Chinakohl und Handyschrott

11.6.2019, 07:20 Uhr

Diesen vielschichtigen Prozess beleuchtet das Kunst- und Recherche-Projekt "Chinafrika. under construction", entwickelt von dem Berliner Kurator Jochen Becker (metroZones) und dem Filmemacher Daniel Kötter. Das Konfuzius-Institut hat das Projekt, das unter anderem schon in Leipzig, Shenzhen und Lagos zu sehen war, in konzentrierter Form jetzt nach Nürnberg geholt

Die Ausstellung mit Videoinstallationen, Postern, Fotografien und anderen Werken internationaler Künstlerinnen und Künstler begibt sich auf eine Spurensuche nach den kulturellen Beziehungen zwischen China und Afrika, die sich als Folge der wirtschaftlichen Verflechtungen herausbilden.

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Wenig bekannt ist bei uns die Tatsache, dass sich derzeit rund 100 000 Afrikaner aus verschiedenen Ländern als Händler, Dienstleister oder Studenten in China aufhalten. Sie bekommen dort leichter Visa als in Europa und nutzen diese Chance. Umgekehrt halten sich bis zu zwei Millionen chinesische Staatsbürger auf dem afrikanischen Kontinent auf – als Geschäftsleute, Arbeiter und Regierungsbeauftragte. China hat ein starkes Interesse an den Bodenschätzen und an der Landwirtschaft Afrikas. Zugleich investiert es aber im großen Stil in die dortige Infrastruktur, in Eisenbahnstrecken, Staudämme und Straßennetze. Auch das hat eine Vorgeschichte: Anfang des 20. Jahrhunderts bauten chinesische Leiharbeiter das Eisenbahnnetz in Südafrika für die britischen Kolonialherren mit auf.

Das Thema ist äußerst komplex, und entsprechend vielschichtig ist auch die Multi-Media-Ausstellung, für die man sich einige Zeit nehmen sollte. Sie bietet viele neue Erkenntnisse, lässt Zusammenhänge erkennen und vermeidet die üblichen Klischees. Das Projekt wurde mit Künstlern vor Ort entwickelt und zeigt daher nicht nur die europäische Perspektive.

Videofilme spielen eine Hauptrolle in der klug konzipierten Schau. Gerade am Beispiel der Smartphones lassen sich die wechselseitigen Beziehungen zwischen China und Afrika einleuchtend darstellen. Denn nicht zuletzt billige Smartphones aus China haben das Leben von Millionen Afrikanern grundlegend verändert – sie dienen nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern oft auch als Computer-Ersatz.

Eine Arbeit von Daniel Kötter macht das besonders anschaulich: Auf den Displays von vier Smartphones kann man den Kreislauf der Handy-Herstellung verfolgen. Er beginnt mit der gefährlichen Gewinnung von Kobalt im Kongo, setzt sich fort mit der Handy-Produktion in der chinesischen Freihandelszone Shenzhen und den Handy-Märkten in Lagos (Nigeria). Er endet mit der Verschrottung der Geräte in Afrika und deren Recyling in China. Die Filme wurden von betroffenen Arbeitern und Händlern selbst gedreht.

Jochen Becker spricht in diesem Zusammenhang von der "Globalisierung von unten" und erläutert das am Beispiel von afrikanischen Kleinhändlern, die in China Billig-Handys einkaufen, auf afrikanischen Märkten mit Gewinn weiterverkaufen und damit neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Ein Blickfang in der Schau, in der auch eine Diaserie des südafrikanischen Fotografen und Künstlers Michael McGarry gezeigt wird, ist eine Arbeit der Künstlerin Stary Mwaba aus Sambia, die sich auf witzige Weise mit der Ausbeutung afrikanischer Rohstoffe (Kupfer, Mangan, Kobalt) befasst: Chinakohl-Blätter in Plastikbechern verändern ihre Farbe und gehen daran zugrunde.

"Chinafrika" ist eine von drei aktuellen Ausstellungen des Nürnberger Konfuzius-Intsituts: Traditionelle Tusche-Bilder sind noch bis 10. Juli im Ausstellungsraum der Sparkasse (Lorenzer Str. 2) zu sehen. Und am 12. Juni wird die Wanderausstellung "2000 Jahre Maritime Seidenstraße" im Konfuzius-Institut (Virchowstr. 23) eröffnet.

"Chinafrika. under construction" im Kunstraum des Konfuzius-Instituts, Nürnberg, Pirckheimerstr. 36, bis zum 27. Juli, mittwochs bis samstags, jeweils 13-18 Uhr.

www.konfuzius-institut.de