Wie die Kunst die Poesie beflügelt
22.10.2007, 00:00 UhrWenn Josef Uitz Gedichte zu einer Ausstellung schreibt, verbringt er Tage oder Wochen in einem Atelier. Er setzt sich vor ein Bild und wartet, «dass etwas passiert», wie er selbst den magischen Moment nennt, in dem das Kunstwerk zur Initialzündung für ein Gedicht wird. Einen kleinen Einblick in das Ergebnis künstlerischer Synergie-Effekte dieser Art bekamen die etwa 20 Teilnehmer des Literarischen Spaziergangs, der in die Ateliers von Edith Maria Roth, Ismail Atmali und Bernd de Paynebrune führte. Uitz hatte jeweils ein Bild ausgewählt, zu dem er ein Gedicht vorlas. Darin thematisiert der Poet etwa die Materialwahl eines abstrakten Werkes von Atmali und flicht gekonnt Bezüge zur Biografie des Kurden ein, der 1979 aus der Türkei fliehen musste. Plötzlich erhalten die Quadrate aus rostigen Olivendosen auf goldenem Hintergrund eine neue Dimension und werden zur «rostrot blutgetränkten Erde» in einem Land, aus dem «der Mut und die Liebe verschwand».
Bei der letzten Station im Café Kiosk in der Rosenau gab es bei Glühwein und Tee poetische Reflexionen über eine Fotografie von Ingo Brodbeck, der sich auf ein ungewöhnliches Motiv spezialisiert hat. Er fotografiert Ausschnitte abgerissener, zerfranster Werbeplakate so, dass nur noch ästhetische Schemen und Farbspiele übrig bleiben. Denn: «Die Schönheit verbirgt sich - nicht vor jedem», so der dazu gehörige Gedichttitel von Josef Uitz.
Leider erwies sich die anschließende Veranstaltung, die als «mehrdimensionaler Event» unter dem Titel «Typographie & Topographie» angekündigt war, als ziemlich eintönig. Bei synthetischer «Ambient Musik» von Roland Mietke, deren proklamierte Experimentalität in erster Linie aus endlosen Wiederholungen bestand, wartete das frierende Publikum bis 20 Uhr auf den für 19 Uhr angekündigten Auftritt der Feuer-Künstlerin Catharina Seidel. Der eigentliche mehrdimensionale Event blieb der Literarische Spaziergang. ELKE ROEDER