Die Kunsthalle Nürnberg legt einen Neustart vom Feinsten hin

11.10.2019, 09:00 Uhr
Die Kunsthalle Nürnberg legt einen Neustart vom Feinsten hin

© Foto: Roland Fengler

Wer 106 Jahre auf dem Buckel hat, braucht schon mehr als einen Schönheitsschlaf, um wieder im frischen Glanz zu erstrahlen. "Es wurde auch viel operiert", verglich Kulturreferentin Julia Lehner die notwendige Dachsanierung der Nürnberger Kunsthalle mit einem chirurgischen Eingriff. 3,3 Millionen Euro hat die Operation gekostet, die dem denkmalgeschützten Gebäude zu einem klimatechnisch top-modernen Dach verholfen hat, das auch die jahrzehntelang hinter Lamellen verborgenen schönen Oberlicht-Decken wieder zur Geltung bringt.

Über welches Juwel die Stadt mit der Kunsthalle verfügt, wird einem erst jetzt – nach der sensiblen, aber nachhaltigen Modernisierung und 20 Monaten Schließzeit – wieder richtig bewusst. Und Kunsthallenchefin Ellen Seifermann hat gemeinsam mit Kuratorin Harriet Zilch dieser "Hidden Beauty" zur Wiedereröffnung eine Schau bereitet, die schöner, stimmiger – ja, auch spektakulärer – gar nicht hätte gelingen können.

Seifermann hat dafür acht international renommierte Künstler gewonnen, deren Werke die Räume mit ihren sichtbaren und verborgenen Spezifika in den Fokus rücken, während diese wiederum der Kunst eine fantastische Bühne bieten. Dabei schlägt einem Monica Bonvicini zum Auftakt erst einmal die Tür vor der Nase zu. Garantiert: Wer vom Foyer aus geradewegs den ersten Raum betritt, landet fast unvermeidlich in dem großen, schwarzen Kubus, der dort steht und an dessen Ende sich als Videoloop eine Tür öffnet und mit lautem Knall wieder schließt. Bonvicini treibt ein faszinierend irritierendes Spiel mit Innen und Außen, Kunst- und Umgebungsraum.

Das Herz der Ausstellung pocht im kleinen Mittelkabinett, wo der dänische Künstlerstar Olafur Eliasson mit dem Lichtstrahl eines langsam rotierenden "Mono scanners" den sanft verdunkelten Raum abtastet, durch Lichtbrechungen Ecken und Kanten fokussiert, die man sonst nie beachtet hat. Hier verweilt man ganz still, fast ein bisschen andächtig.

Eine Reverenz an den Raum von monumentaler Art ist Thomas Rentmeisters Groß-Skulptur aus verzinkten Lüftungskanälen, die sich über den Boden bis hinauf zum Glasdach schlängelt. Eine Arbeit wie ein riesiger Fingerzeig auf das verborgene Innenleben der Wände und auf die sichtbare (neue) Architektur.

Noch größer in den Ausmaßen ist Michail Pirgelis’ Rauminstallation aus den Metallplatten alter Flugzeugböden, die man, zu Wänden aufgestellt, wie abstrakte Bildtafeln umlaufen kann. Einen "modernen Archäologen" nennt sich Pirgelis, der sein Material auf einem Flugzeug-Friedhof in der Mojave-Wüste findet und dessen Arbeiten – heute aktueller denn je – auch das "Ende des Traums vom Fliegen" verkünden.

Fast zart wirken im Vergleich dazu Nevin Aladags teils von der Decke herabhängende Makramé-Arbeiten, deren ornamentale Strukturen im Kontrast zu den Materialen – Datenkabel und Drähte – stehen, aus denen sie geknüpft sind. Die Künstlerin verbindet hier spielerisch alte Kulturtechniken mit digitaler Kommunikationstechnik (jetzt auch in der Kunsthalle installiert) und verweist zugleich auf die Gefahren, die in der allumfassenden Vernetzung lauern.

Und die schöne Überraschung zum Schluss: Durch die Erschließung eines bislang nur als Lager genutzten Raums am Ende des Parcours wird nun die Symmetrie der Architektur im hinteren Teil sichtbar. Den neuen Raum hat Laure Prouvost wie einen übervollen Wintergarten eingerichtet, mit Pflanzen, Kühlschränken, einem Video, das der Schönheit der Welt ihre Zerstörung entgegensetzt. Ein Raum voll von Dingen und Geschichten – und das Kontrastprogramm zu einer ansonsten effektvoll minimalistisch bestückten, überaus spannend inszenierten Ausstellung: Kunst und Raum verschmelzen darin tatsächlich zu Erlebnisorten. Ein fulminanter Neustart!

Kunsthalle Nürnberg, Lorenzer Str. 32; Eröffnung heute, 18 Uhr. Bis 19. Januar, Di.-So. 10-18, Mi. bis 20 Uhr.

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