Esther Vilar zu Gast in Nürnberg

19.2.2009, 00:00 Uhr
Esther Vilar zu Gast in Nürnberg

© Aslanidis

Geboren wurde Esther Vilar 1935 in Buenos Aires, doch ihre Kindheit verbrachte sie in Nürnberg. Und das kam so: Ihre Eltern wanderten kurz nach der Machtübernahme Adolf Hitlers nach Argentinien aus. Der Vater stammte aus einer Erlanger Familie mit jüdischen Wurzeln und schlug sich in Buenos Aires zunächst als Stehgeiger in verschiedenen Cafés durch, bevor er eine Anstellung als Gutsverwalter auf einer Hazienda fand. Die aus Nürnberg stammende Mutter fühlte sich im südamerikanischen Exil nicht wohl und kehrte kurz nach der Geburt ihrer kleinen Tochter in ihre alte Heimat zurück. Eine Entscheidung, die damals in der Familie niemand so recht nachvollziehen konnte.

Kindheit in Ziegelstein

Die Nazis hatten Deutschland im Griff, Adolf Hitler erklärte Nürnberg zur Stadt der Reichsparteitage und zettelte 1939 den Zweiten Weltkrieg an. Esther Vilar wohnte mit ihrer Mutter in Ziegelstein. In ihren Kindheitserinnerungen spielen nicht nur die ersten Schulerfahrungen, sondern auch die Nürnberger Bombennächte eine große Rolle. Sie kann sich gut erinnern, wie sie bei Fliegeralarm in den Ziegelsteiner Hochbunker gebracht wurde. «Es ist ein Riesenglück, dass uns nichts passiert ist«, sagt die Schriftstellerin heute. «Meine Mutter arbeitete damals in einer Nürnberger Firma, die stark durch Bombenangriffe beschädigt wurde.«

Nach Kriegsende verließen Mutter und Tochter die zerstörte Stadt und gelangten mit einer Hilfsorganisation wieder nach Argentinien, wo sich der Vater inzwischen heimisch fühlte. Doch wenig später ging die Beziehung der Eltern endgültig in die Brüche. Esther Vilar brachte ihre Schulzeit in Buenos Aires zu Ende und studierte dort nach dem Abitur Medizin. Als sie 24 Jahre alt war, bekam sie ein Stipendium für Deutschland und hängte ein Soziologie-Studium an. 1959 entschloss sich auch ihre Mutter, nach Nürnberg zurückzukehren, wo sie seitdem lebt. In ein paar Monaten wird sie 100 Jahre alt.

Regelmäßig in Nürnberg

Auch Esther Vilar, die nach Stationen in Spanien und Irland heute in London wohnt, ist in all den Jahren regelmäßig in Nürnberg zu Besuch gewesen. Allerdings hat sie das nie an die große Glocke gehängt. Und öffentlich aufgetreten ist sie in der Stadt so gut wie nie. Auch nicht zur der Zeit, als sie mit ihrer Streitschrift «Der dressierte Mann« einen Skandal und insbesondere die Frauenbewegung provozierte. Als Gegenspielerin der «Emma«-Herausgeberin Alice Schwarzer sorgte sie in den siebziger Jahren immer wieder für Schlagzeilen. Das Buch wurde zum internationalen Bestseller, brachte der Autorin aber auch eine Menge Ärger ein. Sogar Prügel und Morddrohungen von militanten Feministinnen bekam Esther Vilar, die sich daraufhin wieder ins Ausland absetzte.

Obwohl Esther Vilar seitdem Dutzende von Büchern und Theaterstücken geschrieben hat, hängt «Der dressierte Mann« fast wie ein Fluch an ihr. An provokanten Themen hat es ihr nie gemangelt: Buchtitel wie «Die Antrittsrede der amerikanischen Päpstin«, «Der betörende Glanz der Dummheit« oder «Die 25-Stunden-Woche« sprechen für sich. «Ich glaube, dass ich oft mit meinen Themen einfach zu früh dran war, die Zeit war dafür noch nicht reif«, sinniert die Nonkonformistin rückblickend.

Obwohl sie Nürnberg sehr gut kennt, fühlt sie sich hier nicht zuhause. «Das ist schon eine seltsame Stadt, die sehr unter der Last der Geschichte zu leiden hat. Aber sie hat sich in den vergangenen Jahren sehr zu ihrem Vorteil verändert und ist viel weltoffener und moderner geworden.« Ungefähr alle zwei Monate kommt Esther Vilar ihre Mutter besuchen, die nun in einem Wohnstift am Tiergarten wohnt. Zur Premiere von «Speer« kam die erstaunlich rüstige alte Dame in die Kongresshalle. Aber sie wollte an diesem Abend im Hintergrund bleiben. Denn Mutter und Tochter haben ein Abmachung: Das Privatleben ist ihnen heilig.