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ARD-Komödie „Die Unschuldsvermutung“: Darf man über das Thema #MeToo lachen?

6.9.2021, 14:09 Uhr
Das neueste Opfer des Schürzenjägers: Marius Atterson (Ulrich Tukur) hat mehr als ein Auge auf Ada (Daniela Golphoshin) geworfen.

© SWR/ORF, NNZ Das neueste Opfer des Schürzenjägers: Marius Atterson (Ulrich Tukur) hat mehr als ein Auge auf Ada (Daniela Golphoshin) geworfen.

In „Die Unschuldsvermutung“ (Mittwoch, 8.9., 20.15 Uhr, ARD) spielt Tukur den Stardirigenten Marius Atterson, einen Schüler Karajans, der bei den Salzburger Festspielen die Mozart-Oper „Don Giovanni“ leiten soll – er ist selber ein lüsterner Don Juan, ein Schürzenjäger, der seine Machtposition ausnutzt, um Frauen zu verführen. Atterson ist damit stets durchgekommen, weil er berühmt und sympathisch ist – doch nun schmieden drei Frauen eine Allianz gegen den eitlen Pfau.

Mit Lippenstift schreibt Ada auf ein Festivalplakat, was sie von Stardirigent Marius Atterson hält.

Mit Lippenstift schreibt Ada auf ein Festivalplakat, was sie von Stardirigent Marius Atterson hält. © SWR/ORF, NNZ

Das Drama beginnt, als die berühmte Regisseurin Beate Zierau (Catrin Striebeck) kurzfristig die Neuinszenierung der Oper übernimmt: Sie und Atterson waren früher verheiratet und hassen sich wie die Pest. Als Zierau in Salzburg eintrifft, brennt der Rosenkrieg sofort wieder auf – fast steht zu befürchten, dass die Premiere in Gefahr ist. Doch nicht seine Ex-Gemahlin wird Atterson zum Verhängnis, sondern drei andere Frauen: Ada (Daniela Golpashin), die Assistentin seines Agenten, die der Erotomane gerade umwirbt, seine Meisterschülerin Karina (Laura de Boer), die endlich selber eine Vorstellung leiten will, und die Enthüllungsjournalistin Franziska Fink (Marie-Christine Friedrich), die ihn als #MeToo-Täter entlarven will.

Die Handlungsstränge werden schwungvoll und überdreht miteinander verflochten wie in einer waschechten Mozart-Oper. Den 1787 uraufgeführten „Don Giovanni“ muss man zwar keineswegs kennen, um an dem Fernsehfilm seinen Spaß zu haben – doch es erhöht den Genuss, denn das Drehbuch baut augenzwinkernde Anspielungen auf die Handlung ein.

So lädt Don Giovanni in der Oper aus reinem Übermut die Statue eines Mannes, den er getötet hat, zum Abendessen ein – später klopft der steinerne Gast aber tatsächlich an die Tür und zieht den Wüstling hinab in die Hölle. In „Die Unschuldsvermutung“ wird die Journalistin Franziska Fank vom Dirigenten ins Hotelzimmer eingeladen, ihr Besuch wird den sittenlosen Verführer zu Fall bringen.
Die Ensemble-Komödie ist bis in kleinere Rollen prominent besetzt, unter anderem spielen August Zirner und Robert Stadlober mit. Und sie gibt schöne Einblicke in die Welt der Oper. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Salzburg und im Festspielhaus.

Mozart bezeichnete seine Oper übrigens als „Dramma giocioso“, also ein lustiges Drama, das ernste und heitere Seiten mischt: das tut der Film ebenfalls. Regie führte Opern-Regisseur Michael Sturminger, der auch das Drehbuch schrieb – in Salzburg waren eben erst seine Inszenierungen von Puccinis „Tosca“ und des „Jedermann“ zu sehen. In seinem Film greift Sturminger viele Debatten der vergangenen Monate auf, etwa über die Frage nach dem richtigen Führungsstil, zentral geht es aber um die Rolle von Frauen im Kulturbetrieb.

"#MeToo hat die Welt schon verändert, das Selbstbewusstsein der Frauen und ihre Solidarität ist gewachsen und kein mächtiger alter Mann kann sich heute so benehmen, wie das viele vor zwanzig Jahren noch völlig offen getan haben. Das ist auch der Grund, warum man heute eine Komödie zu diesem Thema machen kann“, sagt Michael Sturminger. Übrigens: Die Nürnberger Generalmusikdirektorin Joanna Mallwitz dirigierte 2020 als erste Frau überhaupt eine Festspiel-Oper, in Bayreuth gab es das sogar erst 2021

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