"Bläser können nicht mit Mundschutz spielen"

6.4.2020, 15:25 Uhr

© Foto: Michael Matejka

"Die Leere, die wir jetzt haben, ist beängstigend": Lucius A. Hemmer nimmt kein Blatt vor den Mund. Der Intendant der Nürnberger Symphoniker hat – wie viele in vergleichbaren Positionen – derzeit die undankbare Aufgabe, etwas zu managen, das eigentlich nicht zu managen ist: Eine Krise mit ungewissem Ausgang. "Panikmache gilt aber nicht", lautet Hemmers Devise. Ruhig und reflektiert geht der 54-Jährige die herausforderndste Phase in seiner nunmehr 17-jährigen Ägide als organisatorischer Symphoniker-Kopf an.

"Solche Zeiten führen uns noch einmal vor Augen, dass wir das Tröstliche, das Empathische, was Musik möglich macht, jetzt gerade besonders nötig bräuchten", betont Hemmer. Die Nürnberger Symphoniker verfügen dabei nicht über die wirtschaftlichen Möglichkeiten wie etwa die Berliner Philharmoniker oder die Bamberger Symphoniker, die aktuell mit ihren Streaming-Angeboten punkten wollen. "Streaming ist nur ein schwacher Ersatz für das eigentliche Konzert-Erlebnis, bei dem die Klänge direkt auf Hirn und Herz treffen", ist der Orchestermanager überzeugt.

Immerhin: Mit dem Studio Franken des Bayerischen Rundfunks ist ein digitales Projekt geplant, bei dem die einzelnen Instrumentalisten mit vorgegebenen Metronom-Einstellungen bestimmte Stücke per Ton und Bild übermitteln, die der Rundfunk zu einem Gesamtklang zusammenfügt. Auch können sich Symphoniker-Fans damit trösten, dass auf dem BR- Klassik-Portal der Mitschnitt des letztjährigen "Open Airs" im Luitpoldhain wieder bereitgestellt wurde.

Die Situation ist durchaus ernst: Es mussten ja nicht nur alle Auftritte auf unbestimmte Zeit storniert werden, auch ist völlig ungewiss, ob Hemmer die für Mai, Juni und Juli gebuchten Nachholtermine in der Meistersingerhalle wirklich wird nutzen können.

"Ganz wichtig für uns wäre, dass wir eine vollständige Saison im Serenadenhof spielen könnten", erläutert Hemmer. Bei einer Begrenzung der Kapazität auf 500 Zuhörer ließe sich da auch ein Mindestabstand von 1,50 Meter pro Zuhörer realisieren. Andererseits ist klar: Die Orchestermusiker werden keinen Mindestabstand von zwei Metern einhalten können. "Streicher können vielleicht mit Mundschutz spielen, Bläser aber definitiv nicht", macht der Intendant die verzwickte Lage deutlich.

Treues Publikum

Derzeit ruht der Betrieb im Hauptquartier am Dutzendteich vollständig. Das Verwaltungspersonal ist in Home-Office, die Musiker sind im Wartestand. Die Bayerische Staatsregierung verhandelt gerade mit ihren eigenen Klangkörpern, zu denen auch die Staatsphilharmonie Nürnberg und die Bamberger Symphoniker zählen, über die Bedingungen von Kurzarbeit. "Ich hoffe, dass wir diese Regelungen auch für die nichtstaatlichen Orchester hinbekommen, damit es hier zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt und sich alle solidarisch verhalten", appelliert Hemmer an die Einsicht im Münchner Kunstministerium.

"Ein Trost ist, dass unser treues Publikum wirklich zu uns hält", freut sich der gebürtige Hannoveraner. Es gäbe kaum Abbestellungen von Abonnements. "Einzelkarten vergüten wir durch Gutscheine oder Rücküberweisungen." Ins Wasser fallen ja nicht nur die Auftritte am Hauptwirkungsort Nürnberg. Auch Gastspiele etwa in Ansbach, Straubing oder Sonneberg mussten storniert werden. Das Beethoven-Education-Projekt mit Grundschülern in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl von Musikpädagoge Wolfgang Pfeiffer im Mai steht ebenfalls auf der Kippe.

"Wir sehen uns als Dienstleister und deswegen überlegen wir genau, welche Dinge wir jetzt für die Gesellschaft leisten können", formuliert es Hemmer ganz allgemein und wird dann konkret. "Das digitale Zeitalter ist unaufhaltsam, aber unsere Aufgabe wird es sein, den Wert von direkten menschlichen Begegnungen und Kontakten, von Gemeinschaftserlebnissen und besonderen Lebensmomenten deutlich werden zu lassen". Für den Honorarprofessor an der Musikhochschule ist das eines der wichtigsten Zukunftsziele für sein Orchester.

Vor wenigen Wochen ist eine längst fällige Weichenstellung auf diesem Weg geglückt: Der Trägerverein hat sich von "Fränkisches Landesorchester" in "Nürnberger Symphoniker e.V." umbenannt.

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