Bird Berlin: Abschied von Nürnbergs buntestem Paradiesvogel

22.4.2019, 21:16 Uhr
Bird Berlin: Abschied von Nürnbergs buntestem Paradiesvogel

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Herr Pflaum, Sie begraben Ihre Kunstfigur Bird Berlin mit einer kleinen Abschiedstournee durch Deutschland. Warum?

Bird Berlin: Zum einen habe ich ein Jahr lang versucht, neue Lieder zu machen und dabei andere Emotionen reinzukriegen – melancholischere Songs, die nicht nach Glitzer und Power auf der Bühne schreien. Doch das funktioniert im Bird-Berlin-Kontext einfach nicht. Der andere Grund: Ich sehne mich sehr stark nach einem geregelten Leben. Nach 15 Jahren auf der Bühne und viel Freiheit mag ich endlich auch mal Feierabend haben. Ich brauche dringend mal eine Pause.

Und dann lustig zurück ins Berufsleben?

Bird Berlin:Ich habe noch überhaupt keine Pläne gemacht. Kann sein, dass ich irgendwann wieder als Heilerziehungspfleger unterwegs bin, aber erst einmal werde ich diese Abschiedstournee spielen. Die wird sich sicher bis ins nächste Jahr ziehen, da habe ich mir kein Enddatum gesetzt. Ich guck, was noch reinkommt und wer mich noch hören will. Und dann werden irgendwann die Nägel in den Sarg geschlagen. Bis es so weit ist, freue ich mich, noch ein paar Leute zu sehen.

Bird Berlin: Abschied von Nürnbergs buntestem Paradiesvogel

Die Figur Bird Berlin scheint ganz viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ecken des Lebens zu triggern. Bird Berlin ist überraschend wenigen Leuten egal.

Bird Berlin (kichert): Das stimmt – aber das sehe ich als ein riesengroßes Kompliment, egal in welche Richtung es zielt, ob positiv und negativ. Dass ich nicht egal und somit belanglos bin, das schmeichelt mir.

Wenn man über Bird Berlin spricht, hat man bei vielen Menschen das Gefühl, da bricht wuchtig etwas aus ihnen heraus, – völliges Unverständnis oder die blanke Abscheu ...

Bird Berlin: Wundervoll (lacht). Ich hab tatsächlich beides erlebt. Ich hatte Menschen auf meinen Konzerten, die hinterher zu mir gekommen sind mit dem Bedürfnis, mit mir über die Figur, die ich darstelle, zu sprechen. Und sei es, dass sie mir nur ihr komplettes Unverständnis ausdrücken wollten. Aber selbst das war oft trotzdem wohlwollend. Nur ganz selten kam etwas wirklich Negatives.

Sind Sie nie so richtig angegangen worden?

Bird Berlin: Eigentlich nur einmal, bei einem Auftritt in Offenbach. Aber auch das war nur ein Einzelner, der mich verprügeln wollte, das aber nicht auf die Reihe bekommen und mich daraufhin wüst bespuckt hat. Der Mann war sichtlich überfordert mit der Nacktheit und dem Glitzer und dieser nicht definierten Sexualität. Mein Auftritt hat ganz viele Kabel in seinem Kopf rausgerissen und das System zum Absturz gebracht. Meistens bin ich am Ende eines Konzertes aber lachend und mit offenen Armen empfangen worden – viel öfters jedenfalls als mit Spucke.

Wobei Sie ja meistens in eher linken Clubs aufgetreten sind, wo Sie ein geschützter Rahmen erwartet hat . . .

Das ist richtig. Trotzdem habe ich immer auch bewusst Auftritte außerhalb dieses geschützten Rahmens gespielt, wie eine Weihnachtsfeier bei einem Skihersteller in Berchtesgaden vor einem sehr konservativen Publikum. Auch da war an Reaktionen alles dabei, von herzlichen Umarmungen bis zu übergriffigem Auf-den-Bauch-Klatschen.

