Mit wenigen Worten viel gesagt

27.12.2008, 00:00 Uhr

Unumstritten ist Pinters prägender Einfluss auf das moderne Theater. Weltruhm erlangte er Anfang der 60er Jahre mit «Der Hausmeister». Es folgten drei Jahrzehnte, in denen er 29 Bühnenstücke und 24 Drehbücher verfasst hat, die unter anderem bei Hollywood-Größen wie Elia Kazan auf Interesse stießen.

Erst Wanderschauspieler, dann erfolgreicher Autor

Pinter wuchs im proletarischen Londoner East End als Sohn eines jüdischen Schneiders auf. Sein Weg von den Schauspieler-Lehrjahren in einer Wandertruppe bis zum erfolgreichen Autor mit Society-Gattin in zweiter Ehe machte ihn zu einer der schillerndsten Figuren seiner Autorengeneration.

Nach der Verleihung des Nobelpreises erlebten Pinters Stücke vor allem in Großbritannien eine Renaissance. Dabei stießen vor allem seine frühen Werke ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung auf große Resonanz bei Publikum und Kritikern. Trotz fortgeschrittener schwerer Krankheit stand Pinter 2006 selbst noch einmal auf der Bühne. Der damals 76-Jährige spielte, im Rollstuhl sitzend, in Samuel Becketts monologischem Einakter «Das letzte Band» einen Greis, der beim Anhören alter Tonbänder vergangenen, besseren Zeiten nachsinnt.

Erfolg und gesellschaftliches Ansehen stiegen Pinter nie zu Kopf. Stattdessen wandelte er sich im fortgeschrittenen Alter zum politisch engagierten Zeitgenossen. 1985 reiste er mit dem amerikanischen Dramatiker Arthur Miller in die Türkei und führte Gespräche mit verfolgten Autoren. Er protestierte gegen die Nato-Bombardierung Serbiens ebenso wie für die Rechte der Kurden. Eine Sammlung von Anti-Kriegsgedichten mit dem Titel «War» entstand 2003 als Reaktion auf den Irak-Krieg. George W. Bush und den britischen Premierminister Tony Blair bezeichnete er in aller Öffentlichkeit als Kriegsverbrecher. Die Erhebung in den Adelsstand lehnte er ab.

Pinter erklärte, dass ihn die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in seiner Jugend zum Theater geführt habe. Seine Bühnenstücke spielen im geschlossenen Raum, Dialoge sind unvorhersehbar und werden durch rätselhaftes Schweigen und durch Pausen unterbrochen. Oft reflektiert er den Alltag, hin und wieder auch seinen eigenen. In dem häufig gespielten Stück «Betrayal/Betrogen» (1978) erzählt er in einfachen Dialogen über eine Eheaffäre, die in der Realität seine eigene ist. Kurz zuvor war seine 1956 geschlossene Ehe mit der Schauspielerin Vivien Merchant in die Brüche gegangen.

Aus seinem Namen entstand im Laufe der Jahre ein Adjektiv. Als «pinteresk» gelten die sparsamen Dialoge, die eine gewisse Atmosphäre entstehen lassen und dem Zuschauer ein Gefühl leichten Unbehagens bereiten. In britischen Medien wird er oft als «Meister des Ungesagten» bezeichnet. Für viele waren seine Stücke gewöhnungsbedürftig, doch sie sind längst zur Schullektüre geworden.

Pinter sorgte bereits vor seinem Tod dafür, dass sein Vermächtnis in die richtigen Hände gelangt. 2007 verkaufte er sein Archiv für umgerechnet 1,5 Millionen Euro an die Britische Nationalbibliothek. Rund 150 Kisten mit Manuskripten, persönlichen Briefen, Programmheften und Fotos gingen an die British Library, eine Sammlung von «unschätzbarem Wert», schwärmte ein Sprecher damals. Ute Dickerscheid, dpa

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