Jubel für «Der zerbrochene Krug» in Berlin

15.9.2008, 00:00 Uhr
Jubel für «Der zerbrochene Krug» in Berlin

© dpa

Heinrich von Kleists Lustspiel, eine der wenigen deutschen Komödien, gerät in Peter Steins genauer, nuancierter Regie bei sorgfältigster Entfaltung der Kleistschen Sprache und Aufhellung des historischen und moralischen Hintergrunds zum fast trostreichen Beweis, was Regie vermag, ohne in den Abgründen und Sackgassen profilneurotischer Einfalls- und Ideenstrategie zu landen.

Die Geschichte

Dazu gehört nach kluger Durchdringung des Textes die Komposition eines homogenen Ensembles. Stein hat mit Klaus Maria Brandauer letztes Jahr schon den mehrstündigen «Wallenstein»-Marathon in Schillers Sinn entschieden. Brandauer ist nun sein Dorfrichter Adam, der eine ländliche Gemeinschaft terrorisiert, nächtens unsittlich der hübschen Eve (Marina Senckel) nachstellt, auf der Flucht seine Perücke verliert, selbst physisch strauchelt und sich plötzlich in der Falle sieht, dass er als Richter sich selbst als Täter entlarven muss. Und das unter der Obacht eines vorgesetzten Kollegen (Martin Seifert), der unerwartet auf Kontrollvisitation angereist ist.

Brandauer spielt diese Traumrolle mit souveräner Bravour, listig, lustig, blitzgescheit, saftig, drastisch, plastisch, dreist und schlau. Martin Seifert als Gerichtsrat Walter stellt ihm klug den Gegenpart zur Seite, nicht minder souverän und auf diskrete Art nicht minder präsent. Das Gespann führt den Abend in intelligente Fallhöhe. Nie aber steht ein Absturz in die «Klamödie» zu befürchten.

Charakter-Entfaltung

Steins Personenregie sorgt für farbenreiche Entfaltung der Charaktere dieses ländlichen Menschengeflechts. Das Ensemble zeigt mit Sorgfalt und Herzblut gestaltete Menschen: Tina Engel als Marthe Rull energisch kampfbereit als Eves Mutter und Besitzerin des Kruges, mit dessen Zerbrechen auch der Ruf der Tochter und deren Verlobung mit Ruprecht (Roman Kanonik) in Gefahr geriet. Ilse Ritter zeichnet ein hinreißend durchgefeiltes Porträt der Frau Brigitte, Michael Rotschopf zeigt als Schreiber Licht mit wie viel Geschick er nicht nur seinen schwierigen, schmierigen Vorgesetzten Adam behandelt, sondern wie er fast unauffällig sich für dessen Nachfolge in Stellung bringt.

Wichtiger Trumpf ist das Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer. Der nimmt den Kupferstich von Jean Jacques Le Veau nach Louis-Philibert Debucourts lebensprall niederländischer Idylle getreulich zum Ausgangspunkt. Das war das Gemälde auch schon für den in Bern 1802 geführten literarischen Wettbewerb, aus dem Kleist mit dem 1808 in Weimar uraufgeführten Stück als Sieger hervorging.

Zwölf Hühner

Das stimmungsvolle Leben, das Stein anfangs noch mit zwölf Hühnern aufmischt, erstarrt nach der Entlarvung und Flucht des Dorfrichters auch für ihn noch zu einem gemäßigt guten Ende. Die Kulissen heben sich über eiskalter Schneelandschaft.

Das indes riecht denn doch etwas gewollt bedeutungsvoll nach aufgesetztem Regieeinfall an einem Abend, der die Unarten des Regietheaters so wohltuend vermieden hatte. Auch beim rauschenden Applaus bleibt Brandauer im Ensemble integriert, vermeidet, nachdem er keinen an die Wand gespielt hat, auch jeden Einzelapplaus.

Weitere Vorstellungen: 15., 16., 28. und 30. September, 8., 9., 22. bis 24. Oktober, Kartentelefon: 0 30/ 28 40 81 55.