Eckart von Hirschhausen lässt sich öffentlich impfen

1.2.2021, 14:15 Uhr
Eckart von Hirschhausen lässt sich öffentlich impfen

© Bilderfest GmbH, dpa

Herr von Hirschhausen, warum haben Sie sich für eine Dokumentation als Corona-Impfproband zur Verfügung gestellt?

Eckart von Hirschhausen: Als Arzt in der Kinderheilkunde habe ich schon vor 25 Jahren erlebt, was für ein Segen wirksame Impfungen sind. Seitdem verfolge ich die Diskussionen, bin in Gremien, begleite Kongresse und bin erschüttert, wie hartnäckig sich Mythen halten. Deshalb habe ich überlegt, was mein Beitrag sein könnte, damit wir den Impfstart in Deutschland nicht durch Wissenslücken und Misstrauen in den Sand setzen.

Einsatz gegen falsche Impf-Mythen

Sie wurden im Dezember geimpft. Hatten Sie Bedenken, dass man Ihnen einen zu der Zeit noch nicht zugelassenen Impfstoff verabreicht hat?

Eckart von Hirschhausen: Für einen Moment habe ich tatsächlich gezögert, denn logischerweise ist ein Impfstoff, den es schon 20 Jahre gibt, besser verstanden als ein neuer. Deshalb habe ich mit vielen Fachleuten gesprochen, einige kommen auch im Film vor wie Frau Professorin Marylyn Addo, eine der weltbesten Infektiologinnen und selber Studienärztin. Volker Stollorz vom Science Media Center ist dabei, Karl Lauterbach, der sich exzellent mit den aktuellen Studien auskennt, und auch Cornelia Betsch, die Expertin ist für Impfkommunikation.

Sie haben an der Uniklinik Köln das gesamte Procedere der Impfung vom Vorgespräch bis zur Nachuntersuchung durchlaufen. Wie war’s?

Eckart von Hirschhausen: Die Aufklärung an der Uni Köln für alle Studienteilnehmer durch die Professorin Clara Lehmann war sehr gut. Alle haben mir den Prozess erklärt und mit bestem Wissen und Gewissen zugeraten. Ich konnte zu jedem Zeitpunkt Nein sagen. Habe ich aber nicht.


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Wissen Sie, ob Sie mit einem richtigen Corona-Impfstoff oder einem Placebo behandelt wurden?

Eckart von Hirschhausen: Nein, das weiß ich nicht. Das weiß auch die Ärztin nicht, die mich geimpft hat. Ich weiß nur meine Nummer: ich bin Proband 20. Das Prinzip der sogenannten doppelten Verblindung, bei der weder der Patient noch der Arzt wissen, welche Substanz verabreicht wird, ist wichtig, weil viele „Nebenwirkungen“ allein deshalb erlebt werden, weil man vermehrt auf seinen Körper achtet.

Gab es denn bis heute irgendwelche Nebenwirkungen oder Nachwirkungen?

Eckart von Hirschhausen: Ich habe die letzten Wochen Schmerzen an der Schulter und am Oberarm, recht lästig und häufig, nennt sich „frozen shoulder“. Die hatte ich auch schon vor der Impfung. Wären die Schmerzen aber zeitlich nach der Impfung aus dem Nichts aufgetaucht, hätte ich sofort die Impfung verdächtigt, dafür ausschlaggebend zu sein.

Um solche falschen Zuweisungen zu vermeiden, gibt es drei wichtige Prinzipien bei Studien: möglichst viele Leute, Zufallsverteilung in die Gruppen und Verblindung. Dafür mache ich ja die Sendung, damit viele verstehen, wieviel Aufwand, Detailarbeit und Professionalität hinter einer Studie steht. Außerdem bin ich doch besser zu 50 Prozent an einer guten Sache beteiligt als zu hundert Prozent an einer miesen, sprich einer ungeschützten Corona-Infektion.


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Empfehlen Sie den Zuschauern, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen?

Eckart von Hirschhausen: Ja, denn jeden Tag sterben Menschen, oft über 1000, das kann einen doch nicht kalt lassen. Viele haben nach einer durchgemachten Infektion Spätschäden mit Verlust des Geschmacksinns, neurologische Schäden bis zu anhaltender Mattigkeit – das will keiner. Um eine gute Entscheidung für sich zu treffen, müssen wir uns drei Fragen stellen: Was ist der Nutzen, was ist der Schaden und was passiert, wenn ich abwarte und erst mal nichts tue?

