Erfundene Lebensläufe

8.11.2019, 13:05 Uhr
Erfundene Lebensläufe

© Foto: privat

Sprachverspielt, experimentell, doppelbödig, vielschichtig, lustig, fordernd und grenzüberschreitend. "Das wären vielleicht so ein paar Adjektive", sagt Philip Krömer auf die Frage nach seinen Schreibstil. Und er klingt dabei wie jemand, der über diese Frage gerne nachdenkt, aber ungern Antworten dazu gibt. "Man hat mir oft nachgesagt, einen sehr individuellen, speziellen Stil zu haben, den so niemand betreibt."

Diese Stimmen dürften wieder lauter werden. Denn der 31-Jährige veröffentlichte gerade sein neues Buch "Ein Vogel ist er nicht", eine Sammlung von neun Umschreibungen, wie es auf dem Cover heißt. Mit der Kunst des Fabulierens macht sich der gebürtige Amberger Krömer in kurzen Stücken über verschiedene historische Persönlichkeiten her.

Vincent van Gogh, Edgar Allan Poe oder Kaiserin Sisi bekommen von ihm neue Biographien, neue Leben geschenkt. Mal phantastisch, mal absurd. Immer sprachlich außergewöhnlich, immer fesselnd vom ersten Wort. Kurzgeschichten epischer Schönheit.

"Es sind historische Wahrheiten. Umgedichtet. Ich schreibe Alternativen", sagt Krömer, der in Erlangen Literatur- und Buchwissenschaften studierte und heute in der Hugenottenstadt lebt. "Mein großes Interesse ist, Geschichten zu schreiben und Geschichte, wie wir sie aus den Geschichtswerken kennen, zu variieren, Möglichkeiten auszutesten und Leerstellen auszufüllen."

Welten erschaffen

Bereits mit 14 Jahren fing Krömer mit dem Schreiben an. "Das darf man aber nicht offiziell zur Schriftstellerei rechnen." 2011 entstand dann die erste Geschichte, die ihn selbst überzeugte. "Davor war Geplänkel." Obwohl er damals wusste, dass Schreiben das ist, was er machen möchte. Für Film und Musik fehlte die Geduld, für ein Handwerk das Talent. Aber er wollte erschaffen. Welten, Figuren, Geschichten.

So gab es nur den Werdegang zum Autor. Und Perfektionisten: "Fertig ist man nie. Du kannst immer noch etwas verbessern. Du kannst eine Ewigkeit damit verbringen, zwei Zeilen zu perfektionieren." Mehrere Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften folgten. Sowie die Auszeichnung mit dem Preis der taz-Publikumsjury beim 23. open mike 2015 in Berlin.

Mit "Ymir" veröffentlichte Krömer 2016 einen beeindruckenden Debütroman im von ihm mitgegründeten homunculus Verlag. "Wir brauchten einen jungen Autor, der ein interessantes Buch hat und nicht so viele Ansprüche stellt." Zudem wollten die Verleger ihre Naivität keinem fremden Schriftsteller zumuten. So kam "Ymir" auf den Markt. Und unter die 30 Kandidaten für die Hotlist 2016, einen der wichtigsten Preise für unabhängige Verlage in Deutschland. Ein Erfolg. Für Autor wie Verlag.

Zahlreiche Rezensionen in Literaturblogs und Zeitungen folgten damals. Vor allem gab es Lob. "Aber eine Rezension hat gesagt: Philip Krömer will zu viel. Das habe ich persönlich genommen", so Krömer. "Zu viel kann man nicht wollen. Vor allem nicht beim Schreiben." Und das muss der Autor am besten wissen.

Philip Krömer: Ein Vogel ist er nicht. Neun Umschreibungen. Topalian & Milani 2019, Hardcover, 224 Seiten, 24 Euro.

Verwandte Themen


Keine Kommentare