Haus der Kunst zeigt Fotos von William Eggleston

28.2.2009, 00:00 Uhr
Haus der Kunst zeigt Fotos von William Eggleston

© Ausstellung

Woher kennt man das nur alles: Diese Schnellrestaurants mit billigen Metalltischen, die baumbestandenen Vorstadtstraßen mit Fertighäusern, diese Müllsäcke im Rinnstein, die auf den Fotos von William Eggleston zu sehen sind. Das Déjà-vu-Erlebnis ist natürlich kein Zufall. Schließlich haben die Bilder die der berühmte Fotograf seit den 60er Jahren schoss, das Bild mitgeprägt, das sich die Welt von Amerika macht. Denn Eggleston war der Erste, der den banalen Alltag der USA in der Fotografie thematisierte – nicht nur durch die Sujets, sondern zudem durch eine gewollt «alltäglich« anmutende Ästhetik, die auch Einfluss auf den Hollywood-Film hatte.

Beklemmende Traurigkeit

Aber diese ganzen Südstaaten-Motive, diese Tankstellen- und Thanksgiving-Tableaus, die im Kino oft mit affirmativer Vitalität ausgestellt werden, scheinen bei Eggleston hinterfangen von einer zarten, umso beklemmenderen Traurigkeit. Denn das ist das eigentliche Thema dieses Fotografen: Die Melancholie angesichts des zerplatzten «american dream«.

Geboren 1939 in Memphis als Spross einer Plantagenbesitzer-Familie, hatte der gerne dandyhaft auftretende Künstler die finanzielle Unabhängigkeit, die es ihm ermöglichte, mit herrschenden Konventionen zu brechen – etwa zur gleichen Zeit, als die Pop-Art banale Themen wie Comics oder Suppendosen entdeckte. Während künstlerische Fotografie bis dahin nur in edlem Schwarzweiß denkbar war, begann Eggleston, Farbbilder zu machen, die eigentlich als Domäne der Knipser galten. Die «vulgäre« Farbe enthüllte die Vulgarität der amerikanischen Wirklichkeit. Das wirkte noch 1976 schockierend, als Eggleston mit einer Ausstellung im MoMA quasi den Ritterschlag erhielt, die als «most hated show of the year« heftige Abwehrreaktionen auslöste.

«Democratic Camera« heißt die große Ausstellung im Münchner Haus der Kunst (der einzigen europäischen Station der Schau), die zeigt, wie dieser Fotograf mit einer Art «Schnappschussästhetik« die Magie des (vermeintlich) Zufälligen einzufangen versucht: Ungewöhnliche Bildausschnitte oder schräge Perspektiven prägen viele seiner Kompositionen. Da ist etwa ein Kinder-Dreirad von so tief unten aufgenommen, dass es Assoziationen an eine protzig aufragende Easy-Rider-Maschine weckt. Aber das Bild ist nicht bloß eine Parodie auf amerikanische Freiheits-Mythen. Mit seinem blassen Himmel und öden Parkplatz-Hintergrund strahlt es zugleich eine tiefe Tristesse aus.

Verblüffende Kontraste

Zu sehen ist in der Schau aber auch das berühmte Foto, das nur eine knallrote Zimmerdecke mit Glühbirne und weißen Kabeln zeigt. Die Verbindung scheinbar lebenspraller Farbigkeit mit einem Ausschnitt, der das Gefühl abseitiger Verlorenheit weckt, macht diese Aufnahme zu einem bildgewordenen Honkytonk-Blues.

Oft sind es solche verblüffenden Kontraste, die Egglestons Alltags-Ikonen auch auf der inhaltlichen Ebene ihre faszinierende Spannung verleihen. So etwa dem Bild, das einen alten Mann in einem eher ärmlichen Zimmer auf dem Bett sitzend darstellt. Das einzige, was nicht zu diesem gemütlichen Großvater-Porträt passen will, ist der schwere Revolver, den der Greis in der Hand hält...

Genauso interessant wie die Bilder ist ein Film über Eggleston, der im Foyer läuft: Dem Dokumentarfilmer Reiner Holzemer (der auch für das Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände arbeitete) gelang es als Erstem, an den zurückhaltenden Eggleston heranzukommen und ein wunderbar einfühlsames Porträt des Künstlers zu drehen. Eine Langfassung des sehenswerten Films zeigt das Bayerische Fernsehen am 1. März.