Neue Studie

Müdigkeit und Kopfschmerzen: Sind Impfreaktionen nach einer Corona-Impfung oft nur Einbildung?

21.1.2022, 17:26 Uhr
Nach einer Covid-Impfung treten häufig Nebenwirkungen auf. Laut einer neuen Studie ist das oftmals auf einen psychologischen Effekt zurückzuführen. 

© Stefan Hippel, NN Nach einer Covid-Impfung treten häufig Nebenwirkungen auf. Laut einer neuen Studie ist das oftmals auf einen psychologischen Effekt zurückzuführen. 

Viele Menschen, die eine Corona-Impfung hinter sich haben, kennen das Problem: Oftmals treten danach Beschwerden auf, die logischerweise auf die Impfdosis zurückführt werden. Die Impfreaktionen treten in der Regel kurz nach der Impfung auf und halten wenige Tage an. Nun deutet eine Studie aus den USA daraufhin, dass die Beschwerden oftmals nur durch die menschliche Psyche ausgelöst werden.

Laut Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gibt es bestimmte Impfreaktionen, die besonders häufig auftreten: In den Zulassungsstudien für den Impfstoff von Biontech und Pfizer in etwa traten Nebenwirkungen wie Müdigkeit (80 Prozent), Kopfschmerzen (mehr als 50 Prozent) oder Muskelschmerzen und Schüttelfrost (mehr als 30 Prozent) auf.

Ein Forscherteam des Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston (BIDMC) hat in einem Fachmagazin nun die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die eine Erklärung für die häufigen Impfreaktionen bieten. Demzufolge ist ein großer Teil der empfundenen Beschwerden auf den sogenannten Nocebo-Effekt, eine Umkehrung des Placebo-Effekts, zurückzuführen.

Der Nocebo-Effekt ist schon seit längerem in der Medizin bekannt: Allein die Erwartung an negative Folgen, zum Beispiel durch eine Impfung, kann tatsächliche Schmerzen oder Beschwerden auslösen. Das Forscherteam aus Boston hat über eine Meta-Analyse die Wirkung des Nocebo-Effekts nach einer Covid-Impfung untersucht.

76 Prozent der Nebenwirkungen sind auf Nocebo zurückzuführen

Dafür haben die Wissenschaftler 12 klinische Studien mit insgesamt 45.380 Teilnehmern, die Impfreaktionen meldeten, ausgewertet: Dabei hat in etwa die Hälfte der Studienteilnehmer einen wirklichen Impfstoff verabreicht bekommen und die andere Hälfte nur ein wirkungsloses Scheinpräparat. Die Teilnehmer wussten vorher nicht, zu welcher Gruppe sie gehören.

Die Ergebnisse sind erstaunlich: Nach der ersten Impfung leideten circa 35 Prozent der Schein-Geimpften unter Kopfschmerzen oder Abgeschlagenheit. Nach der zweiten Impfung waren es noch rund 32 Prozent. Bei den tatsächlich Geimpften traten nach der ersten Impfdosis bei rund 46 Prozent der Teilnehmer Nebenwirkungen auf. Nach der zweiten Spritze waren es sogar 61 Prozent.

Aus dem Verhältnis der beiden Gruppen, also der Placebo- und der echten Impfgruppe, errechneten die Experten, dass bei rund Dreiviertel der Impfreaktionen der Nocebo-Effekt der Auslöser war.

Die Studie wurde von zwei unabhängigen Wissenschaftlern überprüft. Dennoch unterliegt sie gewissen Limitierungen. Das Forscherteam gibt an, dass nur vergleichsweise wenige Studien in die Analyse inkludiert wurden und diese einer hohen Heterogenität unterliegen. Demnach verwenden die herangezogenen Datensätze unter anderem verschiedene Methoden und beziehen sich auf unterschiedliche Impfstoffe.

Trotzdem betont das Forscherteam um die leitende Wissenschaftlerin Julia Haas die Bedeutung der Ergebnisse für die weltweite Vakzinierung: "Systematische Belege in Bezug auf den Nocebo-Effekt bei Vakzinen sind wichtig für die weltweite Covid-19-Impfung, vor allem da Sorgen über Nebenwirkungen ein Grund für die Impfzurückhaltung ist".

"Bevölkerung muss informiert werden"

Weiter weisen die Experten darauf hin, dass der scheinbar starke Nocebo-Effekt nach einer Covid-Impfung auch eine offene Kommunikation gegenüber der Bevölkerung notwendig mache. Da der psychologische Effekt zu Fehlwahrnehmungen führen könnte, sollten akkurate Informationen darüber öffentlich gemacht werden.

"Medizin baut auf Vertrauen auf", erklärte einer der leitenden Wissenschaftler in einer Pressemitteilung, "unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Öffentlichkeit über das Potential der Nocebo-Wirkung informiert werden sollte, was auch dabei helfen kann, die Befürchtungen vor einer Covid-19-Impfung zu reduzieren".

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