Bill Gates: Der Lieblingsfeind der Verschwörungstheoretiker

13.5.2020, 16:08 Uhr

Bill Gates, der Lieblingsfeind der Verschwörungstheoretiker. Doch was ist an dran, an vielen Theorien? © Money Sharma, afp

Im Frühjahr 2015 ließ er den Alarmwecker zum ersten Mal schrillen. Bill Gates karrte ein olivgrünes Fass auf eine Konferenzbühne in Vancouver, ein Fass, auf dem stand, dass darin Überlebensvorräte aufbewahrt werden. Im Falle eines Atomkriegs, erinnerte der 64 Jahre alte Microsoft-Gründer an seine Kindheit, hätten die Amerikaner in Kellern von dem leben müssen, was sie auf Anraten ihrer Regierung in den Fässern lagern sollten. Von Konserven und abgefülltem Wasser.


Werbung
Werbung


"Als ich ein Kind war", sagte Gates, "war ein Nuklearkrieg das Desaster, vor dem wir am meisten Angst hatten". Dann ließ er Bilder einblenden, erst die Pilzwolke nach einer Atombombenexplosion, im Anschluss, vielfach vergrößert, das Modell eines Grippevirus mit seinen charakteristischen Stacheln. So wie das Stachelding sehe heute das größte Risiko einer globalen Katastrophe aus, orakelte er.

Wenn irgendetwas in den nächsten Dekaden mehr als zehn Millionen Menschen töte, dann werde es wohl kein Krieg sein, sondern ein hochansteckendes Virus - "nicht Raketen, sondern Mikroben". Dafür müsse man üben, dafür müssten die Staaten Bakterien-Manöver abhalten, an Computern Krisenfälle simulieren, so wie das Militär bei Manövern für einen bewaffneten Konflikt trainiere.

"Wenn wir jetzt damit anfangen, sind wir vielleicht gewappnet für die nächste Epidemie." Der Auftritt in der kanadischen Stadt, für Anhänger bizarrer Verschwörungstheorien ist er ein Indiz dafür, dass Gates schon damals wusste, was 2020 auf die Menschheit zukommen würde. Mehr noch, dass er es plante. Von einem Profitgeier ist die Rede, der sich, finanziell an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus beteiligt, sein 106-Milliarden-Dollar-Vermögen enorm aufstocken werde, wenn der Impfstoff erst hergestellt sei.



Von einem kontrollbesessenen Hightech-Freak, der den Menschen Mikrochips einpflanzen wolle, vordergründig, um Immunität auszuweisen, tatsächlich, um sie rund um die Uhr zu überwachen.

Die Idee einer Corona-App diene allein dem Zweck totaler Kontrolle, schnitt Laura Ingraham, eine Moderatorin des rechtskonservativen Senders Fox News, bereits vor Wochen ein anderes kontrovers diskutiertes Thema an. "Jeden Schritt, den Amerikaner tun, digital zu verfolgen, davon träumen die Globalisten doch schon seit Jahren."

Ein Globalist ist in der Wortwahl von Anhängern Donald Trumps, wer sich der liberalen Weltordnung verpflichtet fühlt, und Gates gilt neuerdings als eine Art Erzglobalist, als Lieblingsfeind des "America first". Ob er bei der Schaffung und Verbreitung des Coronavirus eine Rolle gespielt habe, darüber müsse man in schonungsloser Offenheit debattieren, meint Roger Stone, ein alter Vertrauter Trumps. Kritik kommt aber auch aus einer Ecke, aus der man sie nicht unbedingt erwartet hätte.

Robert F. Kennedy junior, Neffe des Präsidenten John F. Kennedy, der Parteifarbe nach Demokrat, wirft dem Multimilliardär vor, die Corona-Forschungen nur deshalb zu unterstützen, weil er in der Pose des Wohltäters für seine eigentlichen Geschäftsinteressen werben wolle. RFK junior leitet "Children’s Health Defense", ein Netzwerk von Impfgegnern.

Gates, der Philanthrop, zog sich 2008 aus der Unternehmensführung von Microsoft zurück, um sich ganz seiner Stiftung zu widmen. Sicher auch, um sein Image aufzupolieren, um ein Statussymbol zu pflegen, was Milliardärskollegen wie Warren Buffett oder Michael Bloomberg maßgeblich zu karitativem Engagement motiviert. Die Bill & Melinda Gates Foundation organisiert Impfkampagnen in ärmeren Ländern, sie wirbt im Sinne der Familienplanung für Verhütungsmittel, in den USA unterstützt sie Bildungsprogramme.



