge rutscht immer tiefer in diesen Abgrund. Als er der rätselhaften Yejide begegnet, fühlt er sich magisch zu ihr hingezogen. Doch ein uraltes Vermächtnis und ein matriarchaler Kult binden sie an die Toten. Ayanna Lloyd Banwo erzählt in ihrem Debütroman "Als wir Vögel waren" eine mythische Liebesgeschichte zwischen zwei Außenseitern. Unheimlich und mit starker Sogkraft! (Diogenes, 24 Euro) Michaela Höber
7 / 12

Die Corbeaux kreisen unheilvoll über Port Angeles, Trinidad: Die Aaskrähen gelten als Vorboten des Todes. Der junge Rastafari Darwin hat ein Gelübde gebrochen und arbeitet als Totengräber auf dem Friedhof. Dort geschehen nachts gruselige Dinge, und der Junge rutscht immer tiefer in diesen Abgrund. Als er der rätselhaften Yejide begegnet, fühlt er sich magisch zu ihr hingezogen. Doch ein uraltes Vermächtnis und ein matriarchaler Kult binden sie an die Toten. Ayanna Lloyd Banwo erzählt in ihrem Debütroman "Als wir Vögel waren" eine mythische Liebesgeschichte zwischen zwei Außenseitern. Unheimlich und mit starker Sogkraft! (Diogenes, 24 Euro) Michaela Höber © Diogenes/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Auch 50 Jahre nach seinem Tod muss man sich um Pablo Picasso (1888-1973) keine Sorgen machen: Allein schon die vielen großen Ausstellungen zum Jubiläum zeigen, wie präsent der spanische Künstler immer noch ist. Zur Lektüre empfiehlt sich das schöne Erinnerungsbuch "Gespräche mit Picasso" , das der aus Ungarn stammende französische Fotograf Brassai verfasst hat und das auf Augenhöhe und ganz uneitel vor allem die 30er und 40er Jahre in der Pariser Boheme schildert. Da war Picasso schon ein Star - und doch für alle nahbar. (Kampa, 28 Euro) Wolf Ebersberger
8 / 12

Auch 50 Jahre nach seinem Tod muss man sich um Pablo Picasso (1888-1973) keine Sorgen machen: Allein schon die vielen großen Ausstellungen zum Jubiläum zeigen, wie präsent der spanische Künstler immer noch ist. Zur Lektüre empfiehlt sich das schöne Erinnerungsbuch "Gespräche mit Picasso", das der aus Ungarn stammende französische Fotograf Brassai verfasst hat und das auf Augenhöhe und ganz uneitel vor allem die 30er und 40er Jahre in der Pariser Boheme schildert. Da war Picasso schon ein Star - und doch für alle nahbar. (Kampa, 28 Euro) Wolf Ebersberger © Kampa/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Seit der Netflix-Serie "Pretend it\'s a City" von Martin Scorsese ist die New Yorker Autorin Fran Lebowitz  erst recht eine Art Kultfigur geworden. Man muss sie ja auch lieben, als alte jüdische Powerlesbe mit Pokerface und druckreifen Sprüchen wie von Oscar Wilde! Geschrieben hat sie allerdings sehr wenig, immerhin auch ein Kinderbuch, das jetzt sogar Ralf König bebildern durfte:  "Mr. Chas und Lisa Sue treffen die Pandas"  über naseweise Kinder und exotische Tiere an ungeahnten Orten, die aber lieber in Paris leben würden. Wer auch nicht? (Rowohlt, 20 Euro) Wolf Ebersberger
9 / 12

Seit der Netflix-Serie "Pretend it's a City" von Martin Scorsese ist die New Yorker Autorin Fran Lebowitz erst recht eine Art Kultfigur geworden. Man muss sie ja auch lieben, als alte jüdische Powerlesbe mit Pokerface und druckreifen Sprüchen wie von Oscar Wilde! Geschrieben hat sie allerdings sehr wenig, immerhin auch ein Kinderbuch, das jetzt sogar Ralf König bebildern durfte: "Mr. Chas und Lisa Sue treffen die Pandas" über naseweise Kinder und exotische Tiere an ungeahnten Orten, die aber lieber in Paris leben würden. Wer auch nicht? (Rowohlt, 20 Euro) Wolf Ebersberger © Rowohlt/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Wer so schreibt, hat es faustdick hinter den Ohren. Oder, wie die Argentinierin Aurora Venturini , eben Humor ohne Hemmung. Mit über 80 legte sie "Die Cousinen" vor, einen Roman, der fast schon respektlos weibliche Schicksale einer stark derangierten Familie bündelt. Ist die Erzählerin aber wirklich "geistig minderbemittelt", wie sie sagt, oder doch eher ein verkapptes Genie, das dann ja auch als Malerin Erfolge feiert? Und was ist mit der sabbernden Schwester im Rollstuhl, was mit der zwergwüchsigen Cousine? Eine bald mörderische Gemengelage, auch sprachlich! (dtv, 23 Euro) Wolf Ebersberger
10 / 12

