Landauer-Dreh schickt die Fürther auf Zeitreise

13.8.2013, 16:30 Uhr
Landauer-Dreh schickt die Fürther auf Zeitreise

© BR/Heike Ulrich

„Background Action“ ruft Regieassistent Cornelius Schick. Das ist das Stichwort für die Komparsen, und die Szene, die gerade noch wie ein Standbild aussah, gerät in Bewegung. Etwa zum siebten Mal tritt Fritz Bickel in die Pedale seines rostigen Drahtesels, auf dem Gehweg ziehen zwei Frauen ihr weniges Hab und Gut in Leiterwagen hinter sich her, ein Mann quert mit seinem Schubkarren die Straße. Dann biegt ein schwarzer Benz um die Ecke, am Steuer sitzt Josef Bierbichler, Hauptdarsteller des Films, der die Geschichte von Kurt Landauer erzählt, dem einstigen Präsidenten des FC Bayern München.

Landauer ist eine Fußball-Legende, dreimal war er Präsident des FC Bayern, unter ihm wurde der Verein 1932 erstmals Deutscher Meister, doch ein Jahr später beendeten die Nazis die Karriere des jüdischen Kaufmanns. Nach der Pogromnacht 1938 wurde er verhaftet, kam ins KZ, wurde nach 33 Tagen entlassen und ging ins Schweizer Exil. Als er 1947 nach München zurückkehrte, sollte es nur ein Zwischenstopp sein auf der Weiterreise in die USA. Doch er blieb, war von 1947 bis 1951 erneut Bayern-Präsident. 1961 starb Kurt Landauer mit 77 Jahren.

Als Regisseur Hans Steinbichler 2012 von Landauers Geschichte hörte, war er sofort fasziniert. Kurz darauf kam die Kölner Produktionsfirma Zeitsprung Pictures mit eben diesem Filmstoff auf ihn zu. Steinbichler war sofort im Boot, allerdings unter einer Bedingung. Die Titelfigur musste Josef Bierbichler spielen. „Schauen Sie sich den Sepp an, das ist quasi der Phänotyp Landauers. Ohne ihn hätte ich den Film nicht gemacht“, erzählt Steinbichler.

Anschauen darf man sich Bierbichler in Fürth, aber ansprechen nicht. Das hat das Pressebüro untersagt. In einer kurzen Pause sitzt der Star – für Steinbichler, der mit ihm schon „Hierankl“ und „Winterreise“ drehte, der „Urbayer“ schlechthin – auf seinem Klappstuhl. Er isst eine Stulle, liest Zeitung. Dann geht’s wieder in den Benz-Oldtimer, die Kamera ist an der Beifahrertür montiert, dahinter sitzt Andreas Lust, der den Bayern-Trainer Conny Heidkamp spielt.

Landauer will sich mit ihm aussprechen. Es geht um schlimme Vorwürfe, die der Präsident dem Trainer wegen seines Verhaltens in der NS-Zeit gemacht hat und die, wie er jetzt weiß, falsch waren. Doch zur Aussprache kommt es vorerst nicht. Die beiden geraten in eine Demonstration von Juden, die gegen den nach wie vor allgegenwärtigen Antisemitismus auf die Straße gehen. Der Protest wird von der Polizei blutig niedergeschlagen. Das Ereignis ist historisch belegt.

Die Demo kriegen wir nicht mehr mit, denn Dreharbeiten dauern. „Man hat uns gleich gesagt, dass wir die meiste Zeit mit Warten verbringen werden“, erzählt ein Komparse, der mit fast 100 anderen seit fünf Stunden in der Aula der Martin- Segitz-Schule ausharrt. Alle wirken bewundernswert geduldig „Wir werden gut verpflegt, man kümmert sich sehr fürsorglich um uns“, sagt Peter Limmer, der bereits um sechs Uhr morgens zum Frisieren und Ankleiden vor Ort war. 55 Euro gibt’s pro Tag plus 15 Euro fürs Haareschneiden. Ein kleines Extra, schließlich sind die extremen Kurzhaarschnitte nicht jedermanns Geschmack.

In Essen, Gladbeck, Bochum und in Nürnberg auf der Straße vor der Zeppelintribüne wurde bereits gedreht. Die Metropolregion erfreut sich als Drehort zunehmender Beliebtheit. Das große Engagement, mit dem vor allem das Nürnberger Presseamt um die Filmemacher wirbt, wirkt sich inzwischen flächendeckend aus.

Dass ein Film, der in München spielt, komplett an anderen Orten gedreht wird, ist längst Normalität. Auch für Produktionen, die über einen höheren Etat als der 4,1 Millionen Euro teure „Landauer“-Film verfügen, ist die Landeshauptstadt oft zu teuer und – wegen der glatt sanierten Fassaden – zu unattraktiv geworden. „In Fürth ist es toll, man kann die Geschichte förmlich riechen“, schwärmt Andreas Lust.

Heute geht es ins Nürnberger Grand Hotel – für Innenaufnahmen mit Bierbichler und Jeannette Hein, die Landauers spätere Ehefrau Maria Baumann spielt. Im Fernsehen soll der Film 2014 ausgestrahlt werden – zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr. Soviel steht jetzt schon fest.
 

Keine Kommentare