"Die Puppenspieler": Fackeltanz in der Fugger-Zeit

20.12.2017, 14:11 Uhr

© Foto: ARD Degeto/Ziegler Film/Václav Sadílek

Der Zweiteiler wird nach Weihnachten im Ersten ausgestrahlt werden, einige Appetithäppchen waren bereits beim BR-Filmbrunch in München zu sehen. Hier beantwortete Tanja Kinkel auch unserem Redakteur Sebastian Linstädt einige Fragen.

NZ: Frau Kinkel, wann ist der Roman "Die Puppenspieler" entstanden und was war seine Entwicklungsgeschichte?

Tanja Kinkel: Das Buch ist tatsächlich schon 22 Jahre alt, es war mein dritter Roman. Auf die Idee kam ich auf der Rückfahrt von der Frankfurter Buchmesse in meine Heimatstadt Bamberg. Ich saß nicht selbst am Steuer, es war sowieso mal wieder Stau, und – ich weiß selbst nicht recht weswegen – plötzlich begann ich über die Renaissance nachzudenken. Mir kam die Idee einer fiktiven Figur als Bindeglied zwischen mehreren Aspekten dieses Zeitalters, das sich ja durch die Wiederkehr humanistischer Ideale einerseits, aber auch durch den Höhepunkt der Hexenverfolgung in Europa auszeichnete.

NZ: Die Hexenverbrennung als Massenereignis war – im Gegensatz zur landläufigen Meinung – ja kein mittelalterliches Phänomen . . .

Kinkel: Nein, sie fand sogar ganz überwiegend in der Renaissance und im Barock statt! Durch meine fiktive Figur "Richard" – dessen gebildete Mutter als Hexe verbrannt wird und der schließlich in der Obhut des mächtigen Jakob Fugger landet – konnte ich diese Aspekte verbinden. Und es gelang, die Fugger mit den Medici und den Borgia in Kontakt zu bringen. Das war die Grundidee der "Puppenspieler", aus der sich dann der Roman entwickelt hat.

NZ: Wie gestaltete sich die Recherche zu dem Buch?

Kinkel: Ich war in der Lage, ohne Problem zu einem der drei Haupthandlungspunkte zur Recherche zu gelangen, nämlich nach Augsburg. Nur ist dort im Krieg leider viel zerstört worden. Es war deswegen wesentlich wichtiger, sich Stadtbeschreibungen und Pläne aus der damaligen Zeit zu besorgen. Ich war auch in Rom – Jahre, bevor ich dort mein Stipendium absolvierte – und habe dazu geforscht. Ich wollte Richard im Buch das Forum Romanum begutachten lassen, musste aber feststellen, dass das zu seinen Lebzeiten noch gar nicht wieder ausgegraben war. In Florenz ist jedoch noch sehr viel aus der Renaissance erhalten. Übrigens hat sich viele Jahre später herausgestellt, dass die Handlungsorte ein Hauptkostenfaktor der Verfilmung sein würden – deswegen hat sie auch so lange auf sich warten lassen . . .

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NZ: Ab wann gab es denn konkrete Pläne, das Buch zu verfilmen?

Kinkel: Die Filmrechte wurden bereits 2003 erworben. Dann aber auch einen Film zustande zu bekommen, scheiterte wie gesagt sehr lange an den Kosten. Dann kam Barbara Thielen von der Produktionsfirma Ziegler Film in München auf die Idee, nicht in Italien zu filmen und auch kein historisches Augsburg nachzuempfinden, sondern in Prag zu drehen und Außendrehs in die tschechische Umgebung zu versetzen.

NZ: Wie können Sie als penibel recherchierende Autorin mit diesem Kompromiss leben?

