Aus dem Labor

Erstes veganes Ei soll im Herbst in Deutschland verkauft werden

Isabel Pogner

Online-Redaktion

E-Mail zur Autorenseite

26.2.2023, 16:29 Uhr
So ähnlich wie echte Eier sehen auch die Ei-Alternativen aus dem Labor aus. (Symbolbild)

© IMAGO/imageBROKER/Jürgen Pfeiffer So ähnlich wie echte Eier sehen auch die Ei-Alternativen aus dem Labor aus. (Symbolbild)

Das Problem mit dem herkömmlichen veganen Ei-Ersatz: Zwar gab es bislang adäquate Alternativen für das Ei im Kuchen oder sogar fürs Rührei - aber das ist in der Regel ein Pulver, das, mit Wasser vermischt, irgendwie so ähnlich aussieht wie gequirlte Eimasse. Ein Team des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik- und Verpackung in Freising haben nun einen Ei-Ersatz entwickelt, der dem Original täuschend ähnlich ist. 2021 wurde das Projekt ausgegliedert und läuft inzwischen als Start-Up in Berlin. Darüber hat unter anderem die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Das Fake-Ei sieht aus wie ein echtes. Und es verhält sich wohl auch so: es lässt sich kochen und löffeln oder in der Pfanne aufschlagen, beschreibt das Start-Up Neggst auf seiner Website. Dort schreibt CEO Verónica García-Arteaga: "Über der Idee haben wir schon eine Weile gebrütet, jetzt ist unser Ei-Geschäft endlich geschlüpft!" Laut Neggst ist das Produkt das weltweit erst seiner Art.

Zwei Jahre Forschung stecken hinter dem Ei. Die Zutaten dafür sind komplett pflanzenbasiert, erklärt das Fraunhofer Institut in einem Infostück. Das Eiklar etwa besteht aus Pflanzenproteinen und Hydrokolloiden, die Glibber bilden. Die Schale besteht aus einer Art Bio-Plastik gemischt mit Kalk. Wie auch die Schale echter Eier ist die Neggest-Verpackung biologisch abbaubar. Im Eigelb stecken unter anderem Proteine aus Hülsenfrüchten, Süßkartoffeln und Erbsen, omega-3-Fettsäuren und Pflanzenöl. Geruch und Geschmack erzeugen die Forscher mit Hilfe von Kala-Namak, einem Schwefelsalz, das schon lange fester Bestandteil in vielen veganen Küchen ist.

Ende des Jahres will das Start-Up das Ei in den deutschen Supermärkten verkaufen - unter dem Namen "Neggst".

Warum braucht es überhaupt vegane Eier?

Das vegane Ei soll einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Jeder Deutsche isst im Durchschnitt 238 Eier im Jahr. CEO Arteaga sagt: "Die Produktion von Hühnereiern in der Masse verbraucht unnötig viele Ressourcen im Verhältnis zu dem, was man dafür bekommt. Man ernährt die Menschheit über die Massentierhaltung schlichtweg nicht effizient." Ein einzelnes Hühnerei verbraucht in der Produktion laut Bundeszentrale für politische Bildung 135 Liter Wasser bei der Produktion. Denn das Huhn, dass das Ei legt, muss erst großgezogen werden und hat Durst. Und auch das Futter, dass das Huhn verzehrt, verbraucht im Anbau viel Wasser. Vegane Ei-Alternativen kommen in der Regel mit weniger Ressourcen aus. Außerdem setzen die Landwirte in der Massentierhaltung viel Antibiotika ein, um Krankheiten einzudämmen. Das gelingt aber nur bedingt, aktuell grassiert die Vogelgrippe in Deutschland.

Neben der hohen Umweltbelastung steckt hinter Hühnereiern aber noch eine andere Problematik: Legehennen führen in Deutschland meistens kein glückliches Leben auf einer großen Wiese. Zehn Prozent der Eier stammen aus Kleingruppen-Käfigen, erklärt der Deutsche Tierschutzbund. Dort hat ein Tier 800 Quadratzentimeter Platz - das ist etwas mehr als eine DIN-A4-Seite. Die Tiere können sich kaum bewegen. Deshalb bekommen sie Fußballengeschwüre, Fettlebern und brüchige Knochen. Und sie entwickeln Aggressionen, die sie an ihren Artgenossen auslassen. Sie reißen sich die Federn aus oder kannibalisieren sich gegenseitig.

Die meisten deutschen Eier stammen von Hennen aus der Bodenhaltung. Dort sitzen die Tiere überwiegend auf Latten- oder Gitterrosten. Neun Hennen pro Quadratmeter. Da in den Gruppen bis zu 6.000 Tieren gehalten werden dürfen, können die Tiere keine Rangordnung bilden. Das führt ebenfalls dazu, dass die Hennen ihre Aggressionen unwillkürlich an Artgenossen auslassen. Außerdem sterben viele Tiere durch den massiven Stress, den das Gedränge auslöst, erklärt die Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

In der Freilandhaltung dürfen maximal 3.000 Tiere in einem Auslauf leben. "Bei dieser Haltungsform können die Grundbedürfnisse der Hennen wesentlich besser umgesetzt werden als im Käfig", erklärt Vier Pfoten. Doch auch bei dieser Haltungsform werden vielen Hennen die Schnabelspitzen ohne Betäubung abgeschnitten, damit sich die Tiere weniger verletzen. Außerdem ist der Hühnerkörper nicht darauf ausgelegt, jeden Tag ein Ei zu produzieren. Dass Hühner etwa 300 Eier im Jahr legen, liegt an der speziellen Zucht. Die ursprünglichen Rassen haben nur wenige Eier im Jahr gelegt, erklärt Peta.

Die 300 Eier, die eine Henne im Jahr legt, kosten sie viel Kalzium. So viel kann das Tier aber nicht über das Futter aufnehmen, deshalb zieht der Körper das Kalzium aus den Knochen, "was dazu führt, dass nahezu alle Hühner in der Eierindustrie an Mehrfachbrüchen des Brustbeins leiden", erklärt Peta. Hühner, die wenige Eier pro Jahr legen, können bis zu 15 Jahre alt werden. Die für die Eiproduktion gezüchteten Rassen sterben allerdings schon nach zwei Jahren, weil die Körper die Belastung nicht aushalten. Vier Pfoten erklärt: In der Industrie werden die Legehennen in der Regel nach 1,5 Jahren geschlachtet.