Reisen zwischen Tag und Nacht

16.10.2015, 19:29 Uhr
Reisen zwischen Tag und Nacht

© Repro: Atzenhofer

Eine raffinierte Mischung aus Malerei und Objekt-Installation präsentiert die Fürther Künstlerin Kathrin Hausel im KunstvereinKohlenhof. Hausel interpretiert das menschliche Leben als eine Wanderung durch dunkle Täler und finstere Wälder, manchmal auch als eine Irrfahrt über nächtliche Flüsse und Meere.

Auf seinen Reisen und Wanderschaften begegnet dem Menschen allerlei Wunderbares und Erschreckendes; er ist immer wieder gezwungen, gegen unheimliche maskierte oder gesichtslose Mächte zu kämpfen. Im Idealfall wird er dadurch gütiger und einsichtiger, weshalb er am Ende das ersehnte Ziel, nämlich die „ewige Heimat“, erreicht.

Reisen zwischen Tag und Nacht

© Foto: FenglerFoto: Linke

Das ist eine ebenso uralte wie zeitlos aktuelle Geschichte, die in der Weltliteratur vielfach variiert wurde. Kathrin Hausel hat sich bei ihrer bildnerischen Umsetzung vor allem an Motiven aus Homers „Odyssee“ orientiert. Natürlich ohne die Absicht, die antike Dichtung lediglich zu illustrieren. Die Künstlerin hat vielmehr versucht, die Grundstimmung und die Kernaussage der sagenhaften Entwicklungsgeschichte in symbolträchtigen Szenen zu veranschaulichen.

Immer wieder thematisiert Hausels Malerei die Mühen und Hindernisse auf der Reise in die heimatliche Geborgenheit, die diversen Verführungen zur Resignation und zur Abirrung vom „rechten“ Weg. Wie die sagenhafte Zauberin Kirke enthüllt sie das Triebhafte, Animalische unter dem dünnen Gewand der Zivilisation. Hausels Bilder und Objekte zeigen den Weltwanderer, wie er in einem kleinen Boot oder auf einem Floß alltäglich schutz- und hilflos den „Launen“ der Elemente ausgeliefert ist. (Grasersgasse 15: „Kathrin Hausel – Stranger in Paradise“. Eröffnung Sa., 19 Uhr; bis 14. Nov., Do.–Sa. 14–19 Uhr)

*Die Gretchenfrage lautet: warum produzieren Künstler Kunst? Damit Sammler sie kaufen? Betrachter sich darüber ärgern oder daran erfreuen? Der Nürnberger Zeichner Markus Putze vergleicht die Fragestellung mit dem Gesang der Vögel. Diese würden auch nicht nach Auftrag tirilieren – es entspricht ihrem Naturell.

Reisen zwischen Tag und Nacht

© Foto: FenglerFoto: Linke

In der Galerie Oechsner will Putze in einer feinen Gemeinschaftsschau mit Susanne Becher und Mirka Farabegoli auf die Frage hinaus: „Why do birds sing?“ Den ersten Hinweis liefert der Untertitel „Die stille Kraft“. Und weitere die Zeichnungen von Farabegoli und Bechers Objekte.

Kräfte wirken still – in den atmosphärisch dichten Werken der drei Kunst-Naturelle, die ein Faible für naturnahe, organische Formen eint und deren Bilder und Skulpturen sehr auratisch sind. Putze etwa aquarelliert Gesichter, ohne sie im herkömmlichen Sinn abzubilden. Eher sieht man Fleckenfelder aus wärmeren und kälteren Farben, die die Ausstrahlung eines Gesichts ahnen lassen.

In Farabegolis Farbzeichnungen und Radierungen fließen sichtlich die Reiseerfahrungen der Niederländerin ein: Der Kult mit Masken aus Asien etwa prägt ihre Motive oder die Skelett-Rituale aus Mexiko, wo man den Tod nicht auf Friedhöfen versteckt, sondern ihn sich bei Straßenfesten und durch andere Rituale vergegenwärtigt.

Die zwergenhaften Kreaturen aus Ton von Susanne Becher wiederum stehen gut geerdet da. Ihnen haftet ein Wuchern an, als wären sie im Wald gewachsen. An Baumblättern, Ästen und Kisten drapiert entlocken sie ein Schmunzeln.

Dass Poesie sich jeder leisten können soll, darin sind sich die drei Künstler einig. Ihre Druckgrafiken bleiben erschwinglich. Stille Kraft muss nicht teuer sein. (Gustav-Adolf-Str. 33; Eröffnung Sa., 19 Uhr; bis 19. Nov, Mi.–Fr. 11–18, Sa. bis 15 Uhr.)

*Mit Verena Waffek und Mathias Otto präsentiert die Galerie Atzenhofer zwei Hochkaräter der regionalen Kunstszene, deren Werke unterschiedlicher kaum sein könnten: Hier Waffeks zarte poetische Zeichnungen auf großzügig weiß belassenem Papier, dort Ottos spannungsvolle Nachtszenarien: Atmosphärisch passt beides erstaunlich gut zusammen.

In Ottos Gemälde, in denen sich die vertraute Umgebung durch subtile Beleuchtung zum nächtlichen Tatort wandelt, schleichen sich neuerdings menschliche Figuren ein. Oder auch Legomännchen, wie in dem doppelt fantastischen Bild „Zwei Poststrukturalisten entdecken ideale Landschaft“: Da blicken die Legomännchen auf ihrem Bücherberg knieend durchs Fenster auf das nächtliche Gebirge hinaus – wie zwei Astronauten, die eine ferne Welt entdecken. Das ist malerische Meisterschaft, gepaart mit klugem Witz und leiser Melancholie. Neu sind auch die auf Filmstills basierenden Triptychen, in denen Otto das spannungsvoll Narrative seiner Bilder noch erweitert. Und seine raren taghellen Gemälde wirken so unheimlich still, dass sie der Realität schon wieder entrückt scheinen.

Bei Verena Waffek ist es die Fragilität der Arbeiten, die stets aufs Neue bezaubert. Porträts von Frauen, die einsam und ernst dem Gegenüber den direkten Blick verweigern, Pflanzen und Vögel, die der Natur exakt nachempfunden sind, in ihrer Zartheit jedoch eine Transformation ins Poetische erleben. Dass die Hell-Dunkel-Strukturen ihrer Zeichnungen stets auf winzigsten Ornamenten beruhen, entdeckt nur der aufmerksame Betrachter. Die Sorgfalt und Akribie, die Waffek jeder ihrer Zeichnungen angedeihen lässt, macht ihre Kunst zu etwas sehr Kostbarem, das den Betrachter zur Achtsamkeit gegenüber der Welt auffordert. (Maxplatz 46a; Eröffnung Sa. 13–18 Uhr; bis 14. Nov., Do.–Sa. 13–19.30 Uhr)

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