Ernste Musik ist eine lustige Sache

17.3.2011, 00:00 Uhr
Ernste Musik ist eine lustige Sache

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In „Toi, toi, toi!“ beschäftigt er sich mit „Pannen & Katastrophen in der Musik“. Zeitgleich erschien sein jüngstes Album, das er dem Weltklasse-Geiger und Brahms-Intimus Joseph Joachim (1831-1907) widmete. Darauf befindet sich auch das g-Moll-Konzert von Max Bruch, mit dem Hope am 10. April in der Erlanger Lades-Halle gastieren wird.

Mister Hope, Ihre Hommage an Joseph Joachim, dem wohl wichtigsten Geiger der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist ein ziemlicher Parforce-Ritt geworden: Solokonzert, Kammermusik vom „Ungarischen Tanz“ bis zu Dvoráks „Humoresque“ und sogar ein von Anne-Sofie von Otter gesungenes Brahms-Wiegenlied. Hat Sie Ihre Plattenfirma mit diesem Programm für verrückt erklärt?

Daniel Hope: (lacht) Nein, hat sie nicht, weil sie wusste, dass ich mit dem Joachim-Projekt schon einige Zeit schwanger gehe. Im Gegenteil: Die Deutsche Grammophon ließ mir ganz bewusst freie Hand. Kaum ein Komponist jener Zeit wurde nicht durch Joachim beeinflusst. Bruch hat das g-Moll-Konzert mit seiner Hilfe überarbeitet, Brahms hätte ohne ihn nie sein Violinkonzert schreiben können. Und so passt das doch alles sehr gut zusammen.

Sie haben sich intensiv mit Barock und Klassik auseinandergesetzt. Jetzt sind Sie in der späten Romantik angelangt. Ist das nicht ein ungeheuer schwerer geigerischer Dreisprung?

Hope: Gar nicht. Sie müssen sich mal den Spaß machen, auf Youtube die späten Joachim-Aufnahmen anzuhören, die um 1904 und 1905 herum entstanden sind — Bachs g-Moll-Adagio zum Beispiel. Da werden Sie merken, dass Joachim, der uns heute als Inbegriff eines satten, spätromantischen Klangmagiers gilt, beinahe völllig vibratolos spielte. Ich kenne diese Aufnahmen seit ich acht oder neun Jahre alt bin. Im Gegensatz zu vielen Violinschulen, die um 1900 entstanden sind, finden sich bei Joachim kaum Portamenti, jene schleifenden Verzierungen, die größere Intervalle „auffüllen“ sollen. Hochinteressant ist der Briefwechsel zwischen Brahms und Joachim, wo es viel um das Werk, aber eben auch um sehr Persönliches geht. Joachim hat Brahms eigentlich nie verziehen, dass der sich während des heftigen Rosen- und Scheidungskriegs auf die Seite von Joachims Ehefrau Amalie Schneeweiß geschlagen hatte. Wie übrigens auch Max Bruch.

„Familienstücke“ ist zusammen mit Susanne Schädlich entstanden, nun haben Sie mit NDR-Ikone Wolfgang Knauer, dem langjährigen Kulturchef des Senders, zusammengearbeitet. Brauchen Sie einen Ghostwriter?

Hope: Nicht wirklich. Aber Wolfgang Knauer, der Vater meines ständigen Pianisten Sebastian Knauer, weiß einfach so unendlich viel. Er gab mir Tipps, hat eine Menge Material besorgt und formuliert wie gedruckt. Ich hatte eher das Problem, dass ich das Buch am Ende sprachlich wieder auf Hope-Format trimmen musste.

Obwohl Sie perfekt Deutsch sprechen, ist Englisch ihre eigentliche Muttersprache. Sie sind in Südafrika geboren und in London aufgewachsen: haben Sie nun einen südafrikanischen oder einen britischen Pass?

Hope: Weder noch: Ich habe einen irischen Pass. Mit dem hatte man seinerzeit als Ausländer ein längeres Aufenthaltsrecht in Großbritannien.

In Ihrem neuen Buch arbeiten Sie ganz haarsträubende Geschichten auf. Haben Sie die alle selbst erlebt?

Hope: Natürlich nicht. Viel habe ich von Mit-Künstlern erfahren. Sting erzählte mir zum Beispiel von einer Fernsehübertragung der BBC-Proms, während der ein Solist zusammenbrach und weggetragen werden musste. Sekunden später meldete sich ein junger Konzertbesucher, der behauptete, er könne die Partie zu Ende singen. Tatsächlich entpuppte der sich als Gesangsstudent, der den Tenorpart wirklich drauf hatte und vom Publikum frenetisch gefeiert wurde.

Und an welchen „Störfall“ erinnern Sie sich persönlich am liebesten?

Hope: Ich glaube, ich war acht Jahre alt, als mich meine Eltern in ein Konzert in der Cadogan Hall in London mitnahmen. Dort sollte Giuseppe Sinopoli das Royal Philharmonic Orchestra dirigieren. Unmittelbar vor Beginn ging die rechte vordere Seitentür auf und ein Herr in einem weißen Kaschmir-Seidenanzug kam rein. Der fing an, alle Musiker persönlich zu begrüßen. „Hi guys“ rief er ihnen zu. Alle Blicke richteten sich auf den geräuschvollen Auftritt von Lenny Bernstein und niemand merkte, dass Sinopoli längst das Podium betreten hatte...

Daniel Hope: „Toi, toi, toi! — Pannen & Katastrophen in der Musik“, Rowohlt-Verlag, Reinbek, 192 Seiten, 17,95 Euro.

Aktuelle CD: „The Romantic Violinist – A Celebration of Joseph Joachim“ mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra (Deutsche Grammophon)

Konzert in Erlangen : 10. April, 19 Uhr; Kartentel.: 09131/22195.