Coronavirus

Medizinische Gründe: Wer sollten sich nicht ohne Weiteres impfen lassen?

10.9.2021, 13:08 Uhr
Eine Personengruppe muss auf eine Impfung gegen das Coronavirus grundsätzlich verzichten.

© Harald Sippel, NN Eine Personengruppe muss auf eine Impfung gegen das Coronavirus grundsätzlich verzichten.

Wer darf sich grundsätzlich nicht gegen Corona impfen lassen?

Derzeit müssen nur nur Personengruppe grundsätzlich auf eine Impfung gegen das Corona-Virus verzichten: Kinder unter zwölf Jahren, denn für sie ist bislang bekanntlich kein Impfstoff zugelassen. Bei einigen anderen Gruppen gibt es Einschränkungen, eine Impfung ist aber nicht völlig ausgeschlossen.

Menschen mit bekannten Allergien gegen bestimmte Inhaltsstoffe eines Vakzins dürfen mit diesem nicht geimpft werden. Laut der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betriebenen Website impfen-info.de können Personen, für die ein Impfstoff ausfällt, in der Regel mit einem der anderen geimpft werden – also beispielsweise mit einem vektorbasierten Vakzin statt mit einem mRNA-Impfstoff.

Generell treten allergische Reaktionen auf die zugelassenen Vakzine laut dem Paul-Ehrlich-Institut sehr selten auf. In den USA und in Großbritannien waren mehrere Geimpfte mit einem anaphylaktischen Schock zusammengebrochen. Als Auslöser vermuten Experten individuelle, körpereigene Reaktionen auf die im Impfstoff enthaltenen Nanopartikel, die das Immunsystem fälschlicherweise als Viren erkennen könnte, oder das im Impfstoff enthaltene Polyethylenglykol – kurz PEG. Der Hilfsstoff findet sich mitunter auch in Kosmetika, Reinigungsmitteln und Medikamenten in deutlich höherer Dosis als in den Impfstoffen.

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Betroffenen, die in der Vergangenheit auf Medikamente oder andere Impfungen stark allergisch reagierten, den Hausarzt zu befragen und sich im allergologischen Zentrum vorzustellen - dort seien die Inhaltsstoffe der Impfstoffe einsehbar. Eine solche Einrichtung findet sich in Bayern an der Klinik für Dermatologie und Allergologie der TU München.

Gruppen, die eine mögliche Impfung mit einem Arzt besprechen sollten

Weitere Kontraindikatoren beziehungsweise Vorerkrankungen, bei denen dauerhaft oder vorübergehend von einer Impfung abzuraten ist, sind derzeit nicht bekannt. Jeder, der möchte, kann sich impfen lassen - bestimmte Personengruppen sollten ihr Vorhaben aber vorab mit einem Arzt besprechen.

Schwangere

Derzeit rät die Ständige Impfkommission (Stiko) Schwangeren noch nicht zur Impfung, das soll sich aber ändern. Künftig will die Stiko die Impfung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel sowie bei Stillenden empfehlen, wie das Robert-Koch-Institut am Freitag in Berlin mitteilte. Der Beschlussentwurf muss noch durch ein sogenanntes Stellungnahmeverfahren mit den Bundesländern und beteiligten Fachkreisen. Es handelt sich also noch nicht um eine endgültige Empfehlung.

In vielen anderen Ländern werden Schwangere bereits seit Längerem geimpft – "ohne Probleme", wie ntv den Immunologen Watzl zitiert. Auch Christian Albring, Chef des Frauenärzte-Verbands, empfiehlt eine Impfung – gerade aufgrund der Erkenntnisse zur Delta-Variante: Die Mutante gehe, so teilte Albring es dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit, internationalen Berichten zufolge mit einer hohen Infektiosität und einer erhöhten Erkrankungsrate auch bei Schwangeren einher. Eine Impfung "vor und in der Schwangerschaft sowie im Wochenbett und in der Stillzeit" würden die Gynäkologenverbände demnach als "sinnvoll" erachten.

