Zehnjähriges Jubiläum im Kulturpalast Anwanden

07.07.2008, 00:00 Uhr
Zehnjähriges Jubiläum im Kulturpalast Anwanden

© Hans Grasser

Es bleibt ein Gerücht, dass sich Anwanden (600 Einwohner) demnächst als kleinste Kulturhauptstadt Europas bewerben will. Der kleine Verein leistet jedenfalls seit Jahren unverdrossen kulturelle Entwicklungshilfe im fränkischen Niemandsland zwischen Speckgürtel und Diaspora.

Im Mini-TV

Zum Jubiläum ist der satirische Fotoroman «Die Reise nach Anwanden« von Hans Grasser erschienen, und die Highlights der letzten zehn Jahre kann man im Mini-TV-Plastiscop angucken. Die Erotik der Kleinkunstbühne auf Zeit lockt mittlerweile sogar den Oberbürgermeister und andere Würdenträger aus Nürnberg an. Kein Wunder, denn das Programm hat sich gewaschen.

Für einen Höhepunkt sorgte ein Berliner Kabarett: Pigor singt, Benedikt Eichhorn muss begleiten und der Ulf steuert elektronische Sounds bei. Im halsberecherischen Tempo reimt und rappt sich Thomas Pigor durch die Absurditäten des Daseins. Als Napoleon der Kleinkunst markiert er auf der Bühne den zynischen Intellektuellen, der seine Partner zum Vergnügen des Publikums bis an die Scherzgrenze vorführt.

Das aktuelle Programm heißt der Einfachheit halber «Volumen 6« und enthält wieder die tränentreibenden Mischung aus absurden Gedankenspielen, hintersinnigen Chansons und scheinbar abseitigen Themen, für die Pigor & Co bekannt sind. Salon-HipHop nennen die Drei ihre virtuose Mischung aus ätzenden Texten und zündenden Rhythmen. Es geht um so staatstragende Themen wie maulende Rentner, verkorkste Bahnhofsarchitektur, Tomatensaft im Flugzeug, junge Rabenmütter und Zeitverplempern mit Sozialkontakten. Der heimliche Hit «Nieder mit IT« ist das heiß ersehnte Revolutionslied aller Computergeschädigten. Doch kein Grund zum Verzweifeln, denn die oft geschmähte Generation Kevin wird das Kind schon schaukeln und alles wird gut - spätestens wenn der erste Bundeskanzler Kevin heißt.

Suche nach perfekter Form

Während Pigor und Eichhorn mit ihrem geistreich-giftigen Musik-Kabarett ihren ganz eigenen Stil perfektioniert haben, sind Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung noch auf der Suche nach der perfekten Form. Das Berliner Trio setzt ebenfalls auf Musik und beschäftigt sich im aktuellen Programm mit 1968 und den Folgen. Allerdings wird dabei manche gute Idee über Gebühr strapaziert und ausgewalzt. Das Publikum war dennoch auch hier restlos begeistert.

Rainald Grebe ist ein guter Sänger, der sich auf seine musikalischen Partner an der Gitarre und am Schlagzeug verlassen kann. Die ironische Ehrenrettung der 68er-Generation mündet in eine aberwitzige Zeitreise durch eine reizüberflutete, perspektivlose Gegenwart. Für revolutionären Elan ist dieser Kreuz- und Querdenker, ein Enkelkind von Marx und Coca-Cola, nicht zu haben: Zum Kämpfen ist es zu spät, die Verhätnisse sind wie sie sind - zum Totlachen.

Pigor & Eichhorn treten im Februar 2009 in der Nürnberger Tafelhalle auf; Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung sind am 13. Juli, 20 Uhr, in der Nürnberger Katharinenruine zu Gast.