"Eine Impfreaktion ist keine Nebenwirkung"

Der Nutzen der Impfung ist glasklar belegt, ein extrem hoher Schutz vor schweren Verläufen von Covid-19, sogar höher als bei anderen Impfungen. Der „Schaden“ der Impfung ist auch ziemlich klar: zwei Tage mit Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl, Unwohlsein, so wie bei jedem anderen Infekt auch. Und wenn ich nichts tue, riskiere ich die Erkrankung plus die Tatsache, dass ich, bevor ich selber um meine Virenlast weiß, schon längst andere angesteckt habe, womöglich sogar meine Allerliebsten in meinem Umfeld.

Wie kann man Skeptiker überzeugen, zur Impfung zu gehen?

Eckart von Hirschhausen: Skepsis ist der Motor der Wissenschaft, deshalb gehört es zu einer ernstzunehmenden Kommunikation, auch Unsicherheiten zu benennen, wo sie bestehen. Und dagegen helfen keine Werbeplakate mit „Ärmel hoch“, wenn die Leute dann mit Ärmel oben lange warten müssen oder emotional die Klappe runter ist, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen. Mich nervt, wie fahrlässig mit Worten umgegangen wird.

Eckart von Hirschhausen lässt sich öffentlich impfen

© Donal Husni, dpa

Eine Impfreaktion ist keine „Nebenwirkung“, sondern zeigt, dass der Körper tut, was er tun soll: sein Immunsystem aktivieren. Das ist die Hauptwirkung einer Impfung und völlig unschädlich. Klar kann man nach ein paar Monaten noch nicht wissen, was möglicherweise die Langzeitschäden sein könnten, aber auch dafür gibt es einen klaren und transparenten Prozess, damit nichts übersehen wird. Jeder kann direkt beim Paul-Ehrlich-Institut auf der Seite seine unerwünschten Reaktionen melden.

Warum ist Impfen ein sensibles Thema?

Eckart von Hirschhausen: Viele Menschen mögen keine Spritzen. Da hatte es die Schluckimpfung auf einem Zuckerwürfel einfacher. Viele haben Angst, dass die Spritze ihre körperliche Integrität verletzt. Es geht uns buchstäblich etwas unter die Haut. Wir vergessen dabei, dass jeder Atemzug unsere körperliche Integrität verletzt. Wir atmen ständig Feinstaub, Krankheitserreger und jede Menge fremder Erbinformationen ein.


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Jedes Stück Fleisch und jedes Stück Gemüse enthält jede Menge DNA. Unserem Immunsystem ist es relativ egal, auf welchem Weg ein Erreger oder der Bauplan für einen Teil des Erregers – und genau das ist ja die mRNA-Impfung – in Kontakt mit uns kommt. Für den Lymphknoten, in dem das Abwehrsystem seine Zellen trainiert, ist es unerheblich, ob etwas im Blut, über die Lunge oder über den Oberarmmuskel angeliefert wurde.

Deshalb macht die Impfung im Kern lediglich aus einem zufälligen Vorgang, dass jemand mir seine Aerosole zuhustet, einen gezielten, planbaren und sicheren Vorgang. Ich weiß, was mir lieber ist! Aber ich verstehe auch, dass Menschen Angst haben, wenn ihnen das so noch niemand erklärt hat.

Der Impfstart in Deutschland gestaltete sich holprig. Wie bewerten Sie als Mediziner diese Anlaufschwierigkeiten?

Eckart von Hirschhausen: Eines möchte ich klarstellen: Es ist eine Sensation, dass wir bereits so schnell Impfstoffe haben, mit voller Zulassung nach allen Regeln, keine Notzulassung wie in anderen Ländern. Aber wie alle wissen, reichen die Kapazitäten nicht. Deshalb brauchen wir noch ganz viele neue Impfstoffe, auch welche, die für Länder ohne viel Geld funktionieren. Wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, mache ich das gern und halte zweimal meinen Arm hin.

Wann, glauben Sie, sind wir aus dem Gröbsten raus?

Eckart von Hirschhausen: So gerne ich diese Frage beantworten würde – das kann ich nicht. Ich weiß nur: Die Hoffnung auf die Impfung darf nicht dazu führen, dass wir leichtsinnig werden, bis alle geimpft sind. Also: Hoffnung ja, aber nur gepaart mit viel Geduld.

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