Gerinnungsstörungen

Patienten, die an einer Gerinnungsstörung leiden oder Blutgerinnungshemmer (Antikoagulanzien) einnehmen, können nach Absprache mit ihrem Hausarzt geimpft werden – unter bestimmten Umständen: Bei Menschen dieser Gruppe nutzen Impfärzte bei der intramuskulären Verabreichung eine sehr feine Injektionskanüle und drücken abschließend für mindestens zwei Minuten eine Kompresse auf die Einstichstelle. Dieses Vorgehen vermeidet das Entstehen eines Hämatoms.

Kapillarlecksyndrom

Das Kapillarlecksyndrom, auch bekannt als Clarkson-Syndrom, ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Erkrankung mit Wassereinlagerungen und niedrigem Blutdruck. Nachdem laut dem Paul-Ehrlich-Institut in den ersten Tagen nach Verabreichung der Vektorimpfstoffe "sehr selten Fälle des Kapillarlecksyndroms berichtet wurden, in einigen Fällen mit tödlichem Ausgang", dürfen Patienten dieser Gruppe nicht die Impfstoffe von Johnson & Johnson und von Astrazeneca erhalten. "Diese Personen können mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden", zitiert ntv den Immunologen Carsten Watzl.

Herzmuskelentzündung

Unter den schätzungsweise 197 Millionen bis zum 31. Mai 2021 verabreichten mRNA-Impfdosen trat eine Myokarditis laut dem Paul-Ehrlich-Institut im Europäischen Wirtschaftsraum in 145 Fällen nach einer Biontech-Impfung und in 19 Fällen bei Moderna auf.

Demzufolge sieht Watzl in einer Herzmuskelentzündung kein Argument gegen eine Impfung. Tritt nach der ersten Impfung mit Biontech oder Moderna eine Myokarditis auf, sollte keine weitere mRNA-Dosis verabreicht, sondern auf einen anderen Impfstoff ausgewichen werden.

Autoimmunerkrankungen

Die Basedow-Krankheit, rheumatoide Arthritis oder Typ-I-Diabetes zählen laut MSD Manual zu den häufigsten Autoimmunerkrankungen, die im Kern eine Fehlsteuerung des Immunsystems, bei der körpereigene Strukturen angegriffen werden, gemein haben. Bei Personen mit derartigen Erkrankungen besteht bei jeder Infektion und bei jeder Impfung das seltene, aber vorhandene Risiko, dass ein Schub ausgelöst wird. Selbiges gilt laut Watzl auch bei der Corona-Impfung. Ein "genereller Impfausschluss" sei das aber nicht.

Eine Studie am Deutschen Zentrum Immuntherapie, die im Annals of the Rheumatic Diseases veröffentlicht wurde, ergab: Patienten mit Autoimmunerkrankungen vertragen die Impfung gut und weisen gar geringere Reaktionen auf als gesunde Menschen. Aber: Jeder zehnte Patient, der unter einer solchen Erkrankung leidet und mit Biontech geimpft wurde, entwickelte keine Antikörper. Für solche Fälle wurden früh Auffrischungsimpfungen, zum Beispiel als Kreuzimpfung, diskutiert.

Krebserkrankungen

Krebspatienten zählen ebenfalls zur Risikogruppe für schwere Krankheitsverläufe nach einer Infektion mit dem Coronavirus. Eine Impfung wird deshalb grundsätzlich empfohlen. Bei Patienten, die stark immununterdrückende Medikamente einnehmen, kann es laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum jedoch möglicherweise nur zu einem eingeschränkten Schutz kommen. So unterdrückt beispielsweise eine Chemotherapie das eigene Immunsystem. Inwiefern dann die gewünschte Schutzwirkung erreicht wird, ist noch nicht abschließend untersucht. Mediziner empfehlen daher eine individuelle Absprache mit dem Arzt.

Dieser Artikel vom 25. August wurde am 10. September aktualisiert.

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