Premiere in Nürnberg: Im Schatten von Antigone

6.11.2018, 17:23 Uhr
Premiere in Nürnberg: Im Schatten von Antigone

© Gostner Hoftheater

Antigone ist so etwas wie ein Superstar der griechischen Mythologie und ihre Geschichte hinlänglich bekannt. Die Tochter des Ödipus bewies Mut, Haltung und Familiensinn, als sie ihren Bruder Polyneikes gegen das Verbot des Theben-Königs Kreon — wenn auch nur symbolisch — bestattete und ihm so den Einzug in den Hades ermöglichte. Antigone stand zu ihrer Tat, sie wurde verhaftet und entzog sich der Strafe durch Selbstmord. Sophokles’ Tragödie über die antike Heldin ist heute ein oft gespielter Bühnenklassiker.

Und was ist mit Ismene? Bei Sophokles spielt Antigones kleine Schwester nur eine Nebenrolle. Und wer sie heute bei Wikipedia sucht, findet wenig. Doch die holländische Dramatikerin Lot Vekemans (Jahrgang 1965) rückte sie mit dem Theater-Monolog "Schwester von" in den Mittelpunkt. Sie stellt uns eine Antiheldin vor, die sich Tausende von Jahren nach ihrem Tod aus einem Zwischenreich zurückmeldet und auf ihr Leben blickt. Ismene will reden, um ihren Frieden mit der eigenen Geschichte zu machen. Sie schämt sich für das, was sie war und dafür, dass so wenig von ihr in Erinnerung geblieben ist. Denn verglichen mit Antigone ist sie eine Episodenfigur, die nichts Denkwürdiges getan hat. Ihre Angst war immer größer als der Mut.

Ein verpasstes Leben

Mit Schauspielerin Christin Wehner inszeniert Anke Salzmann das Solo-Stück nun unter dem Titel "Ismene, Schwester von" fürs Gostner Hoftheater. "Mich hat die Grundidee des Monologs berührt. Es ist die Geschichte eines verpassten Lebens. Ismene sehnt sich zwar nach Mut, aber sie entscheidet nichts selbstbestimmt", erklärt die Dresdner Regisseurin. Insofern sei sie das Gegenstück zu ihrer Schwester, die weiß, was sie will und trotz widriger Umstände handelt.

"Was macht Angst mit dem Menschen", lautet eine zentrale Frage des Stücks. Es gebe viele Leute, die sich wenig zutrauen, deshalb in Passivität verharren und darüber womöglich verbittern, hat Anke Salzmann beobachtet. So wird Ismene zu einer sehr heutigen Figur mit entsprechendem Identifikationspotenzial.

Zwiegespräch mit den Zuschauern

Konsequenterweise soll Antigones Schwester dem Publikum im Gostner Hoftheater auf Augenhöhe begegnen. "Ich möchte keine explizit klassische Theatersituation schaffen, das Ganze soll vielmehr eine Art direktes Zwiegespräch zwischen der Protagonistin und den Zuschauern werden", verrät die Regisseurin. Sie kündigt einen Abend mit emotionalen Umschwüngen und vielen Wendungen an, will aber auch den trockenen Humor des Textes herausarbeiten. Und sie will es pur. Für ihre etwa einstündige Inszenierung, die für Jugendliche und Erwachsene gedacht ist, braucht sie weder Musik noch viele Requisiten. Mit Christin Wehner hat sie eine ideale Schauspielerin gefunden: "Es ist eine Wonne, mit ihr zu arbeiten".

Gostner Hoftheater, Austraße 70, Karten unter 09 11/26 15 10 oder www.gostner.de

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