Vorwurf der kulturellen Aneignung

Nach Kritik im Internet: Ravensburger Verlag nimmt "Winnetou"-Bücher vom Markt

21.8.2022, 15:40 Uhr
Nicht bei allen Zuschauern kam der Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou" gut an. Vor allem auf Instagram kritisieren User die Verbreitung rassistischer Stereotype. 

© -/Leonine/dpa Nicht bei allen Zuschauern kam der Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou" gut an. Vor allem auf Instagram kritisieren User die Verbreitung rassistischer Stereotype. 

Der Apachen-Häuptling Winnetou ist ein Klassiker von Karl May. Die Geschichte wurde mittlerweile für Kinder umgeschrieben, Mitte August kam der Film "Der junge Häuptling Winnetou" in die Kinos. Der renommierte Ravensburger Verlag brachte in diesem Zuge drei Kinderbücher und ein Puzzle heraus - und erntete deutliche Kritik im sozialen Netzwerk Instagram. Die User kritisierten grundsätzlich, dass das Buch immer noch verlegt wird. Darin würden rassistische Stereotype wiedergegeben, die ihren Ursprung im Kolonialismus haben, lautete zum Beispiel einer der Kritikpunkte unter dem Instagram-Beitrag. "Unfassbar, ihr tragt so eine große Verantwortung!", kommentierte etwa eine Userin.

Der Verlag reagierte, nahm die Bücher aus dem Programm und zeigte sich auf Instagram reumütig: "Das Feedback hat gezeigt, dass wir Gefühle anderer verletzt haben. Das war nie unsere Absicht. Wir entschuldigen uns dafür ausdrücklich. Wir beschäftigen uns intensiv mit Themen wie Diversität oder kultureller Aneignung. Dabei ziehen wir auch externe Fachberater zu Rate, die unsere Titel kritisch prüfen. Leider ist uns das bei den Winnetou-Titeln nicht gelungen. Die Entscheidung, die Titel zu veröffentlichen, würden wir heute nicht mehr so treffen."

Zuvor wurde der Kinderfilm von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW), eine Einrichtung aller Bundesländer, als "besonders wertvoll" eingestuft. Doch auch die Jury war sich mitnichten einig. "Nach Sichtung des Films zeigte sich in der sehr langen Diskussion, dass in der Gesamtbewertung des Films die Jury absolut gespalten war – zwischen vehementer Ablehnung einerseits und großer Zustimmung andererseits", schreibt die Behörde auf ihrer Internetseite.

Ein Teil der Jury-Mitglieder sprach sich in erster Linie gegen die inhaltliche sowie die filmisch gestalterische Form aus. In unserer Zeit sei es nicht mehr zulässig, "einen Film und im Besonderen einen Kinder- und Jugendfilm im Geist der mythisch aufgeladenen und sehr klischeehaft darstellenden Karl May-"Folklore" zu realisieren", schreibt die FBW in ihrer Begründung. Der Film sei ein "kitschiges rückwärtsgewandtes Theaterstück, das nichts mit der Realität zu tun habe." Laut Aussage der Jury sei Karl Mays literarische Idylle im Herkunftsland der indigenen Völker Nordamerikas eine Lüge, welche den Genozid an den Ureinwohnern Amerikas und das ihnen zugefügte Unrecht der Landnahme der weißen Siedler und der Zerstörung ihres natürlichen Lebensraumes vollkommen ausblenden würde.

Der Großteil der Jury lobte den Film jedoch. Karl May könne man ruhigen Gewissens als "Märchenonkel" bezeichnen. Die von ihm geschriebenen Erzählungen aus dem "Indianerland" oder dem "Orient" seien aus seiner Fantasie heraus geschrieben, ohne dass May je selbst vor Ort gewesen sei. Auch die Verfilmungen seiner bekanntesten Romane in den 1960er Jahren seien Märchen, welche die Welt der indigenen Völker im absolut klischeehaften Bild darstellten. Dies in einen Kinderfilm von heute märchenhaft und mit liebevollen Zitaten zu diesen Filmen einzubringen, sei, so die Jury-Mitglieder, durchaus legitim. Insgesamt sieht die Mehrheit der Jury den Film "als gelungenen Kinderfilm, der einem großen Familienpublikum sicher viel Freude bereit wird."

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