Auf dem Weg zur Klassik-Top-Adresse

27.1.2020, 19:10 Uhr
Auf dem Weg zur Klassik-Top-Adresse

© Foto: Monika Skolimowska, dpa

Aus dem Stadtleben ist der gemeinnützige Theater- und Konzertverein Erlangen GVE nicht wegzudenken. Als Veranstalter von Klassikkonzerten führte der 1876 gegründete, älteste und größte Bürgerverein der Hugenottenstadt im Laufe der Jahre ein solides, aber auch etwas beschauliches Dasein, was in unserer schnelllebigen, vom demographischen Wandel und Digitalisierung geprägten Zeit letztlich auch einen schleichenden Schwund an Interessenten bedeutet hat.

Doch in der Stadt Erlangen wollte man die Dinge nicht einfach so laufen lassen: Auf Initiative der dortigen Kulturpolitiker entschied man sich, den GVE für die Aufgaben der Gegenwart und Zukunft maßgeblich zu stärken – und bewilligte im Herbst 2018 eine auf drei Jahre befristete deutliche Erhöhung der Zuschüsse von jährlich 165 000 Euro auf gut 262 000 Euro. Das war eine unabdingbare Voraussetzung für das Engagement hochkarätiger Künstler – die nun wiederum deutlich mehr Publikum zu den Konzerten des GVE locken.

So konnte der latent negative Trend in den letzten zwei Jahren komplett ins Gegenteil verkehrt werden. Dem GVE gehe es heute wieder sehr gut, zieht dessen Geschäftsführer Stephan Gerlinghaus, seit 2017 im Amt, zufrieden Bilanz. Allein in der aktuellen Saison gelang eine 40-prozentige Steigerung der Auslastung, "das ist eine Sensation". Vor zwei Jahren habe man bei rund 50 Prozent Auslastung gelegen – bezogen auf die 1200 Plätze im Stammquartier Heinrich-Lades-Halle. Zum Ende der noch bis Mai laufenden Saison könne man eventuell die 70 Prozent-Marke erreichen. Langfristig strebe man "bis zu 100 Prozent" Auslastung an, formuliert Gerlinghaus die hohen Ansprüche.

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© F.: Harald Sippel

Einige künstlerische Hochkaräter waren in dieser Saison bereits zu Gast, etwa das Staatliche Sinfonieorchester Estland, das Novosibirsk Philharmonic Orchestra mit dem Meisterpianisten Nikolai Tokarev oder zuletzt das Zürcher Kammerorchester mit dem renommierten Geiger Daniel Hope.

Dieses attraktive Angebot habe zu einem "extremen" Anstieg der Neuabonnenten geführt, so Gerlinghaus, 190 seien es allein in der laufenden Saison – bei einem Bestand von rund 1000 Abonnenten, die sich auf zwei Konzertreihen verteilen. Und auch eine veränderte Angebotspolitik des GVE ist für diesen Erfolg mitverantwortlich: Bewährt habe es sich, am Ende der jeweiligen Saison jeweils für vier Wochen einen exklusiven Vorverkauf für die Abonnements der kommenden Saison anzubieten.

Um die 14 großen Abonnementkonzerte pro Saison in der Heinrich-Lades-Halle (plus ein Silvesterkonzert) an die Frau bzw. den Mann zu bringen, hat der GVE zudem seinen Internetauftritt komplett erneuert und seine Präsenz in den Sozialen Medien – Stichwort Facebook, Instagram und Twitter — deutlich verstärkt.

Nur so lasse sich ein jüngeres Publikum erreichen, so Gerlinghaus. Dass das funktioniere, merke man auch an der Veränderung der Nachfrage: Vor zwei Jahren habe der GVE noch kaum Konzertkarten über die Funktion "print at home" – also den Ausdruck am heimischen Computer – verkauft, heute sei dies bereits die am häufigsten genutzte Methode.

Auch Richtung Nürnberg laufen die Geschäfte gut: Auf der Basis eines Medienkooperationsvertrages hätten sich die Kartenverkäufe im Ticket-Corner in der Mauthalle in den letzten zwei Jahren verzehnfacht.

Grundlage für diese Erfolge sind nicht allein eine personelle Verstärkung beim GVE und die enge Zusammenarbeit zwischen Gerlinghaus und dem Ersten GVE-Vorsitzenden, Jörg Krämer (im Hauptberuf Soloflötist der Staatsphilharmonie Nürnberg), bei der Gestaltung des künstlerischen Programmes, sondern vor allem dessen Qualität selbst.

Und da hat die laufende Saison noch einiges zu bieten: etwa das Sinfonieorchester Basel unter Ivor Bolton mit Pianist Alexander Melnikow, Solist bei Beethovens 5. Klavierkonzert, sowie dem bekannten Schauspieler Peter Simonischek ("Toni Erdmann") als Sprecher bei Beethovens "Die Geschöpfe des Prometheus" am 12. Februar. Am 4. März kommt die legendäre Pianistin Mitsuko Uchida mit Werken von Mozart und Beethoven zum Klavier-Recital.

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© F.: Harald Sippel

Der für seine unkonventionelle Mozart-Lesart bekannte Dirigent Constantinos Carydis reist am 17. März mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester an, der Solist bei Mozarts Klavierkonzert Nr. 27 KV 595 wird Francesco Piemontesi sein.

Zwischen der Brussels Philharmonic mit Starcellist Mischa Maisky (29. März) und dem Belgian National Orchestra mit Perkussionist Martin Grubinger (10. Mai) ist noch Platz für zwei Konzerte der Bamberger Symphoniker. Deren Auftritte in Erlangen (wie in der übrigen Region) haben eine lange Tradition, doch Gerlinghaus betont, dass er "ein solches Spitzenorchester nicht oft genug auf dem Spielplan" haben könne.

Einen besonderen Leckerbissen kündigt Gerlinghaus fürs Saisonfinale am 24. Mai an: Die BBC Philharmonic spielt Werke von Strauss, Dvorak und Beethoven. Am Pult wird Omer Meir Wellber stehen, ein Dirigent, der "jedes Orchester zum Fliegen bringt". Das hat seinen Preis, laut Programmheft ist dies das teuerste Konzert, das der GVE jemals veranstaltet hat.

Doch wer neues Publikum gewinnen will, muss eben tatsächlich in Qualität investieren. Das Beispiel des GVE zeigt, dass dieser Weg erfolgreich sein kann. Erlangen könnte bald zu den ersten Adressen für Klassik-Interessenten zählen.

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