Schäferhündin ohne Leine

Nürnberger Polizist erschoss bissigen Hund: Geldstrafe für Tierbesitzer

24.11.2021, 07:58 Uhr
Nürnberger Polizist erschoss bissigen Hund:  Geldstrafe für Tierbesitzer

© privat

"Hurensohn! Ich stech’ dich ab, du Hundemörder!" Die Verzweiflung von Jörg B. am Abend des 16. August 2020 war grenzenlos. Seine Wut auch. Ein Polizist hatte seine Schäferhündin getötet.

An jenem Sonntag lockte die Sonne viele Menschen in den Wiesengrund, auch nahe der Theodor-Heuss-Brücke wurde gegrillt und gefeiert - doch gegen 19 Uhr stritt ein gutes Dutzend Personen so lautstark, dass ein unbeteiligter Passant die Polizei alarmierte. Der traurige Höhepunkt: Um 20.30 Uhr schoss ein Polizist auf "Kira". Das Tier hatte ihm in die Wade gebissen.

"Kira" starb in der Tierklinik

Das Projektil war in die Brust eingedrungen, hatte die Lunge durchschlagen und war seitlich wieder ausgetreten. Ein glatter Durchschuss. Die Hündin rannte weg, und stieß blutigen Speichel aus, bis sie vor ihrem Herrchen Jörg B. (53) zusammenbrach. Der Hund starb kurz darauf in einer Tierklinik, der verletzte Polizist wurde ins Krankenhaus gebracht.

"Wir haben beide unsere Finger auf die Einschussstelle gepresst. Und auf das Loch, aus dem das Geschoss ausgetreten war. Wir haben uns bemüht, die Blutung zu stillen."
So schildern es Jörg B. und dessen damalige Freundin nun vor dem Amtsgericht Nürnberg - Beleidigung und fahrlässige Körperverletzung lauten die Vorwürfe gegen Jörg B.; er hatte Hündin "Kira" nicht angeleint, das Tier biss zwei Passanten und einen Polizisten.

Mix aus Alkohol und Aggressionen

B. genoss an jenem Tag mit Bekannten die Sonne, man trank Bier. Auch Familien syrischer und irakischer Herkunft saßen an der Pegnitz, sie feierten eine Taufe.
Es war einmal mehr die unheilvolle Mixtur aus Alkohol, Aggressionen und Vorurteilen, die den Sonntagsfrieden störte.

Angeblich fütterten Kinder der arabischen Familien die Hunde der Gruppe um Jörg B., deren Eltern schritten ein, einer der Bekannten von Jörg B. äußerte sich ausländerfeindlich und schließlich schrien sich einige aus all diesen Gruppen gegenseitig an.

Hündin verletzte einen Mann (49) und eine Schülerin (17)

Jörg B., dies belegen Handy-Videos, die im Gerichtssaal gezeigt werden, mühte sich, zu schlichten. Doch viel konnte er nicht ausrichten. Das Geschrei wurde lauter, die Aufregung bedrohlicher, Schäferhündin "Kira" rannte zwischen den Menschen hin und her. Und plötzlich schnappte das Tier nach einem 49-jährigen Mann und einer 17-jährigen Schülerin.

Eine erste Polizeistreife vor Ort bekam den Tumult nicht in den Griff. Die Beamten riefen einen Krankenwagen, forderten Verstärkung von der Polizeiinspektion West an. Sie erteilten Platzverweise, um für Ruhe zu sorgen.

Hündin riss sich los

"Kira" war mittlerweile an der Leine, einer von B.s Bekannten hielt das Tier. Ein Polizist forderte diesen Mann mehrfach auf, mit "Kira" einige hundert Meter weit weg zu gehen. Doch der Mann widersetzte sich, die Hündin bellte, riss sich los und biss dem Beamten in die Wade. Der Polizist zog seine Dienstwaffe.

Aus Sicht von Jörg B. völlig übertrieben - hätte nicht eine Ladung Pfefferspray den Hund stoppen können? Hätte dieses mildere Mittel nicht genügt? Er wolle dem Polizisten bestimmt nicht mehr drohen, doch für ihn stehe fest: Der Beamte habe ihm ein "Familienmitglied" genommen.

Verteidiger: Der Tod des Hundes ist Strafe genug!

B.s Verteidiger Ralf Peisl fordert Freispruch. Freilich hatte B. sein Tier zunächst nicht angeleint, doch der Tod des Hundes treffe ihn so schwer, dass die Verhängung einer Strafe offenkundig verfehlt wäre.

Auch der gebissene Polizist, er war fünf Tage dienstunfähig, betont, kein Interesse an B.s Bestrafung zu haben. "Die Beleidigungen verzeihe ich ihm. Aber die Drohung (Ich stech’ dich ab, du Hundemörder!) jagte mir damals Angst ein."

Doch nicht nur Jörg B. hatte den Polizisten eingeschüchtert. Als die Polizei den Schuss aus der Dienstwaffe und den Tod des Hundes öffentlich bekannt gab, wurde der Beamte von Unbeteiligten im Internet mit Hass überzogen. "Auch deshalb habe ich damals eine Auskunftssperre für meine Adresse beim Einwohnermeldeamt beantragt."

1000 Euro Schmerzensgeld für Polizisten

Per Zivilklage hat der Beamte bereits 1000 Euro Schmerzensgeld von B. erstritten.
"Ich hatte selbst elf Jahre lang einen Hund, gern habe ich nicht geschossen. Doch die Situation war bedrohlich, mir blieb keine Wahl!"

Am Ende verhängt Amtsrichterin Andra Lindner nur wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro (900 Euro). Sie hält Jörg B. zu Gute, dass er wirklich versucht habe, zu schlichten. Doch als er merkte, wie aufgeregt seine Hündin war, hätte er das Tier an der Leine wegziehen müssen.

"Der Hund muss gedacht haben, sein Herrchen braucht Hilfe", so die Richterin. Die Verletzungen des Mannes und des Mädchens waren zwar nicht schwer, doch der Angeklagte hat bereits 22 Vorstrafen und er habe fahrlässig gehandelt. "Seine Verantwortung will er nicht wahrhaben, weil er seinen Hund verloren hat."