Nimmermehr III: Von gelben Träumen im Zwielicht

30.6.2016, 08:29 Uhr
In unserer Kolumne "Nimmermehr" widmen wir uns dem kosmischen Horror, Urängsten und Stoff für Gänsehaut - der dunklen Literatur, Schauerbüchern und Weird Fiction.

© Benedikt Beck (Illustration) In unserer Kolumne "Nimmermehr" widmen wir uns dem kosmischen Horror, Urängsten und Stoff für Gänsehaut - der dunklen Literatur, Schauerbüchern und Weird Fiction.

Nimmermehr III: Von gelben Träumen im Zwielicht

© Goblin Press

Daniel Schenkel - Der gelbe Traum

König, mein König: Wenn Horror einen Mantel an die Garderobe der Popkultur in den letzten Jahren gehängt hat, so wäre er gelb. Denn die Beachtung der alten Meister des Genres beschränkt sich nicht mehr nur auf H.P. Lovecraft. Spätestens mit der Fernsehserie „True Detective“ hielt auch der gelbe König wieder seinen Einzug in die große bunte Welt der Unterhaltung.

Die Sammlung von Kurzgeschichten des amerikanischen Autors Robert W. Chambers erschien bereits, da stocherte Kafka noch mit kindlicher Begeisterung im Unterholz nach Käfern. Der Neumarkter Autor Daniel Schenkel hat sich dem Mythos des gelben Königs nun in seiner Erzählung "Der gelbe Traum" angenommen und liefert damit über den Verlag Goblin Press ein kleines verwirrendes Stück Horrorliteratur. Was in dem Buch passiert? Alles und nichts.

Denn Schenkel verschiebt mehrere Erzählebenen in diesem Buch, ständig springen Perspektive und Geschichte hin und her. Nie gibt es eine Sache, der sich der Leser hier sicher sein kann. Jede Schlussfolgerung zerfällt nach ein paar Absätzen wieder. Einen linearen Plot muss der Leser sich selbst basteln. Voraussetzung: Er schafft das überhaupt.

Denn es geht hier mehr um Atmosphäre, um grausame Bilder und ungute Gefühle: Nächte unter kalten Sternen,  Sommertage mit zwei blassen Sonnen und die Stunden, in denen der Club endgültig schließt und die Geister der Dämmerung aufziehen. Ein altes Theatermanuskript verbreitet schlussendlich seinen Wahnsinn in dieser Erzählung, ständig schaut eine Gestalt im gelben Umhang vorbei, überall kündigt sich die Apokalypse an. Zumindest soll der Leser das glauben. Vielleicht sind auch viel hässlichere Mächte am Werk. Oder alles ist nur ein Zufall, der sich im Kopf irgendeines Charakters abspielt.

 Jedes Mal, wenn sich ein bisschen Hoffnung auftut, hallen die Worte nach: "An diesem Strand die Wolkenwellen brechen, zwei Sonnen in dem See versinken, die Schatten drohen, in Carcosa." Ambrose Bierce und Algernon Blackwood lassen grüßen. Eine kurzweilige, eine labyrinthische, eine packende Erzählung.

Zwielicht Bd. 8 - Das deutsche Horrormagazin

Nimmermehr III: Von gelben Träumen im Zwielicht

© Saphir im Stahl/PR

Horrorliteratur gehört fest zum Kanon der Kultur des nordamerikanischen Kontinents. Nirgends boomte das Grauen mehr in Siebzigern und Achtzigern. Die Liste an Filmen und Romanen ist lang, die heute als Meisterwerke gelten – nicht nur im Genre selbst. Einen wichtigen Teil zu dieser Entwicklung trugen immer auch literarische Magazine bei, die Pulp, Science Fiction und Horror abdruckten. Heute gibt es mit dem Nightmare Magazine, Black Static und dem Uncanny Magazine weiterhin Periodika, die herausragende Texte des Grauens veröffentlichen. Und in Deutschland? Müssen Leser lange suchen. Und unweigerlich auf Zwielicht stoßen.

Seit vier Jahren gibt es hier Einblicke ins Genre mit Texten deutscher Autoren, Übersetzungen und Betrachtungen des Horrors. Die achte Ausgabe liefert ein interessantes Interview mit US-Autor Jeffrey Thomas und eine Übersetzung einer Kurzgeschichte von Algernon Blackwood. Wesentlich packender sind allerdings die verschiedenen Erzählungen deutscher Autoren.

Da wäre zum Beispiel "Der Sommer der Tiere" von Karla Schmidt, ein surrealer Albtraum aus Verlustangst und Familiendrama – auf gerade einmal zehn Seiten. Oder Daniel Husters "Schützenfest"“, in dem sich die Fratze des kleindeutschen Rassismus zeigt. Nicht oft kann ein Autor seinen Twist so perfekt wie hier bis zur Lektüre der letzten Zeilen verbergen.

Auch wenn nicht alle Geschichten die gleiche hohe Qualität haben, sind sie doch alle lesenswert. (Und auf ein, zwei Seiten hätte ein weiterer Blick eines Gegenlesers nicht geschadet.) Trotzdem: Eine Sammlung verschiedenster Stücke, in denen jeder irgendwo seine persönlichen Ängste finden wird. Und was kann ein Leser mehr von so einem Magazin erwarten?

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