Düsterer Franken-"Tatort": Kommissare am Abgrund

15.4.2018, 21:45 Uhr
Düsterer Franken-

© Das Erste

Das fränkische Ermittler-Team um Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) hat bislang drei erfolgreiche Einsätze gefahren. Nach dem gefeierten Auftakt vor mittlerweile vier Jahren und einer damit verbundenen sensationellen Einschaltquote folgten zwei weitere, ebenfalls sehr liebevoll inszenierte und feinsinnig erzählte, Geschichten mit teils großem Bezug zur Realität.

Während der gesamte Stab gerade in und um Bayreuth herum weilt und Ringelhahn, Voss & Co dort unter der Regie von Sebastian Marka "Tatort" Nummer fünf drehen, strahlt Das Erste nun mit "Ich töte niemand" den im vergangenen Oktober inszenierten vierten Fall von Ringelhahn (Menzel) und Voss (Hinrichs) aus. Nach "Der Himmel ist ein Platz auf Erden", "Das Recht, sich zu sorgen" und "Am Ende geht man nackt" besitzt der neue Krimi abermals einen Titel mit einem zutiefst poetischen Charakter, so dass man wieder annehmen könnte, er sei dem Arthouse-Kino entliehen.

In "Ich töte niemand" feiern die menschlichsten aller deutschen "Tatort"-Ermittler, die so behutsam miteinander umgehen, so gut aufeinander achtgeben, und hin und wieder gar den Eindruck erwecken, auf eine gewisse Weise miteinander seelenverwandt zu sein, die Wiedervereinigung mit ihrem dramaturgischen Erschaffer Max Färberböck und dessen Entourage. Denn für Regie, Buch und Kamera zeichnet sich exakt dasselbe Team verantwortlich wie beim ersten Franken-"Tatort".

Dass Färberböck sein Handwerk versteht, hat er oft bewiesen. Zu den wohl berühmtesten Werken des Oberbayers gehört sicherlich die mit dem Silbernen Bären und anderen Preisen hoch dekorierte Produktion Aimée & Jaguar. In seinem zweiten ausgesprochen düsteren Franken-"Tatort" schickt der Regisseur und Autor seine Protagonisten auf eine Achterbahn der Gefühle und stellt ihnen im Verlauf seiner detailversessen inszenierten Geschichte, die er mit vielen Parallelmontagen zu erzählen vermag, zahlreiche Hürden in den Weg.

Brutaler Doppelmord

Die zwei mit der Einsamkeit verheirateten Ermittler müssen sich diesmal mehr stützen, mehr aufeinander achtgeben als je zuvor. Beide laufen Gefahr, "zu tief in die Dinge hineinzuschauen". Dabei riet Ringelhahns Ausbilder ihr damals doch, eben das zu vermeiden. Sonst sähen die Dinge zurück und zögen einen mit in den Abgrund. Hinein in diesen rabenschwarzen Raum, wie Voss ihn während einer Autofahrt mit seiner Kollegin treffend bezeichnet.

Die äußerst dunkle Tour de Force beginnt mit der brutalen Ermordung eines libyschen Geschwisterpaares vor den Toren Nürnbergs und findet im plötzlichen Verschwinden des gemeinsamen Ziehsohns Ahmad (Josed Mohamed) ihre Fortsetzung. Die Kommissare stehen vor einem Rätsel. Lange ist unklar, ob es sich um eine Familientragödie handelt, um einen Raubmord oder eine reine Bluttat.

Als kurze Zeit später der ehemalige Polizist Frank Leitner, ein guter Freund aus Paula Ringelhahns Vergangenheit, bei einem Verkehrsunfall zu Tode kommt, und ein im Haus der Libyer gefundenes Indiz beide Fälle zusammenbringt, verliert die Fahnderin zunehmend die Balance. Ähnlich verhält es sich bei Voss. Derart wütend und zornig trat der Ermittler bisher nicht in Erscheinung.

Taumelnde Fahnder

Die taumelnden Fahnder müssen demzufolge all ihre Kräfte bündeln, um in diesem ästhetischen Krimi, der die darin vorkommenden Grausamkeiten nie voyeuristisch und rücksichtslos dokumentiert, nicht zu Boden zu gehen. Regisseur Färberböck mutet seinen Protagonisten viel zu und verzichtet doch fast gänzlich auf das pure Ablichten von Brutalität. Dadurch bezieht sein Film jegliche Härte aus den Dialogen heraus, was die Gesamtschärfe von "Ich töte niemand" keineswegs mildert.

So avanciert der mit melancholischen Pianomelodien von Ólafur Arnalds veredelte und in stimmungsvolle dunkle Farben getauchte vierte Fall des Duos Ringelhahn/Voss zur bislang besten, am tiefsten gehenden, fränkischen "Tatort"-Episode. Einer Episode über Gewalt, die Pervertierung von Moral und zwei Familien, die sich gegenseitig Stück für Stück in den Abgrund reißen. Hinein in diesen rabenschwarzen Raum.

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