Wer so schreibt, hat es faustdick hinter den Ohren. Oder, wie die Argentinierin Aurora Venturini, eben Humor ohne Hemmung. Mit über 80 legte sie "Die Cousinen" vor, einen Roman, der fast schon respektlos weibliche Schicksale einer stark derangierten Familie bündelt. Ist die Erzählerin aber wirklich "geistig minderbemittelt", wie sie sagt, oder doch eher ein verkapptes Genie, das dann ja auch als Malerin Erfolge feiert? Und was ist mit der sabbernden Schwester im Rollstuhl, was mit der zwergwüchsigen Cousine? Eine bald mörderische Gemengelage, auch sprachlich! (dtv, 23 Euro) Wolf Ebersberger © dtv/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Lee Miller war vieles. Sie hat Pariser Models fotografiert und als Kriegsreporterin die Leichenstapel in Dachau. Sie liebte Partys, Alkohol und das luftige Jetset-Leben der besseren Gesellschaft - und war zugleich eine radikale Muse der Surrealisten, die bei Man Ray lernte und schließlich den englischen Maler Roland Penrose heiratete. "Immer lieber woanders hin" nennt ihr Sohn Antony Penrose seine liebevolle Erinnerung an die vielseitig talentierte und doch stets unruhig nach Sinn suchende Mutter. Endlich auch auf Deutsch. (Insel, 20 Euro) Wolf Ebersberger
11 / 12

Lee Miller war vieles. Sie hat Pariser Models fotografiert und als Kriegsreporterin die Leichenstapel in Dachau. Sie liebte Partys, Alkohol und das luftige Jetset-Leben der besseren Gesellschaft - und war zugleich eine radikale Muse der Surrealisten, die bei Man Ray lernte und schließlich den englischen Maler Roland Penrose heiratete. "Immer lieber woanders hin" nennt ihr Sohn Antony Penrose seine liebevolle Erinnerung an die vielseitig talentierte und doch stets unruhig nach Sinn suchende Mutter. Endlich auch auf Deutsch. (Insel, 20 Euro) Wolf Ebersberger © Insel/Pixabay/Montage: Sabine Schmid

Als das Kino noch Kino war und Horizonte öffnete, ohne sie mit geborgter und aufgemotzter Bildmacht zu verstellen: Die große Erzählerin Esther Kinsky legt nach ihrem furiosen Roman "Rombo" mit "Weiter Sehen" die essayistische Erzählung einer Reise durch Kopf und Wirklichkeit vor, auf der sie die Macht und die Widersprüchlichkeit der Sinne erforscht. Wirklichkeiten und kinematografische Flunkereien sind nicht immer auseinanderzuhalten in dem fast ausgestorbenen Ort an der Grenze Rumäniens, wo das nun verfallende Kino, "der große Tempel der bewegten Bilder", einst Fluchtort war für alle, die der harten Gegenwart ein Stück Sehnsucht und fremde Träume abtrotzen wollten. Kinsky seziert die vergangene Zeit und findet die Relikte, die gerettet werden konnten und nun als Erinnerungen herumspuken. Ein wunderbar melancholisches Buch über die Frage: "Wohin mit dem Blick?" (Suhrkamp, 24 Euro) Bernd Noack
12 / 12

Als das Kino noch Kino war und Horizonte öffnete, ohne sie mit geborgter und aufgemotzter Bildmacht zu verstellen: Die große Erzählerin Esther Kinsky legt nach ihrem furiosen Roman "Rombo" mit "Weiter Sehen" die essayistische Erzählung einer Reise durch Kopf und Wirklichkeit vor, auf der sie die Macht und die Widersprüchlichkeit der Sinne erforscht. Wirklichkeiten und kinematografische Flunkereien sind nicht immer auseinanderzuhalten in dem fast ausgestorbenen Ort an der Grenze Rumäniens, wo das nun verfallende Kino, "der große Tempel der bewegten Bilder", einst Fluchtort war für alle, die der harten Gegenwart ein Stück Sehnsucht und fremde Träume abtrotzen wollten. Kinsky seziert die vergangene Zeit und findet die Relikte, die gerettet werden konnten und nun als Erinnerungen herumspuken. Ein wunderbar melancholisches Buch über die Frage: "Wohin mit dem Blick?" (Suhrkamp, 24 Euro) Bernd Noack © Suhrkamp/Pixabay/Montage: Sabine Schmid