Irgendwer bei der Stadt Nürnberg muss Sie gut gefunden haben, denn Bird Berlin tauchte unter anderem als offizielles Maskottchen der "Stadtverführungen" auf.

Bird Berlin: Das war wahrscheinlich eher ein Verdienst meines Fotografen Cristopher Civitillo. Er hat mich gefördert und auch bei der Stadt immer wieder ins Gespräch gebracht. Ich war jedenfalls sehr erfreut, aber trotzdem verwundert, dass eine tendenziell eher nicht so mutige Stadt mich da mit aufgenommen hat in ihre Bildsprache.

Wie ist das Gefühl, sich selbst riesengroß als Amor auf den Litfaßsäulen zu sehen?

Bird Berlin: Meistens bin ich darauf angesprochen worden, bevor ich es selbst gesehen habe. Als ich mich dann auf diesem riesigen Transparent auf dem Hauptmarkt erblickt habe, fand ich es schon sehr lustig, dass da so ein dicker Birdi das Stadtbild mit prägt . . .

Wie erklären Sie Menschen Bird Berlin, die noch nie zuvor davon gehört haben?

Bird Berlin: Ich singe und tanze halbnackt auf der Bühne, nur mit Leggins bekleidet, mit Glitzer im Gesicht und mit einem Herz aus meiner üppigen Brustbehaarung herausrasiert. Die Musik ist im weitesten Sinn ElektroPop. Dazu bewege ich mich dilettantisch und ballettartig, schwitze und versuche, mit meiner Stimme zu den Beats Emotionen zu erzeugen.

Der Volksmund sagt: "Kleine Kinder, Betrunkene und Leggins lügen nie."

Das kann ich so unterschreiben. Wobei ich die Leggins und auch die Nacktheit nie bewusst zu meinem Markenzeichen gemacht habe. Das war ursprünglich ein ganz pragmatisches Ding: Ich hatte Bock, mich zu bewegen, doch ich schwitze sehr stark – und wollte nichts am Körper haben, was klebt. Zum Thema wird meine Leibesfülle jedoch erst von den Menschen gemacht, die mich sehen – wahrscheinlich, weil in der Pop-Szene nun mal ganz viele Modelfiguren unterwegs sind. Ich bin im Einklang mit meinem Körper. So lange ich Spannung und Elastizität in mir spüre, fühle ich mich wohl.

Ist Bird Berlin eine Kunstfigur?

Bird Berlin: Er hat als Kunstfigur begonnen, doch die hat sich immer mehr mit meinem privaten Leben vermischt. Inzwischen sind Bernd Pflaum und Bird Berlin komplett identisch. Privat bin ich sehr ruhig und höre gerne zu. Da gibt es aber auch diese andere Seite von mir, auf der ich tanze und tobe. Das ist Bird Berlin. Insofern spiele ich keine Rolle: Bird Berlin ist einfach eine Facette von mir.

Zum Ende gibt es eine letzte Platte ...

Bird Berlin: Ein Dreifach-Album mit dem Titel "Immer-Birdi-Alles-Forever". Eine Best-Of-Scheibe: 35 Lieder, alte Songs, neu aufgenommen und neu arrangiert. Mit dem Nürnberger Toningenieur Tom König habe ich zwei Jahre daran rumgebastelt.

Das war’s mit Bird Berlin.Werden wir von Bernd Pflaum noch hören?

Bird Berlin: Bestimmt. Wahrscheinlich sogar unter dem Namen Bird Berlin. Im Sommer startet wieder meine Bingo-Show-Reihe im Z-Bau-Biergarten, im November geht es mit Robert Krupar alias Krupski von der Nürnberger Band "schubsen" auf Lesereise. Aber die ElectroPop-Glitzershow wird es erst mal nicht mehr geben.

Darf Nürnberg für die Kulturhauptstadtbewerbung auf Bird Berlin zählen?

Zum Glück lebe ich ja jetzt draußen am Land und bekomme dieses 2025 nicht mehr so dolle mit. Aber ich werde es kritisch bis zum Schluss begleiten.

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