Albrecht Mayer: Ein Erlanger erfindet die Oboe neu

9.3.2010, 00:00 Uhr
Albrecht Mayer: Ein Erlanger erfindet die Oboe neu

© pr

NZ: Herr Mayer, Sie sind dafür bekannt, mit Transkriptionen das Repertoire für die Oboe beständig zu erweitern. Welche dieser Werke von Bach und Vivaldi präsentieren Sie in Nürnberg?

Albrecht Mayer:
Wir spielen zwei neue Oboenkonzerte, basierend auf berühmten Kantaten von Johann Sebastian Bach, die wir für Oboe transkribiert haben sowie weitere Bearbeitungen, unter anderem aus den «Vier Jahreszeiten« von Antonio Vivaldi.

NZ: Musik ist schwer in Worte zu fassen – vielleicht können Sie trotzdem kurz beschreiben, welche Eigenschaften eine Komposition haben muss, damit sie für Oboe transkribiert werden kann.

Mayer:
Sie muss dem Wesen des Instruments entgegenkommen, also kantabel sein. Denn eine Oboe ist nicht ganz so virtuos wie eine Geige, besitzt dafür viele sängerische Qualitäten.

NZ: Vor Ihrer Karriere galt für gewöhnlich das Cello als jenes Instrument, das der menschlichen Stimme am nächsten kommt. Ist Ihrer Meinung nach die Oboe noch näher am Gesang als das Cello?

Mayer:
Tatsache ist, dass Bach die Oboe als «vox humana« bezeichnet und entsprechend verwendet hat, aber es gibt natürlich auch andere Instrumente, die die menschliche Stimme wohlgestalt nachbilden können.

NZ: Ist die Oboe der menschlichen Stimme in bestimmten Bereichen sogar überlegen?

Mayer:
Die menschlische Stimme ist – was die musikalische Lautäußerung angeht – letztlich unschlagbar. Jeder, der Lisa della Casa oder Fritz Wunderlich singen gehört hat, hat damit ein Stück des Himmels gesehen.

NZ: Sie arbeiten mit dem Instrumentenbauer Ludwig Frank an einer neuen, speziellen Oboe. In den Medien ist gar von der «Super-Oboe« die Rede. Was ist an diesem Instrument anders als an einer herkömmlichen Oboe?

Mayer:
In unserem Konzert in Nürnberg wird nicht nur die neue Oboe, sondern auch meine neue Oboe d’amore zu hören sein. Bei beiden Instrumenten haben wir versucht, jene Freiheiten einzuhauchen, die nötig sind, um die Oboe in die Lage zu versetzen, wirklich singen zu können. Viele Komponisten haben immer nur von den Limitierungen des Instruments gesprochen. Aber mithilfe einer ausgefeilteren Spieltechnik und dank verbesserter Instrumente sind wir heute in der Lage, jene Limitierungen beiseite zu räumen – im Sinne von sängerischer Flexibilität und einer größeren dynamischen Bandbreite.

NZ: Sie kommen mit Ihrem eigenen Ensemble «New Seasons« nach Nürnberg. Nach welchen Klangvorstellungen haben Sie es geformt?

Mayer:
Wir orientieren uns an Ensembles, die sich mit barocker Aufführungspraxis beschäftigen, haben aber ganz persönliche Klangvorstellungen. Ich arbeite ja seit über achtzehn Jahren mit den Spezialisten der sogenannten Alten Musik zusammen, allen voran Nikolaus Harnoncourt.

NZ: Sie zählen als Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker zu den bekanntesten Persönlichkeiten des Orchesters. Wie schaffen Sie es bei den enormen Aktivitäten des Orchesters noch, ihre eigenen Projekte zu verfolgen? Bleibt da überhaupt noch ein Quäntchen Freizeit? Und muss das Leben da nicht extrem diszipliniert durchorgansiert werden?

Mayer:
Stimmt, das Leben muss extrem organisiert werden, es bleibt sehr wenig Freizeit. Aber meine musikalischen Aktivitäten, innerhalb der Berliner Philharmoniker wie außerhalb als Solist, sind ja schließlich auch eine Herzensangelegenheit.

NZ: Empfinden Sie als gebürtiger Erlanger den Auftritt im Nürnberger Opernhaus als eine Art Heimspiel? Oder ist das – im räumlichen wie im zeitlichen Sinn – schon viel zu weit weg?

Mayer:
Ich freue mich sehr auf meinen Auftritt in Nürnberg, liebe die Stadt und bin ihr seit meiner Kindheit verbunden.

NZ: Haben Sie als Kind oder Jugendlicher öfters mal das Nürnberger Opernhaus besucht? Oder sind Ihnen andere musikalische Zuhörer-Erlebnisse aus der Region in Erinnerung geblieben?

Mayer:
Als Kind habe ich unzählige Konzerte in Nürnberg, Fürth und Erlangen besucht, war aber tatsächlich noch nie in der Nürnberger Oper. Das ist nun also mein längst überfälliges Debüt in diesem Hause.

NZ: Brauchen Sie als Oboist einen speziellen Ausgleichssport? Oder woher nehmen Sie den Atem?

Mayer:
Man tut gut daran, den Körper fit zu halten. Aber, wie vorhin schon erwähnt, ist meine Freizeit sehr knapp bemessen. Wo immer möglich, versuche ich, ein bisschen zu wandern, Fahrrad zu fahren oder Squash zu spielen.

Keine Kommentare