Eigentlich hieß sie ja Barbara

12.11.2008, 00:00 Uhr

Eigentlich hieß sie Barbara. Den Namen Caritas erhielt sie erst beim endgültigen Gelübde. Dass sie es zu so hohem Ruhm unter den Humanisten brachte, verdankt Schwester Caritas allerdings nicht allein ihren Geistesgaben, sondern ihrem Bruder: dem hochgebildeten Willibald Pirckheimer (1470- 1530), der Italien bereiste und allen Genüssen des Lebens frönte, während seine Schwestern im Kloster kargten.

Willibald pflegte Kontakt zu den führenden Künstlern (Dürer) und Geistesgrößen (Erasmus von Rotterdam) seiner Zeit, und vermittelte diese Kontakte auch zu Caritas. Die war inzwischen nicht irgendeine Nonne, sondern Äbtissin. Allerdings darf man sich diesen Kontakt sehr begrenzt vorstellen, nämlich nur per Brief. Kam doch einmal ein persönliches Gespräch zustande (wie etwa mit Conrad Celtis), so plauderte man am Redefenster des Klosters, wobei man sich nicht einmal ins Gesicht sehen konnte.

Allzu viel vom Lebenslauf der Caritas, vormals Barbara Pirckheimer, ist nicht bekannt. Sie kam am 21. März 1467 in Eichstätt zur Welt als ältestes von zwölf Kindern. Ihr Vater war Sekretär des Bischofs von Eichstätt. Nur eine ihrer Schwestern ging eine Ehe ein, alle anderen gingen ins Kloster. Wobei der Klosteraufenthalt zunächst nur die Schule ersetzte, bzw. eine höhere Bildung erst ermöglichte. Mit zwölf Jahren ging Barbara ins Nürnberger Klarakloster, mit 36 Jahren übernahm sie ihre Verantwortung als Äbtissin.

Doch nicht ihre gelehrten Schriften erhielten die Erinnerung der Nachwelt an Caritas aufrecht, sondern ihr Beharrungsvermögen während der Reformation, was sie selbst in den «Denkwürdigkeiten» dokumentierte. Als 1525 der Rat der Stadt Nürnberg sich der Reformation anschloss, löste er als erstes die Klöster auf und verleibte deren Vermögen dem Stadtsäckel ein.

Dem Volk war es recht, denn zahlreiche Klöster hatten sich längst vom hehren Grundsatz des ora et labora entfernt; Kleriker ließen sich von den Bauern aushalten, und der Volksmund dichtete ohnehin Mönchen und Nonnen priapische Ausschweifungen an (ergötzliche Kapitel hierzu finden sich bereits im «Decameron» von Bocaccio).

Caritas Pirckheimer widersetzte sich dem Ansinnen des Rates, ihr Kloster aufzulösen. Bei theologischen Disputen konnte kein Stadtrat der redegewandten Äbtissin das Wasser reichen. Die Situation eskalierte, als 1525 einige Eltern die Herausgabe ihrer Töchter erzwangen. Man sollte meinen, diese wären Mama und Papa freudestrahlend entgegengerannt, froh den Klostermauern zu entrinnen. Das Gegenteil war der Fall. Es gab Geheul, Geschrei und Ohrfeigen.

In der Literatur über Caritas Pirckheimer ist die Tendenz auffällig, die Äbtissin als katholischen Fels in der protestantischen Brandung, ja beinahe als Gegenreformatorin auszuweisen. Dazu sollte man bedenken, dass Caritas bei Ausbruch der Reformation bereits 58 Jahre alt war. Kein Alter, in dem man seine geistliche Weltanschauung komplett umkrempelt. Auch war sie der Auffassung, dass Missstände und theologische Verirrungen der Kirche nur durch die Kirche selbst bereinigt werden könnten. Eine Einzelperson wie Martin Luther habe hierzu aber nicht das Recht. Darum erschien Luther ihr als Ketzer.

Ironischerweise war es Luthers rechte Hand Philipp Melanchthon, der die Situation entschärfte, mit Caritas disputierte und den Stadtrat ermahnte, niemand gegen seinen Willen aus dem Kloster zu holen. Das Klarissenkloster durfte weiterhin bestehen, jedoch keine Novizinnen mehr aufnehmen. Sein Absterben erstreckte sich über 70 Jahre. Die letzte Nonne segnete 1596 das Zeitliche. Caritas Pirckheimer wurde 65 Jahre alt, 53 davon verbrachte sie im Kloster. Das war der Preis, den sie als Frau für ihre hohe Gelehrsamkeit zahlen musste. Reinhard Kalb

Heute um 15 Uhr findet im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus (Königstraße 64) ein Vortrag zum Thema «Kirche und Frömmigkeit der Caritas Pirckheimer» statt. Referent des Vortrags mit dem Titel «Herbstliche Blüte und gespannte Unruhe» ist Karl Schlemmer.

Keine Kommentare