Viel Freude dank Beethoven

6.1.2020, 18:49 Uhr

Gleich zweimal feierten die Nürnberger Symphoniker vor ausverkauftem Haus mit Beethovens Neunter Symphonie dessen Geburtstag. Aber es gab noch mehr Anlass zur Feierlaune.

Die Nürnberger Symphoniker durften im Laufe der Geschichte ihre Dirigenten in den unterschiedlichsten Dispositionen am Pult erlebt haben. Aber dass sie mit einem Orden auf der Brust geschmückt das Orchester lenken, besaß sicherlich Einmaligkeitscharakter. Möglich machte dies die aktuelle Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Kahchun Wong. Das ist bemerkenswert, schließlich ist Wong der erste Künstler aus Singapur, dem diese Ehre zuteil wird. Und auch über das protokollarische Mindestalter von 40 Jahren sah man angesichts der hervorragenden künstlerischen Leistung hinweg. Gratulation.

Dass man auch Herrn Beethoven feiern darf, stellten die Nürnberger Symphoniker gebührend in den Mittelpunkt. Das dessen letzte Symphonie so selbstverständlich zu Jahresbeginn auf den Konzertbühnen zu finden ist wie "Dinner for One" in den Sendekanälen der Silvesternacht darf man als gute Tradition werten. Wer verbindet nicht mit jedem neuen Jahresbeginn die Hoffnung, dass alle Menschen Brüder werden.

Zwei Werke schlugen eine sinnvolle Brücke zur großen Chorsymphonie. Entgegen dem weitläufigen Narrativ von Beethoven als einem aus sich selbst schöpfenden Genius brauchte auch der Wahl-Wiener Anlässe, um Kompositionen entstehen zu lassen – die aber auch wieder verworfen werden konnten. Seine zu hörende Ouvertüre "Zur Namensfeier, op. 115" sollte mit Schillers "Ode an die Freude" enden. Beethoven verfolgte diese Idee nicht weiter, doch in diesem Werk steckt bereits viel an Energie und Substanz, die sich in seiner 9. Symphonie den Weg bahnte.

Interessant auch das zweite Werk des Abends: In seiner "Chorphantasie, op. 80" findet sich mit der "Gegenliebe"-Melodie, die der Chor zu Christoph Kuffners Text anstimmt, bereits im Kern das "Freuden"-Thema des Finalsatzes. Sein Sahnehäubchen erhielt dieses Stück durch das wie improvisiert wirkende Spiel von Mario Häring am Flügel, das sich in großen Solokadenzen zwischen Chor und Orchester mischte. Bei der Uraufführung übernahm Beethoven selbst diesen Part.

Danach folgte das Werk aller Werke: Eine aus den Konzertchören LGV, HSC und Philharmonischer Chor gebildete Chorvereinigung (mit einer Auswahl von 100 Stimmen) überzeugte genauso wie das Solistenquartett. Hinreißend geriet unter Wongs auswendig geführtem Dirigat der schnelle zweite Satz, wunderbar entspannt der dritte, während der Kopfsatz
viel Kampfeslaune in Szene setzte. Großer Beifall nach dem Final-Satz für alle Beteiligten. Alle Menschen werden Brüder? Warum eigentlich nicht.

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