Angst wegen „Russophobie“

Nürnberger Stadtteil wird in Russland für Staatspropaganda instrumentalisiert

Erika Balzer

Redakteurin

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24.05.2025, 04:55 Uhr
Mehrere Profile auf Instagram und Tiktok haben den Beitrag aus dem russischen Staatsfernsehen geteilt. In den Kommentaren unter diesem Post wird vor allem dagegen argumentiert.

© Screenshot Instagram/@nuernberg_today Mehrere Profile auf Instagram und Tiktok haben den Beitrag aus dem russischen Staatsfernsehen geteilt. In den Kommentaren unter diesem Post wird vor allem dagegen argumentiert.

Mitte April machte die Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland Nürnberg (ADR) auf Instagram auf eine Sendung des russischen Senders Rossija 1 aufmerksam, weil es dort um Nürnberg-Langwasser ging. Der Beitrag stammt aus der Sendung „60 Minut“ („60 Minuten“), die von Olga Skabejewa und ihrem Ehemann Jewgeni Popov moderiert wird.

Die Szenen, die gezeigt werden und über die die Moderatorin Skabejewa spricht, stammen aus einer Dokumentation von arte, die Ende März in der Reihe Tracks East veröffentlicht wurde („Faszination Putin: Warum diese Menschen ihn verehren“). Das Reporter-Team ist nach Russland, Serbien und Nürnberg-Langwasser gereist, um mit Personen zu sprechen, die auch drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs noch immer mit Putin sympathisieren.

Propaganda: „Angst und ukrainische Nazis in ganz Deutschland“

Skabejewa spricht in ihrer Sendung über Russophobie, die russischsprachige Menschen in Deutschland erleben würden und darüber, dass sich „die Ihrigen“ nicht mehr aus dem Bezirk Langwasser raustrauen würden - aus Angst vor ukrainischen Nazis, die mittlerweile überall in Deutschland anzutreffen wären.

Der Stadt Nürnberg war die Berichterstattung im russischen Staatsfernsehen nicht bekannt: „Die [...] geschilderten Vorwürfe sind abwegig und gehören ins Reich der (russischen) Propaganda. Dies ist der Versuch, die Ukraine zu delegitimieren sowie Ukrainerinnen und Ukrainer zu diskreditieren“, heißt es aus dem Amt für Kommunikation. Auf privater Ebene könne es solche Konflikte natürlich trotzdem geben, ohne dass die Stadt davon Kenntnis habe.

Langwasser ist nicht „Klein-Russland“

Nürnberg-Langwasser ist ein multiethnischer Stadtteil. „Viele wissen gar nicht, wie viele unterschiedliche Menschen hier leben und wie viele Identitäten hier aufeinander treffen“, sagt Elizaveta Shlosberg von der ADR. Über 60 Prozent der Bürger und Bürgerinnen in Nürnberg-Langwasser haben eine Migrationsgeschichte. Ein Großteil kommt aus der Russischen Föderation, Polen, Kasachstan, Rumänien und der Ukraine. Seit dem Angriffskrieg 2022 haben auch einige Exil-Russen in Nürnberg Zuflucht gesucht, die aufgrund ihrer Anti-Kriegshaltung das Land verlassen mussten, berichtet Shlosberg.

„Wer mit Russlandfahne und Georgsbändchen auf die Straße geht, wird deshalb natürlich auf Gegenwehr treffen“. Das orange-schwarze Georgsband ist eins der wichtigsten Symbole, das sich auf den Sieg Russlands im Zweiten Weltkrieg bezogen hat. Heute ist es aber auch ein Zeichen im Angriffskrieg gegen die Ukraine.

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Shlosberg weist darauf hin, dass es - genauso wie in anderen Teilen Deutschlands - auch in Langwasser antidemokratische Tendenzen gebe, weshalb sie und die ADR einen Fokus auf Aufklärungsarbeit auf verschiedenen Sprachen setzen. Ein „Klein-Russland“, wie Langwasser schon lange genannt wird, gebe es hier aber nicht. Auf Instagram entkräftet der Verein die Aussagen von Skabejewa: „Hier gibt es keine russophobe oder hasserfüllte Stimmung gegen russischsprachige Menschen. Im Gegenteil: Viele leben hier seit Jahren friedlich miteinander.“

Die Kommentare auf Instagram gehen in mehrheitlich in die gleiche Richtung. Einige User berichten, sie würden selbst aus Nürnberg kommen und eine „russophobe“ Stimmung nicht wahrnehmen - „so ein Unsinn“ schreibt eine Person. Vielmehr gelinge es hier gut, Seite an Seite zu leben.

Das sagen die Behörden

Eine Nachfrage beim Polizeipräsidium Mittelfranken ergab: „Eine Auswertung zu spezifischen Stadtteilen wäre theoretisch möglich. In der Praxis geben wir solche Zahlen allerdings nicht heraus, da dies weitreichende Auswirkungen auf den betreffenden Stadtteil haben könnte.“ Über die Vorwürfe der Moderatorin liegen dem Kommissariat für Staatsschutz zumindest keine Erkenntnisse vor.

Laut Bundeskriminalamt wurden im Jahr 2023 insgesamt 3592 Straftaten mit dem Unterthemenfeld „Ukraine“ durch die Länder gemeldet. Zum Vergleich: Im Jahr 2022, als die Vollinvasion durch Russland begonnen hat, waren es noch 5510 gemeldete Straftaten. „Dies bedeutet einen erheblichen Rückgang der Fallzahlen um minus 34,81 Prozent.“ Und: Die neuesten vorgestellten Zahlen vom 20. Mai 2025 ergeben, dass die Straftaten in diesem Themenfeld auch 2024 nochmals um 39 Prozent zurückgegangen sind.

Russlands Propagandistin Olga Skabejewa

Olga Skabejewa arbeitet seit 2003 bei Rossija-1. Der Sender gehört zur staatlichen Medienholding WGTRK und untersteht damit dem Kreml. Zweimal täglich erscheint die Sendung „60 Minut“ („60 Minuten“) von Olga Skabejewa und ihrem Mann Ewgeni Popov, der gleichzeitig auch Abgeordneter der Kreml-Partei „Einiges Russland“ ist. Laut der Rechercheplattform dekoder ist Skabejewa eine knallharte Propagandistin, die vor allem für ihren Hass und die Desinformation gegenüber dem Westen und für ihre anti-ukrainische Haltung bekannt ist. Sie steht auf den Sanktionslisten der EU, den USA, Kanada und Großbritannien.