Kinkel: Im Fall der "Puppenspieler" gab es, um ganz ehrlich zu sein, bereits beim Schreiben den ein oder anderen Kompromiss, den ich eingegangen bin. Die Ereignisse, die sich eigentlich über einen Zeitraum von gut 20 Jahren erstrecken, habe ich in diesem Roman auf ein Jahrzehnt verdichtet. Normalerweise mache ich das nicht, aber in diesem Fall wollte ich einen Entwicklungsroman für die Hauptfigur schreiben. Und das ließ sich innerhalb eines Jahrzehnts viel besser machen.

NZ: Und wie betrachten Sie nun die Kompromisse hinsichtlich der Verfilmung?

Kinkel: Dazu kann ich noch nichts sagen, denn ich habe heute zum ersten Mal etwas zu sehen bekommen – abgesehen von den Tagen, bei denen ich am Dreh dabei war. Die Entstehung der Szene um den Fackeltanz der weiblichen Hauptfigur Saviya durfte ich miterleben. Es ist eine opulent ausgestattete Szene und zentral für den Film, weil Richard in diesem Moment begreift, dass er in Saviya verliebt ist. Ich bin natürlich davon ausgegangen, dass das eine Stuntfrau übernimmt. Aber die junge Schauspielerin Helen Woigk hat es selber getanzt – und das war wirklich beeindruckend. Ich kann nur sagen, es ist deutlich leichter zu schreiben als es dann vor laufender Kamera umzusetzen. Andererseits waren in dem Trailer auch Szenen, die ich nicht geschrieben habe, aber das habe ich nicht anders erwartet.

NZ: Warum?

Kinkel: Jede Verfilmung ist eine andere Erzählweise als ein Roman. Ein Drehbuchautor erzählt schon ganz anders – und dann kommt die Verfilmung dazu, die nochmal ganz andere Dinge mit hineinbringt.

NZ: Gibt man als Autor denn den Stoff komplett aus der Hand – oder wurden Sie bei der Verfilmung hinzugezogen und um Rat gebeten?

Kinkel: Sie haben mich ganz am Anfang des Prozesses gefragt, ob ich das Drehbuch mitschreiben möchte. Ich habe mich dann bewusst dagegen entschieden. Ich habe diese Geschichte auf meine Weise erzählt – ich kann sie nicht noch einmal auf eine andere Weise erzählen. Gerade weil ich selbst bei der Drehbuchwerkstatt hier in München war, weiß ich nur zu gut, dass es eine komplett andere Erzählweise ist – die eine Verfilmung ja auch notwendig macht. Nun werde ich also den fertigen Zweiteiler sehen wie jeder andere auch.

NZ: Sind Sie mit der Lösung der TV-Verfilmung als Zweiteiler glücklich?

Kinkel: Ja durchaus – ich wäre auch mit einem Zwölfteiler glücklich gewesen (lacht). Ich denke nicht, dass man den Stoff, der sich ja doch auf über 600 Romanseiten erstreckt, in einen nur zweistündigen Film verdichten kann.

NZ: Können Sie sich vorstellen, mal etwas ausschließlich für das Fernsehen zu schreiben?

Kinkel: Ja, warum nicht? Ich habe bereits Drehbücher geschrieben. Aber ich habe ja auch noch weitere 20 Romane zu bieten . . .

Der Zweiteiler "Die Puppenspieler" wird nach den Feiertagen in der ARD ausgestrahlt: Der erste Teil "Aus dem Feuer!" am 27.12., der zweite Teil "Ans Licht" am 29.12., jeweils um 20.15 Uhr.

Zum Inhalt: Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof erarbeiteten aus Tanja Kinkels Romanvorlage ein Drehbuch, das der Regisseur Rainer Kaufmann ("Die Apothekerin") umsetzte. Erzählt wird die Geschichte des jungen Klosterschülers Richard (Petr Cemper/Samuel Schneider), der nach dem gewaltsamen Tod seiner Mutter auf dem Scheiterhaufen in der Obhut des mächtigen Augsburger Kaufmannes Jakob Fugger (Herbert Knaup) landet. Von ihm lernt Richard auf Reisen nach Florenz und Rom, die Fäden der Macht erfolgreich zu ziehen.

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