Der besondere Reiseführer

28.9.2009, 00:00 Uhr
Der besondere Reiseführer

© Rödel/dpa

1469 Seiten für 48 Euro, viel Text, wenig Bilder. Wer den «Literarischen Führer Deutschland« in Händen hält, spürt sofort, dass es sich um kein gewöhnliches Reisebuch handelt. In Hosen- und Jackentaschen will es nicht richtig passen, und auch im Rucksack ist der etwas über ein Kilogramm schwere Guide eher ein Runterzieher denn zur schnellen Lektüre geeignet. Dafür ist das längst überfällige Buch ein erstklassiges Nachschlagewerk für alle, die sich für die poetische Literatur einer (ihrer) Stadt interessieren.

Von Aachen bis Zwota haben Fred Oberhauser und Axel Kahrs über 3500 Dörfer, Städte und Landschaften nach bedeutenden Schriftstellern und relevanten Textstellen abgegrast. Das Schöne daran: Neben den hehren Klassikern wurden auch Bestsellerschreiber à la Charles Bukowski, Patrick Süskind oder Andrea Maria Schenkel, Regionalautoren wie z. B. Elmar Tannert (im Buch fälschlich mit einem n geschrieben) für Nürnberg, Helmut Haberkamm für Erlangen oder Ewald Arenz für Fürth und sogar Kinderbuchautoren berücksichtigt. Die textuellen Bezüge von über 7500 Schriftstellern konnten auf diese Weise verortet werden.

Annäherungen an Franken

Nähert man sich der fränkischen Metropole, findet man natürlich die üblichen Verdächtigen: Neben Hans Sachs sind z. B. die Eckdaten der alten Pegnesier (u. a. Birken und Harsdörffer), des Mundartlyrikers Johann Konrad Grübel, des Arbeiterdichters Karl Bröger und des Exilautors Hermann Kesten skizziert. Man erfährt, dass nicht nur der allgegenwärtige Kusz («Schweig Bub«), sondern auch Größen wie Hans Christian Andersen (ein Kapitel seiner Autobiographie ist der Stadt gewidmet), Thomas Mann (nach Lübeck diente Nürnberg als Vorbild für die fiktive Stadt Kaisersaschern im «Doktor Faustus«) oder Hermann Hesse («Die Nürnberger Reise«) neben 60 anderen Bekannten und heute Unbekannten direkt oder indirekt auf die Noris anspielen.

Soll man sich dieses Buch deshalb kaufen? Nun, ein «Baedeker der Literatur«, wie der Insel Verlag vollmundig verspricht, ist dieser Backstein nicht. Die Texte sind sachlich, im Stil eines Lexikons, Zitate werden nur angerissen: keine Essays, nirgends. Doch um den Aufenthalten von Autoren nachzuspüren oder literarische Stellen über seine Heimat auszugraben, ist der Band unerlässlich. Ein Grund, weshalb das gewichtige und gewissenhaft erarbeitete Handbuch einen der Reise-Oscars auf der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin gewonnen hat, Kategorie «Der besondere Reiseführer«.

Literarischer Führer Deutschland. Von Fred Oberhauser und Axel Kahrs. Insel Verlag, 1469 Seiten, 48 Euro.