«Schönes zu machen, gibt dem Leben Würde»

9.9.2009, 00:00 Uhr
«Schönes zu machen, gibt dem Leben Würde»

© Horst Linke

In seiner Jugend schien es Ismail Atmali völlig undenkbar, dass er einmal Jahrzehnte seines Lebens in einem fremden Land und in einer fremden Kultur verbringen würde. Von 1970 bis 1973 studierte er an der Schauspielschule in Istanbul, weil er überzeugt war von der Möglichkeit einer Karriere im türkischen Sprachraum. Ganz gegen seinen Willen geriet er jedoch bald in eine sehr gefährliche Lage zwischen den Fronten des immer gewaltsamer ausgetragenen türkisch-kurdischen Konflikts. «Aus purer Verzweiflung» hat er seine Heimat schließlich verlassen. Knapp 28-jährig landete er in Nürnberg: Ein politischer Flüchtling und ein junger Schauspieler in einem Land, dessen Sprache er nicht verstand.

Aktiv in Theaterszene

Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, begann er - allen Hindernissen zum Trotz - in der Nürnberger Theaterszene aktiv zu werden. In einem Hinterhof in der Eberhardshofstraße eröffnete er die «Friedensbühne», das erste örtliche Multikulti-Theater, in dem unter anderem in türkischer, griechischer und serbokroatischer Sprache gesungen und gesprochen wurde.

Gute Kontakte pflegte Atmali auch von Anfang an zum benachbarten Gostner Hoftheater, wo er wiederholt in «Gastarbeiter-Rollen» auftrat. Im Stück «Dreck» von Robert Schneider, das 1993 Premiere hatte, war der Part des «Fremden» sogar die Hauptrolle. Atmali spielte den asylsuchenden Sad, der in den Nächten als Rosenverkäufer durch deutsche Kneipen zieht.

Atmali weiß, dass viele Deutsche das mittlerweile naiv finden, aber er glaubt nach wie vor an die völkerverbindende Wirkung von Kunst. So beteiligte er sich zum Beispiel an dem Projekt «Ben Bertolt Brecht» der multinationalen «Kulturinitiative Nürnberg, das den deutschen Stückeschreiber (in türkischen Übersetzungen) den in Deutschland lebenden Türken nahebringen wollte.

Hommage an Dichter

Literaturtransfer in umgekehrter Richtung war ein Programm, das Atmali 2002 zusammen mit seinem deutschen Kollegen Uwe Weiherer erarbeitete: Eine Hommage an den türkischen Dichter Nazim Hikmet zu dessen 100. Geburtstag. Der griechisch-türkischen Verständigung sollte 2007 eine Produktion des «Griechischen Kunstclubs» dienen. In der szenischen Collage «Smyrna/Izmir» schilderte Ismail Atmali das Schicksal jener viel umkämpften Stadt aus türkischer Sicht.

«Weil Bilder keine Sprachgrenzen kennen», malt Ismail Atmali seit 2001 sehr intensiv. Zuerst entstanden realistische Darstellungen vom kurdischen Leben in der Türkei, die jedoch nach und nach immer abstrakter wurden. Die alte Heimat blieb dennoch bis heute in all seinen Arbeiten präsent. Muster, Ornamente, Zeichen und Symbole, die seine aktuellen Gemälde prägen, erinnern ihn selbst an seine Kindheit. Damals vermittelte ihm seine Mutter die allererste Begegnung mit der Kreativität. Sie war die beste Teppichknüpferin im Dorf, sie entwarf ihre eigenen Muster, die von anderen Frauen übernommen wurden.

Mitarbeit bei Mudra

«Schönes zu machen, das gibt dem Leben Sinn und Würde», meint Ismail Atmali. Diese Einsicht will er mit möglichst vielen Menschen teilen. Er arbeitet gern mit anderen zusammen, was nach seiner Meinung eine der «orientalischen Stärken» ist. Bereits in seiner Nürnberger Anfangszeit gehörte er zu den Gründern des Gostenhofer «Kunstquartiers», und in jüngster Zeit engagierte er sich in der Fürther «Schule der Phantasie». Außerdem ist er seit einigen Jahren Mitarbeiter des Drogen-Hilfszentrums «Mudra», wo er türkischsprachige Klienten in der Kreativwerkstatt anleitet.

Atmalis Bilder und Objekte sind im September in zwei umfangreichen Ausstellungen zu sehen. Am 12. September ist Eröffnung im «Loft» des Gostner Hoftheaters, am 18. September folgt die Vernissage im Rahmen der «Interkulturellen Wochen» im Kulturdach des Nachbarschaftshauses Gostenhof.