Mit einem Kapital von 47 Milliarden Dollar ist sie die größte gemeinnützige Organisation der Welt. In der Coronakrise finanziert sie mehrere Projekte zur Suche nach einer Impfung, in den Worten ihres Direktors Mark Suzman, weil sie in der Lage sei, "Wind in die Segel von Ideen" zu blasen und Risiken einzugehen, die Staaten nicht übernehmen könnten und Pharmakonzerne nicht übernehmen wollten.

Angefangen hat es im Januar. Während für die elf Millionen Bewohner Wuhans der Lockdown begann, sagte die Stiftung Finanzspritzen für Mediziner in China und Afrika zu. Mitte Februar richtete Gates ein Treffen von Epidemiologen und anderen Gesundheitsexperten aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Covid-19 innerhalb Chinas eindämmen lasse, sehe er bei unter als 25 Prozent, soll er die Lage hinterher im Kreis führender Mitarbeiter analysiert haben.

Im "New England Journal of Medicine", einer in Boston herausgegebenen Fachzeitschrift, schrieb er schon damals von einer Pandemie, die sich über den gesamten Globus auszubreiten drohe. SARS-CoV-2 verhalte sich inzwischen wie jener "Einmal-in-einem-Jahrhundert-Erreger", den er so gefürchtet habe. Im April, als Trump ankündigte, der Weltgesundheitsorganisation die Mittel zu streichen, hielt er entschieden dagegen.

"Wir brauchen die WHO. Sie in ihrer Arbeit zu behindern, indem man jetzt alle möglichen Ermittlungen anschiebt – ich begreife es nicht." Wenn die WHO etwas benötige, dann sei es mehr Geld. Während Trump auf eine Kollision mit China zusteuert, während der Präsident von Vergeltung spricht, warnt Gates vor der Versuchung, allzu simple Feindbilder an die Wand zu malen. Gewiss, China müsste offener sein, es müsste internationalen Experten gestatten, in Wuhan nach dem Ursprung der Krankheit zu suchen.

Er beobachte aber auch eine Art Rasterdenken, fügt er an. Wann immer etwas dramatisch Neues passiere, nähmen die meisten Menschen althergebrachte Kritik an dem jeweiligen Land zur Grundlage, um sie de facto zu wiederholen. "Ich denke, wir sollten konkreter werden." Im Moment sehe er nicht, "dass jemand, was den Ursprung der Krankheit betrifft, etwas bewusst zurückhält".



Dafür bekommt er von der Trump-Fraktion den Vorwurf zu hören, er lasse sich des Geschäfts wegen zum Sprachrohr Pekings machen. Dann wären da noch die ausgesprochen nüchternen Töne aus dem Munde eines Mannes, der sich früher oft als ungeduldigen Optimisten bezeichnete. Jedes größere Problem dieser Welt, das war lange der Kern seiner Philosophie, lasse sich durch technische Innovation irgendwann lösen.

Bereits 2017, im Jahresbericht seiner Stiftung, konnte man Zeilen lesen, die auf eine gewisse Ernüchterung schließen ließen: Er mache sich Sorgen, denn eine "Neigung zum Kürzen" könnte zur Folge haben, dass man in den Ländern des Westens das Interesse an den ärmsten Teilen des Planeten verliere. Heute warnt er vor hemdsärmeligem Optimismus, der nicht auf Fakten beruhe.



Man könne gut verstehen, schrieb Bill Gates neulich in der "Washington Post", dass sich der nationale Diskurs nunmehr der Frage zuwende: Wann können wir zurückkehren zur Normalität? Das Herunterfahren der Wirtschaft habe vielen Menschen unermesslichen Schmerz zugefügt, sei es durch Jobverlust, sei es durch ein Leben in Isolation. "Die Leute können es kaum erwarten, den Laden wieder in Schwung zu bringen.

Der Wille ist da, aber den Weg gibt es leider noch nicht." Bevor man zu „Business as usual“ zurückkehren könne, müsse ein Impfstoff zur Verfügung stehen, in großen Mengen. Und wenn es so weit sei, gehe es darum, alle fast acht Milliarden Erdenbewohner vor dem Virus zu schützen.