Odysseus joggt durchs Markgrafentheater

10.7.2016, 15:53 Uhr
Odysseus joggt durchs Markgrafentheater

© Jochen Quast

Mit Polyphem ist nicht zu spaßen: In seinem bordeauroten Kunstfell und mit Plastikkeule schnaubt er gleich am Eingang zum Experimentiertheater. Da schließt man sich schon lieber Kalypso an, die ziemlich ernst, aber nett anzusehen ist. In einer Ecke sitzt Penelope und strickt am Hemd, das sie dann wieder auftrennen wird, um sich vor den Freiern zu schützen. Im wahrsten Sinne sitzen gelassen von ihrem gottgleichen Gatten.

Per Leuchtbändchen-Farbe sortiert der Studiengang Theaterwissenschaft sein Publikum und lädt ein zur "Spurensuche" in Odysseus' Welt. Die ist bekanntlich noch nicht untergegangen: Suchende und Flüchtende gibt es auch heute zuhauf, Helden, naja, eher weniger. An einer Station kann man dennoch die Mannsbilder, die heute was auf sich halten (Obama, Merkel, Erdogan, Beckham) zu Odyssee-Zitaten sortieren, die einem passend erscheinen. Ein Studentin hat ihre Oma befragt, wie es denn war, als sie aus der Heimat fort musste nach dem Krieg. Und eine Station lädt zum Hör-Erlebnis zu Odyssee-Motiven ein.

In der großen Halle gibt es Häppchen - zum Essen und zum Hören, außerdem eine pantomimische Performance, bei der Odysseus an langen Seilen von allen gezogen und bezirzt wird - Circe wra ja nur eine der vielen Frauen, die den wandernden Helden für sich haben wollten.

Sportlicher Odysseus auf der Markgrafen-Bühne

Odysseus joggt durchs Markgrafentheater

© Harald Sippel

Wieder an der frischen Luft, erhält man zwielichtige Bekanntschaftsanzeigen von all den Nymphen, Halbgöttinnen und Sirenen. Die auf den Boden gemalte Lyra führt dennoch zielgenau zum Markgrafentheater, wo der zweite Teil wartet: Marin Maeckers unterhaltsames Solo als Odysseus, der aber auch den Zeus mit zuckener Donner-Hand, den Hermes mit flatternden Füßen und die Athene mit Geistesblitz spielt. Sportliches Erzähl-Theater, mit dem Regisseurin Juliane Kann Homers alte Sage ins Hier und Jetzt hievt. Viel Applaus gab's für einen unterhaltsamen Theaterabend, der zwischen Komik und Verbeugung vor den literarischen Ahnen eine gelungene Gratwanderung vollführt.

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