Neuer Digital-"Tatort": Über die Abgründe der Tech-Branche

1.1.2018, 21:42 Uhr
Der Justiziar ist tot: Sebastian Feuerbach alias Nikolai Kinsk stirbt im neuen "Tatort".

© SR/Manuela Meyer Der Justiziar ist tot: Sebastian Feuerbach alias Nikolai Kinsk stirbt im neuen "Tatort".

Zweifelsfrei zählt der auf Rügen geborene Schauspieler Devid Striesow zu Deutschlands begabtesten Akteuren. Er glänzt in den unterschiedlichsten Rollen und wird dafür sowohl vom Publikum als auch vom Feuilleton mit Lob überhäuft. So waren die Erwartungen an den neuen Saar-"Tatort" natürlich dementsprechend hoch, als Striesow 2013 dort seinen Dienst antrat.

Doch die Saarbrücker setzten gleich die ersten beiden Episoden komplett in den Sand. Auch die zwei Folge-Krimis schrammten nur knapp am Prädikat Rohrkrepierer vorbei. Erst mit "Totenstille" Anfang 2016 und "Väter und Söhne" aus dem vergangenen Januar zog so etwas wie Qualität in den saarländischen Ableger ein. Vor allem deshalb, weil man sich darauf besann, besser einen soliden Thriller zu produzieren, als beim Versuch, einen originellen Ermittler ins Rennen zu schicken, der verkopfte Fälle auf besonders eigentümliche Weise löst, permanent baden zu gehen.

Stellbrink präsentierte sich fortan also weniger schräg. Er rollte die rote Vespa in die Garage, sattelte auf ein Motorrad um. Außerdem verzichtete der Cop auf die gewohnten Yogaübungen. Dennoch kündigte Striesow im Sommer relativ überraschend das Ende seiner Tätigkeit als "Tatort"-Kommissar an. Überraschend deshalb, weil der Aufwärtstrend deutlich zu erkennen war und es den Anschein hatte, der Saar-Krimi habe nun endlich an Format gewonnen. Irgendwie logisch war Striesows Rückzug trotzdem. Schließlich drängte sich nie der Eindruck auf, der Schauspieler sei jemals voll und ganz in der Rolle des Ermittlers aufgegangen.

Auto verselbständigt sich

Bevor Stellbrink sich 2019 mit dem bereits abgedrehten "Der Pakt" endgültig von der "Tatort"-Bühne verabschieden wird, macht er in "Mord Ex Machina" noch rasch Bekanntschaft mit den Schattenseiten der Digitalisierung. Wie schon im Bremer Fall "Nachtsicht" spielt dabei ein vierrädriges Vehikel eine Rolle.

Doch anders als in der Hansestadt sitzt hier kein mordhungriger Psychopath hinterm Lenkrad. Der Wagen in "Mord Ex Machina" ist komplett autopilotiert und rast eines Nachts mit hoher Geschwindigkeit von einem Parkdeck herunter. Im mit modernster Technik ausgestatteten Auto liegt die Leiche von Sebastian Feuerbach, dem Justiziar einer Firma, die digitale Daten sammelt.

Sogleich rücken mit dessen Geschäftspartner Victor (Steve Windolf) und der undurchschaubaren Hackerin Natascha (Julia Koschitz) zwei Tatverdächtige in den Fokus der Ermittlungen. Der Cop erfährt im Zuge dessen, wie Datenkraken arbeiten und wie sie mit derlei Informationen riesige Summen umsetzen. Alles wird überwacht. Alles wird irgendwie irgendwo festgehalten.

Johnny Guitar und eine zwielichtige Hackerin

"Scheiß Computer!" raunzt es da aus Stellbrink heraus. Erst recht, als ihm die von Julia Koschitz brillant verkörperte Antagonistin zeigt - von der man übrigens bis zum Schluss nicht genau weiß, auf welcher Seite sie steht - wie leicht sie Infos über Andere aus dem Netz filtern kann. Selbst über Leute wie Stellbrink, die das Internet kaum nutzen, Wörter wie Proxyserver zum ersten Mal hören, und von sich denken, bisher keine Fußabdrücke in der digitalen Welt hinterlassen zu haben.

Dank Natascha wird aber nun das ganze Präsidium darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Kommissar als Johnny Guitar auf einem Dating-Portal nach Damen sucht. Mit einer weitaus heikleren Information aus dem Web hält Natascha dagegen hinterm Berg. Aus purer Zuneigung, wie sich zeigt.

So ist "Mord Ex Machina" nicht zuletzt wegen dem Duell dieser zwei Akteure auf Augenhöhe ein reizvoller Film, der bis zuletzt Spannung verbreitet. Außerdem setzt Christian Theede seinen ersten "Tatort" ästhetisch ansprechend in Szene. Mittels Musik, Farben und interessanter Kameraeinstellungen gelingt es dem Regisseur, ein paar hübsche Kirschen auf seiner Torte zu platzieren. Dass am Ende wieder mal ein heimlich gedrehtes Handyvideo entscheidend zur Aufklärung beiträgt, ist zwar schade, vermag den insgesamt ordentlichen Eindruck jedoch kaum zu trüben, da die Erwartungen an einen Saarbrücker "Tatort" ohnehin nicht mehr die allerhöchsten sind. Es war durchaus Schlimmeres zu befürchten.

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