Poetry Slam-Meister Scharrenberg zeigt sein Können
16.11.2016, 15:33 Uhr
Herr Scharrenberg, wie wird man deutschsprachiger Meister im Poetry-Slam?
Scharrenberg Man qualifiziert sich für die Meisterschaften, hat ein paar Texte dabei und schaut, wie weit man kommt. Ein Rezept gibt es da nicht. Da ist viel Losglück dabei, aber auch die Startreihenfolge ist nicht ganz ohne. Der Rest ist eine wilde Mischung aus den Umständen, der Gunst des Publikums und dem magischen Moment, der auf der Bühne entweder passiert oder auch nicht.
Bringt so ein Titel was?
Scharrenberg: Ja, total! Man wird herumgereicht und braucht sich nicht um Auftritte zu sorgen, die kann man sich dann meist aussuchen. Im Gegenzug muss man allerdings immer auch ein wenig repräsentieren. Trotzdem würde ich das nicht überbetonen. Ich persönlich tu mich total schwer mit diesem Amtsgedanken, weil sich so ein Titel irgendwie komisch anfühlt. Schließlich ist eine Idee hinter Poetry Slam die, dass Ruhm nur Schall und Rauch ist.
Das müssen Sie näher erklären.
Scharrenberg: Es ist alles nur ein Spiel und hat keine Bedeutung. Am nächsten Tag ist alles wieder vorbei. Der Wettbewerb ist nur ein dramaturgischer Kniff, ein funktionaler Gag, um einen Erlebnisrahmen zu schaffen, in dem Literatur unter anderen Bedingungen präsentiert wird. Der Wettstreit macht aus einer Lesung ein Event – mit sportlichem Ansatz. Auch das Publikum geht zum Slam, um zu eskalieren. Das ist wie im Fußballstadion. Und um beim Sportvergleich zu bleiben: Wenn die normalen Slams die Regionalliga sind, dann sind die Meisterschaften die Champions League. Und da hat am Ende ein Slammer den Pokal und trägt diesen ein Jahr mit sich herum.
Was macht einen guten Poetry-Slammer aus?
Scharrenberg: Schwierig. Wenn man es schematisch darstellen wollte, könnte man sagen, dass die Chemie bei einem Slam von drei Faktoren bestimmt wird. Zum einen vom Text, also dem reinen Handwerk, und dann von der Bühnenpräsenz: ob ich nur im Hemd dastehe oder vielleicht zu einer Bühnenfigur werde. Deshalb trennt Slam meistens nicht zwischen Text und Performance. Idealerweise verschwimmt live beides miteinander; das eigentliche Kunstwerk existiert nur im Moment des Vortrags. Dritter Faktor ist der Umgang mit dem Publikum: Kann der Slammer einen Kontakt zu seinen Zuhörern herstellen, kann er sozusagen das Publikum reiten? Da geht es tatsächlich um den Austausch von Energie.
Am 5. März 2017 ist Philipp Scharrenberg mit seinem neuen Kleinkunstprogramm „Germanistik ist heilbar“ zu Gast im Burgtheater.
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