In der Haut des schwarzen Opfers

17.6.2011, 00:00 Uhr
In der Haut des schwarzen Opfers

© Traubenberg

Das Stück basiert auf der offenbar wahren Geschichte um den Afrikaner Angelo Soliman, der Ende des 18. Jahrhunderts im Wiener Hofadel landete, dann wegen seiner Heirat mit der umworbenen Witwe Magdalena angefeindet und wegen seiner Hautfarbe zunehmend angepöbelt und zuletzt ermordet wurde; seine Haut landete schließlich ausgestopft im Wiener Naturkundemuseum. Diesen an und für sich reichlich unappetitlichen Umstand nutzt nun Eva-Maria Höckmayr für ihre Würzburger Inszenierung und beweist, dass, wer Opfer von Ausgrenzung und Verfolgung wird, alle Individualität von vornherein verloren hat und auf äußere Kennzeichen reduziert wird: Für die Opferrolle reicht es, in der Haut eines Opfers zu stecken.

Dumpfes Draufschlagen

Deshalb teilen sich sieben Schauspieler sechs Rollen, in die sie abwechselnd schlüpfen, indem sie sich die dazugehörigen Riesenköpfe aufsetzen, während von der Decke Menschentorsi baumeln (Bühne und Kostüme: Angela Loewen). Mit dieser radikalen Ent-Individualisierung der Rollen zeigen Höckmayr und ihr Ensemble die enorme denkerische Plumpheit der Mechanismen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus: Es geht dabei gerade nicht um die Anfeindung einzelner, klar unterscheidbarer Menschen, um den Kampf der Uniformität gegen Individualität, sondern um das dumpfe Draufschlagen auf irgendein klar erkennbares äußeres Anderes, ohne dass man sich dann noch mit den menschlichen Inhalten dieses Anderen auseinander setzen müsste. Und so kann denn auch in Würzburg beispielsweise der schwarze Spieler Issaka Zoungrana einen Wiener Baron darstellen und der weiße Christian Taubenheim den schwarzen Zoowächter Leo: Sichtbar wird so die Austauschbarkeit des äußerlich Anderen zu Gunsten des Menschen dahinter.

Mit Verfremdungseffekten

Und weil diese mit allerlei Verfremdungseffekten hantierende zupackende Inszenierung die allgemeine Humanität so schön vor die verschiedenen kulturellen Hintergründe des Menschen stellt, geht sie noch einen Schritt weiter und lässt derlei Hintergründe vordergründig ablaufen: Untermalt wird die Handlung durch auf der Bühne gespielte und gesungene zeitgenössische europäische Musik und Weisen der schwarzen Mbira-Spielerin und Sängerin Virginia Mukwesha, eingesetzt werden auch die großgebärdigen Mittel des Straßentheaters, wie es in Gegenden vorherrscht, die nicht das Glück flächendeckender Versorgung mit Staats- und Stadttheatern haben.

Was für ein Glück das in der Tat ist, beweisen die Würzburger gerade dadurch, dass sie das drohende Ende ihres Hauses vor zehn Jahren mit konsequent zeitgenössischem, politischem, jungem Theater beantwortet haben.

Weitere Aufführungen: 18., 22., 24. und 29. Juni, 1., 5., 6., 8. u. 14. Juli. Kartentel.: 0931/3908124.