niedecken

Locken und Rocken: BAP-Sänger Wolfgang Niedecken wird 70

29.3.2021, 10:30 Uhr
"Alles fließt" heißt das jüngste BAP-Album: Wolfgang Niedecken, der am 30. März 2021 seinen 70. Geburtstag feiert, sitzt am Ufer des Rheins in seiner Heimatstadt Köln

© Thilo Schmülgen, imago "Alles fließt" heißt das jüngste BAP-Album: Wolfgang Niedecken, der am 30. März 2021 seinen 70. Geburtstag feiert, sitzt am Ufer des Rheins in seiner Heimatstadt Köln

Wolfgang Niedecken ist nicht nur lockiger Kopf und tiefe Stimme der Kölner Dialekt-Band BAP. Er ist auch der Mann, der Bob Dylan versehentlich fast mal die Finger brach. „Sein Händedruck ist tatsächlich so eine Sache“, erinnert sich Niedecken in seinem jetzt erschienen Büchlein über Dylan.

Gut 20 Jahre sei das her. Und anders als Barack Obama, der Dylan bei der Nobelpreisverleihung deshalb nur „tätschelte“, erhielt der Kölner vorab keine Warnung mit auf den Weg: „Da man mir beigebracht hat, dass ein fester Händedruck für einen Kerl Pflicht sei, drücke ich Bob in bewährter Form die Hand und bin völlig überrascht, wie unfassbar schlaff sein Händedruck ist. ,Oh Gott´, denke ich, ,ich werde dem Meister doch jetzt nicht die Hand gebrochen haben?“ Dylan habe zwar aufgeschreckt geguckt, aber „der Rest der Audienz verlief dann unfallfrei“.

Aus dem Gitarrenkoffer gezogen

In sieben Jahrzehnte passen viele Geschichten und Niedecken wird am 30. März 70 Jahre alt. Dass er seine Anekdoten bis heute aus dem Nähkästchen plaudern respektive aus dem Gitarrenkoffer ziehen kann, hat auch mit Glück zu tun. Eine Waschmaschine beziehungsweise seine Frau retteten im 2011 das Leben. Denn wäre Tina Niedecken damals nicht kurz zwischen zwei Einkäufen nach Hause gekommen, um eine Waschmaschinenladung zu wechseln – sie hätte den Schlaganfall des Sängers wohl kaum bemerkt, um rasch Hilfe holen zu können.

BAP-Sänger Wolfgang Niedecken bei der Echo-Preisverleihung 2012. Die Trophäe erhielt er für sein Lebenswerk.

BAP-Sänger Wolfgang Niedecken bei der Echo-Preisverleihung 2012. Die Trophäe erhielt er für sein Lebenswerk. © Future Image, imago

Wenn es also noch einen allerletzten Grund für die klassische Rollenaufteilung im Haushalt geben sollte – dann womöglich diesen? Wobei Niedecken ja schon 1981 in einem BAP-Song gestand: „Ich geh so unwahrscheinlich gern mit dir in den Waschsalon. Denn du hast Ahnung von der Technik – von der ich nix ,verstonn´“ (verstehe).

Das Lied, ein lustiger Rock’n’Roll, befand sich auf dem selben Album wie „Verdamp lang her“, dem Dialekthit also, der von Wien bis Rotterdam seither bei keinem BAP-Konzert fehlt. Dass Niedecken in Mundart mit 23 Alben die Top-Ten, zwölf Mal sogar Platz Eins erreichen würden, hatte sich der Student der Freien Malerei Ende der 1970er Jahre nicht träumen lassen, der zum Geldverdienen Wetterkarten für den WDR pinselte.

"Gleich klingelt der Wecker"

Kölsch, was aber auch für eine Sprache: In seiner eben neu aufgelegten Biografie erwähnt der Sänger eine denkwürdige Begebenheit im schweizerischen St. Gallen. Draußen, nach dem Weg fragend, versteht man sich kaum: Wenig später, im Konzert, singen hunderte Eidgenossen lupenreines Kölsch.

Als Bruce Springsteen den Hit „Hungry Heart“ für ein Video in Berlin neu aufnahm, fungierte Niedecken und seine Band spontan als Begleitband: „Ich dachte, gleich klingelt der Wecker“, erinnert er sich. Solche glücklichen Zufälle gab es viele. Der 1982 europaweit ausgestrahlte Auftritt beim Rockpalast gehörte ebenso dazu, wie jener im Jahr 1986 vor 100 000 Menschen in der Oberpfalz, um gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf zu demonstrieren.

Hund mit auf Tournee

Niedecken engagiert sich seit bald 20 Jahren für die Resozialisierung einstiger Kindersoldaten in Uganda und stellt Konzerte gegen Rassismus auf die Beine. Die Beschimpfung, ein „Gutmensch“ zu sein, ficht ihn nicht an.
Außerdem ist er Hundeliebhaber. Aktuell bringt die rumänische Streunerin Numa Schwung in die Rockstarbude. Noch alle seine Vierbeiner begleiteten BAP auf Tourneen und trotten schon mal mit auf die Bühne.

Der Sänger ist nahbar. „Jetzt schreibst du Bilder, singst Gedichte, Lieder malst du dann und wann … Und oft erschrickst du dich beim Rasieren: Das Kind sieht aus wie ein Mann“, sang er in „Nie met Aljebra“.
Seiner Frau Tina hat er einen Haufen Liebeslieder gewidmet, überhaupt schöpft er viele Textideen aus dem Privaten.

Der Sänger der Kölner Rockgruppe BAP, Wolfgang Niedecken, ist Botschafter der Aktion "Gemeinsam fuer Afrika", einem Zusammenschluss von 21 deutschen Hilfsorganisationen. Hier begrüßt er bei seiner Tour durch Uganda Betty das Mädchen Nampija Mpungu auf ihrem Hof bei Masaka im Westen Ugandas. 

Der Sänger der Kölner Rockgruppe BAP, Wolfgang Niedecken, ist Botschafter der Aktion "Gemeinsam fuer Afrika", einem Zusammenschluss von 21 deutschen Hilfsorganisationen. Hier begrüßt er bei seiner Tour durch Uganda Betty das Mädchen Nampija Mpungu auf ihrem Hof bei Masaka im Westen Ugandas.  © Marc Engelhardt, epd

Der Kölner hat zwei Söhne aus erster Ehe und zwei Töchter aus zweiter, als zweifacher Großvater blickt Niedecken von seinem Arbeitszimmer aus auf den Fluss.
Leider kann aus dem Geburtstags-Heimspiel mit BAP in der Lanxess-Arena pandemiebedingt nichts werden und auch die Tour zum Jubiläum liegt auf Eis. Einerseits.
Andererseits hat Niedecken das jüngste BAP-Album mit einem mutmachenden Titel versehen, den sowohl Restkatholiken am Rhein kapieren wie auch Buddhisten im indischen Goa, das er mehrfach bereiste. Panta rei: „Alles fließt“.

Zur Lektüre:

Wolfgang Niedecken über Bob Dylan. KiWi Musikbibliothek, 226 Seiten, 14,40 Euro.
Wolfgang Niedecken: 70 Jahre. Biografien „Für ne Moment“ und „Zugabe“ mit neuem Vorwort. Hoffmann und Campe, ca. 900 Seiten, 29,90 Euro.

Verwandte Themen


Keine Kommentare